Fraktion intern: In der letzten Sitzungswoche vor der Sommerpause hätte eigentlich das Heizungsgesetz verabschiedet werden sollen. Doch das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass das noch nicht geht. Die Ampel-Fraktionen haben die Abstimmung nun auf Anfang September verschoben. Was ist passiert? 

Katja Mast: Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, dass es sein könnte, dass die Rechte einzelner Abgeordneter nicht ausreichend berücksichtigt sein könnten, wenn das Gesetz, wie von uns geplant, in der letzten Sitzungswoche vor der parlamentarischen Sommerpause verabschiedet würde.

Fraktion intern: Warum wurden die Rechte einzelner Abgeordneter nicht gewahrt? Wie schätzt du die Begründung des Gerichts ein?

Katja Mast: Ich respektiere die Entscheidung des Gerichts vollumfänglich – das versteht sich von selbst. Da es noch ein Verfahren in der Hauptsache geben wird, werden wir uns dann die Begründung genau anschauen. Bis dahin gilt es abzuwarten. Mir ist wichtig, dass wir beim Gebäudeenergiegesetz (GEG) nicht zuletzt mit der Durchführung von zwei Sachverständigenanhörungen für mehr Beteiligung als üblich gesorgt haben. Ich kann mich an kein anderes Gesetz erinnern, bei dem wir das jemals gemacht haben.

Fraktion intern: Werden die Inhalte noch einmal geändert bis September? Oder bleibt alles, wie es ist?

Katja Mast: Wir haben eine eindeutige Verabredung der Ampel-Fraktionsvorsitzenden, die besagt, dass wir dem Gesetz mit den in der letzten Sitzungswoche beschlossenen Änderungsanträgen des Ausschusses für Klimaschutz und Energie zustimmen werden. Und zwar in der ersten Sitzungswoche im September. Das ist eindeutig.

Fraktion intern: Warum ist das so wichtig?

Katja Mast: Weil die Menschen jetzt Klarheit und Planungssicherheit brauchen. Sie wollen wissen, was ab wann gilt und vor allem mit welcher Förderung sie rechnen können und wie wir den sozialen Ausgleich gestalten. Das Gesetz hat im Vorfeld für viel Aufsehen gesorgt. Viele sind verunsichert oder waren besorgt, dass sie finanziell überfordert werden. Jetzt ist klar, wie das Gesetz kommt. 

Fraktion intern: Kannst du den Menschen denn jetzt die Sorgen nehmen?

„Es geht um eine große Fördersumme.“

Katja Mast: Ja, denn unsere Förderung geht jetzt bis zu 70 Prozent bei Neuanschaffungen von klimafreundlicheren Heizungen. Diese Förderung wurde im Parlament deutlich ausgeweitet. Wir brauchen die Unterstützung der Bürger:innen, um unser Land bis 2045 klimaneutral zu machen. Und wir haben im Bereich des Mieterschutzes wirklich große Fortschritte erzielt und die Kostenumlage pro Quadratmeter für die Modernisierung der Wohnungen klar auf maximal 0,50 Euro gedeckelt. Das gab es noch nie. So wissen alle, was auf sie zukommen kann. Der Mieterschutzbund steht voll hinter dieser Vereinbarung. Insgesamt geht es um eine große Fördersumme. Aber wir haben ja auch Großes vor. Wir wollen Strukturwandel mit den Menschen gestalten und Zuversicht geben, dass wir unser Land besser aufstellen.

Fraktion intern: Ab wann gilt das Gesetz? 

Katja Mast: Nur in Neubauten in ausgewiesenen Neubaugebieten gelten die Regelungen ab 1.1.2024. In allen anderen Gebäuden gilt sie erst, wenn die alte Heizung erneuert werden muss und frühestens wenn die kommunale Wärmeplanung vorliegt: In großen Kommunen muss sie bis 2026 fertig sein und in kleineren Kommunen bis 2028. Zuerst liefert der Staat die kommunale Wärmeplanung und erst dann sind die Bürger:innen und auch die Privathaushalte gefordert, sich zu orientieren, wie es mit der Zukunft ihrer Heizung weitergeht.

