„Diese Regierungsbildung war die erste, die vom Ausgang eines Mitgliederentscheids abhängig war. Diese Herausforderung haben wir souverän gemeistert“, sagt Thomas Oppermann gleich zu Beginn seiner Rede. Es gelte nun, den Koalitionsvertrag Punkt für Punkt zu realisieren. Vor der Presse hatte Oppermann bereits festgestellt: „Der Koalitionsvertrag ist eine Errungenschaft, die wir verteidigen. Wir werden keinen Streit über die Auslegung anfangen, sondern gemeinsam mit der Regierung die Umsetzung vorantreiben.“

Eine Einigung auf die Große Koalition sei auch deshalb zustande gekommen, so Oppermann vor dem Parlament, dass es in Deutschland einen Grundkonsens gebe zur sozialen Marktwirtschaft.

Zuvor hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungserklärung gesagt, der Kompass des Regierungshandelns sei die soziale Marktwirtschaft: „Der Mensch im Mittelpunkt unseres Handelns.“ Quellen eines guten Lebens seien Freiheit, Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Stärke, Gerechtigkeit.

Oppermann führt aus, dass der Staat in der sozialen Marktwirtschaft Rahmenbedingungen dafür setze, dass Unternehmen Gewinne machen können, aber er achte auch darauf, dass Arbeitnehmerrechte geschützt werden. „Das eine darf nicht auf Kosten des anderen gehen“, sagt er. Und darum: „Der Mindestlohn gibt Arbeit Wert und Würde. Er beseitigt Lohndumping“. Die SPD hatte den Mindestlohn in den Koalitionsverhandlungen durchgesetzt.

Rede von Thomas Oppermann in der Generaldebatter zur Regierungserklärung der Bundeskanzlerin

Rentenreform ist eine Frage des Respekt

Auch die Rentenreform, eines der ersten Vorhaben der Großen Koalition, stehe für Gerechtigkeit und Würde. Oppermann: „Auch im Alter muss es einen Anspruch auf ein sicheres Auskommen geben!“ Den Vorhaltungen, es komme zu einer Frühverrentungswelle oder Missbrauch, hielt der SPD-Fraktionschef entgegen, dass die Koalition umgehend dagegen vorgehen würde. „Wir stellen uns der Debatte. Generationengerechtigkeit geht in beide Richtungen“, so Oppermann. Die junge Generation werde im Blick gehalten: „Für sie kommt es darauf an, was wir bildungs- und wirtschaftspolitisch tun.“ Insofern sei auch die Investition in Bildung und Forschung ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit.

Die Koalition hat sich vorgenommen, zügig die Energiewende voranzubringen. Strom muss erschwinglich bleiben; auch das steht unter dem Credo des Koalitionsvertrages – die Zukunft gestalten. Oppermann bekräftigt zwar, dass „ein funktionierendes Energiesystem das Herz-Kreislauf-System einer Wirtschaft“ sei, mahnt aber auch: „Energie muss für die Menschen bezahlbar sein.“ Energiepolitik müsse im Interesse des Allgemeinwohls gemacht werden.

Deutschland ist ein Einwanderungsland

Eines der zentralen Anliegen der SPD-Fraktion war die Abschaffung des so genannten Optionsmodells, das zu einer Staatsangehörigkeit zwingt. Der Koalitionsvertrag schafft dieses Modell ab. „Junge Menschen mit ausländischen Wurzeln, die hier geboren sind, kommen nun nicht mehr in die Zwangslage, sich entscheiden zu müssen“, sagt Oppermann vor dem Plenum. Die Gesellschaft sei „vielfältiger geworden“; im Parlament gebe es inzwischen genauso oft den Namen Özdemir wie Meier. Er stellt fest: „Wir sind ein Einwanderungsland. Einwanderung ist keine Belastung, sondern eine Chance“. Schließlich profitiere Deutschland wie kein anderes Land in der EU von der Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Die Große Koalition bringt eine gewaltige Mehrheit im Bundestag mit sich. Dessen seien sich die Regierungsfraktionen CDU/CSU und SPD bewusst, versichert Oppermann gegen Ende seiner Rede. Diese Mehrheit dürfe nicht zu Arroganz verleiten. Er erneuerte die feste Absicht der SPD-Fraktion, sich in puncto Minderheitenrechte schnell mit der Opposition einigen zu wollen. Jedoch, stellt Oppermann klar: „Kontrolle der Regierung ist zwar zuerst Aufgabe der Opposition, aber auch des gesamten Parlaments.“

Frauenquote beseitigt Diskriminierung

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD Eva Högl freut sich nach eigener Aussage sehr auf die kommenden vier Jahre. In ihrer Rede bei der Generaldebatte spricht sie von „engagierter Politik“, die komme, untermauert durch konkrete Vorschläge und Vereinbarungen – so, wie es im Koalitionsvertrag verschriftlicht ist. Der Blick liege auf dem Wesentlichen, nun „mit Mut und Ideen zu gestalten“.

Högl nennt zwei Ziele, die ihr am Herzen liegen: „Verbesserungen für die Bürger und eine Modernisierung der Gesellschaft“. Als Beispiel führt sie die avisierte Mietpreisbremse an, die vor allem Mieterinnen und Mietern in Ballungsräumen helfen wird. Aber auch die Frauenquote, die die Diskriminierung von Frauen in der Arbeitswelt beseitige, gehöre in diese Felder.

Martin Dörmann, dritter Redner in der Aussprache, legt seinen Fokus auf die Kultur- und Medienpolitik des Bundes. Als erstes solle nun die Künstlersozialversicherung abgesichert und gestärkt werden. Das habe auch die zuständige Ministerin Andrea Nahles schon angekündigt. So steht es im Koalitionsvertrag. Danach gelte es, die Medienordnung neu zu gestalten. Dazu sagt Dörmann: „Der SPD-Fraktion ist es wichtig, die Frage zu klären, wie in einer veränderten Medienwelt die Freiheit und Vielfalt der Medien gesichert werden kann“. Denn freie Medien seien eine „Grundvoraussetzung für eine Demokratie“.

Alexander Linden