Fraktion intern: Kannst du die Verunsicherung nachvollziehen?

Katja Mast: Natürlich kann ich verstehen, dass es Verunsicherung gab, weil sehr früh ein nicht entscheidungsreifer Vorentwurf durchgestochen wurde. Und die soziale Frage war nicht beantwortet. 

Fraktion intern: Wie kam es dazu? Haben wir da auch Fehler gemacht?

Katja Mast: Wir hatten eine sehr aufgeheizte Debattensituation. Ich glaube, es würde allen gut tun, dass wir über den Sommer über den Debattenstil nachdenken und zu einer weniger aufgeheizten Situation kommen. Natürlich haben die AfD, aber auch CDU und CSU die ganze Debatte dann noch angetrieben und skandalisiert. Deshalb, glaube ich, ist das Allerwichtigste, dass die Koalition die notwendigen sachlichen Debatten führt, um dann mit gemeinsamen Positionen für Überzeugungen zu arbeiten. Es ist auch eine Frage von Selbstdisziplin jedes:r Einzelnen. Wir haben ja noch viele, viele Reformprojekte vor uns, um das Leben der Bürger:innen besser zu machen. Gesetze werden nicht auf Twitter, sondern im Bundestag beschlossen. 

Fraktion intern: Leistet die Union noch eine seriöse Oppositionsarbeit? Oder ist das nur noch Populismus? 

Katja Mast: Seit dem Moment, wo wir unsere Änderungsanträge vorgelegt haben, hört man aus der Union keine inhaltliche Kritik mehr am GEG. Und deshalb ist auch klar, dass sie keine seriöse Oppositionsarbeit macht. Für die Selbstfindungsprozesse in CDU und CSU und ihre Machtkämpfe, die sie bei der Kanzlerfrage haben, bin ich allerdings nicht zuständig.

Fraktion intern: Jetzt hat die Union aber auch gerade wieder bei diesem Gesetz bewiesen, dass sie den Streit eigentlich nicht mehr fair führt und mit dem Feuer spielt. 

Katja Mast: Ich registriere das, und ich registriere natürlich auch immer wieder, dass die Brandmauer der Union gegenüber rechtsextremen Parteien, gegenüber der AfD, nicht an jeder Stelle steht. 

Fraktion intern: Nun ist ja in Thüringen erstmals ein AfD-Landrat gewählt worden. In dem Bundesland ist die AfD neuesten Umfragen zufolge mit 34 Prozent stärkste Kraft. Woran liegt das? Manche sagen, das Heizungsgesetz sei schuld daran.

Katja Mast: Das ist billiger Populismus der CDU, um sich nicht die Frage  stellen zu müssen: Was ist ihr Anteil? 
 
Fraktion intern: Aber was können die demokratischen Parteien denn dagegen tun? 

Katja Mast: Wir müssen immer wieder klar machen, dass die AfD eine demokratiefeindliche Partei ist, dass sie im Kern unsere Werte, unser Grundgesetz ablehnt. Und dennoch müssen wir registrieren, dass viele Menschen dennoch dazu neigen, sie zu wählen. Darauf gibt es mehrere Antworten. Eine ist, dass wir immer wieder klar machen, was wir für die Bürger:innen tun. Zum Beispiel die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro, das harte Arbeiten an bezahlbarem Wohnen, dass wir die gesetzliche Rente stärken wollen und dass die AfD keine einzige Lösung für diese Probleme hat. Die AfD ist Teil des Problems. Sie hat im Bundestag bei der Mindestlohn-Erhöhung nicht mitgestimmt. Sie will letztendlich die unteren Einkommen und die Mittelschicht benachteiligen und die oberen Einkommen steuerlich entlasten. Und mit ihrem Agieren und Hetzen sorgt sie auch dafür, dass weniger ausländische Fachkräfte zu uns kommen, die wir händeringend brauchen. Die AfD schadet ganz massiv dem Wohlstand und der sozialen Sicherheit in Deutschland. 

Fraktion intern: Was kann die SPD-Fraktion noch tun?

Katja Mast: Vor Ort bei den Leuten sein. Wir haben uns als Fraktion gute Wahlkreisarbeit auf die Fahne geschrieben und kürzlich eine Themenwoche veranstaltet, bei der wir auf den Marktplätzen waren, damit wir hören, was die Bürger:innen uns mit auf den Weg geben. Und da waren 206 Abgeordnete vor Ort unterwegs. 

Fraktion intern: Ist die AfD ein ostdeutsches Problem?

Katja Mast: Alles, was ich gesagt habe, gilt überall in Deutschland. In meinem Wahlkreis Pforzheim im Stadtrat ist die AfD die zweitstärkste Fraktion. Wir haben da eben auch bei uns Hausaufgaben zu machen. In Ostdeutschland haben wir als Sozialdemokrat:innen natürlich strukturelle Herausforderungen. Es ist ein Unterschied, ob ich wie in meinem Wahlkreis an fast jedem Ort sozialdemokratische Gemeinderät:innen habe, oder eben kaum jemanden, den ich anrufen und fragen kann: Was ist denn da los? Oder: Kannst du auch mal eine Aussage verstärken? Und das ist, glaube ich, der wichtigste Unterschied. Und deshalb haben wir auch in der SPD-Bundestagsfraktion eine engagierte Debatte über die Situation in den ostdeutschen Bundesländern. Ich denke gemeinsam mit der Landesgruppe Ost darüber nach, wie wir mit einem engeren Austausch zwischen Abgeordneten eine neue Initiative starten können. 

Fraktion intern: Geht es dabei darum, die Abgeordneten aus der Fraktion heraus besser zu unterstützen?

Katja Mast: Erst einmal wollen wir in der SPD-Bundestagsfraktion, dass man auch konkret versteht und erlebt, was diese Strukturschwäche in der Fläche bedeutet. Und daran arbeiten wir. 

Fraktion intern: Das GEG bzw die Wärmewende ist ja nur ein Baustein auf dem Weg zur Klimaneutralität bis 2045, der wir uns ja aus guten Gründen verpflichtet haben. Es wird weitere Veränderungen geben müssen, etwa bei der Mobilität. Wie weh darf Klimaschutz tun?

Katja Mast: Wir müssen die Dekarbonisierung so gestalten, dass jede:r mitkommen kann, und zwar unabhängig vom Einkommen. Das ist die wichtigste sozialdemokratische Aufgabe. Die ökologische Frage ist auch eine verteilungspolitische Frage. Ich habe als Kind von Sozialhilfe gelebt, war schon damals sehr umweltbewegt und wollte Müll vermeiden. Doch um Milchflaschen zu kaufen statt Tetrapaks hatten wir schlichtweg das Geld nicht. Wir waren vier Kinder, meine Mutter alleinerziehend und als Putzfrau berufstätig. Es geht immer darum, dass sich die breite Masse der Bevölkerung ökologisches Verhalten leisten kann. Und nichts anderes haben wir beim Gebäudeenergiegesetz hoch und runter diskutiert. Ich bin froh, dass unser Gesetz so stark sozial ausgeglichen ist. 

Fraktion intern: Das kostet natürlich auch den Staat viel Geld, diesen sozialen Ausgleich zu schaffen. Finanzminister Christian Lindner will sparen, viel vom vorhandenen Geld fließt in die Zeitenwende.

Katja Mast: Wir arbeiten daran, dass Deutschland ein wohlhabendes und wohlstandsorientiertes Land bleibt. Und es ist ja völlig klar, dass wir uns gut vorstellen könnten, auch beim Thema Steuern mutigere Schritte zu gehen, als die FDP dazu aktuell in der Lage ist. 

Fraktion intern: Gibt es konkrete Ideen? 

Katja Mast: Bei der Erbschaftsteuer und bei der Vermögensteuer gibt es viele sehr konkrete Vorstellungen und Gedanken. Aber im Moment habe ich dafür keine parlamentarischen Mehrheiten. Dennoch sind die Forderungen richtig und ganz klar Programmatik der SPD-Fraktion. 

Fraktion intern: Du hast ja gerade schon die unterschiedlichen Prioritäten einzelner Ampel-Koalitionspartner etwa beim Thema Steuerpolitik angesprochen. Wie schwierig wird gemeinsames Handeln bei kommenden Projekten? 

Katja Mast: Wir haben ja auch vieles geräuschlos geschafft: Wir haben in der letzten Sitzungswoche etwa das Fachkräfteeinwanderungsgesetz beschlossen. Es gab überhaupt kein Gezerre darüber in der Öffentlichkeit. Wir haben jetzt eines der modernsten Einwanderungsgesetze weltweit verabschiedet. Außerdem haben wir das Weiterbildungs- und Ausbildungsförderungsgesetz beschlossen, das eine Ausbildungsgarantie für junge Menschen hier in unserem Land schafft und für die Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind, sehr viel stärkere und deutlichere Weiterbildungsmöglichkeiten. Denn es geht uns um Sicherheit im Wandel.

Fraktion intern: Blickst du zuversichtlich auf die zweite Hälfte der Legislatur?

„Die SPD-Fraktion ist Garant dafür, dass die Kindergrundsicherung kommt.“

Katja Mast: Ja, absolut. Die Kindergrundsicherung ist das, was als nächstes kommt. Dann haben wir noch die Stärkung der gesetzlichen Rente vor uns, den Ausbau erneuerbarer Energien, die Verkehrswende, die Stärkung von Tariflöhnen und vieles weitere.

Fraktion intern: Was sind deine Prios bei Kindergrundsicherung?

Katja Mast: Die Kindergrundsicherung ist ein Paradigmenwechsel in der Förderung von Kindern. Eltern müssen nicht mehr einzeln Anträge für alle möglichen Leistungen stellen, sondern das Geld kommt gebündelt automatisch zur Familie und den Kindern. Die SPD-Fraktion ist Garant dafür, dass die Kindergrundsicherung kommt. Teile der künftigen Kindergrundsicherung, die materiell sind, haben wir ja schon auf den Weg gebracht. Die 250 Euro Kindergeld für jedes Kind etwa, die größte Kindergelderhöhung, seit es das Kindergeld gibt, genauso wie die Erhöhung des Kinderzuschlags auf 250 Euro und den Kindersofortzuschlag um 20 Euro pro Monat pro Kind für Sozialleistungsempfänger. An vielen Stellen haben wir schon viele Milliarden ausgegeben, um Kinder und Familien zu stärken. Und jetzt geht es darum, das Ganze konzeptionell in einen Gesetzentwurf zu gießen. 

Fraktion intern: Bis wann?

Katja Mast: Die zuständige Ministerin Lisa Paus wird es bis Ende August tun, um dann zu schauen, was wir noch zusätzlich brauchen, damit die Kindergrundsicherung gut wird.

Fraktion intern: Wird es Leistungsverbesserungen geben? 

Katja Mast: Einige Leistungsverbesserungen habe ich ja gerade erwähnt. Und es ist auch klar, dass wir uns auch noch einmal die Höhe der Kinder-Regelsätze anschauen werden. Allein dass wir dafür sorgen, dass Familienleistungen überall ankommen, wo ein Anspruch besteht, führt schon zu Mehrausgaben. 

Fraktion intern: Im Moment sind ja zwei Milliarden Euro im Haushaltsentwurf für das Gesetz vorgesehen. 

Katja Mast: Die zwei Milliarden sind ein Platzhalter im Haushalt ab 2025. Das ist ein übliches Vorgehen. Man weiß, das wird noch mal Geld kosten. Und konkret wird es dann, wenn das Gesetz vorliegt. Und dann muss man natürlich die Planungen auch entsprechend nachsteuern. 

Fraktion intern: Die Bundesregierung hat den Haushaltsentwurf 2024 Anfang Juli beschlossen. Jetzt kommt er dann als nächstes nach der Sommerpause ins Parlament. Was sind denn aus deiner Sicht die wichtigsten Punkte, die dann noch im weiteren parlamentarischen Verfahren verbessert oder durchgesetzt werden müssen? 

Katja Mast: Unser Schwerpunkt wird der soziale Ausgleich sein. Also die Stärkung mittlerer und geringer Einkommen. Das ist quasi die DNA der SPD-Fraktion.

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