Debatte nach den Anschlägen in Paris

Freiheit und Rechtsstaatlichkeit lassen wir uns nicht nehmen

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages waren vollständig am Donnerstagmorgen erschienen, um der ermordeten Menschen von Paris zu gedenken. Nach einer Rede des Bundestagspräsidenten Lammert gab Kanzlerin Angela Merkel eine Regierungserklärung ab.

Thomas Oppermann im Plenum
(Foto: Deutscher Bundestag / Lichtblick / Achim Melde)

In der anschließenden Aussprache bezeichnete SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann die Anschläge in Paris als „gezielten Angriff auf die freie Presse. Das war der Versuch, freie Menschen in einer offenen Gesellschaft einzuschüchtern“.

Er stellte jedoch klar: „Dieses Ziel haben die Terroristen nicht erreicht." Denn die Franzosen hätten nicht nach Rache und Vergeltung gerufen oder den Polizeistaat gefordert. „Sondern Millionen sind auf die Straße gegangen, um zu trauern, aber auch um zu zeigen: Wir lassen uns von den Terroristen nicht spalten“, sagte Oppermann.

Die Terroranschläge in Paris lenken den Blick auch auf die Situation der Muslime in Deutschland. Oppermann verwahrte sich dagegen, sie nun unter eine Art Generalverdacht zu stellen. „Wenn jetzt Millionen friedfertiger Muslime in Deutschland mit den Terroristen in einen Topf geworfen werden, dann ist das eine unverantwortliche politische Brandstiftung, die leicht zu einer Eskalation der Gewalt führen kann.“

Er forderte die Organisatoren und die Demonstranten von Pegida auf, „endlich diese Stimmungsmache gegen Andersgläubige und Zuwanderer zu stoppen.“

Mehr Geld für Präventionsmaßnahmen

Der Fraktionsvorsitzende befasste sich aber auch mit der Frage, warum sich mehr als 500 junge Menschen aus Deutschland islamistischen Terrormilizen angeschlossen haben. Oft seien das schwache junge Leute ohne Schulabschluss, die sich nutzlos und ausgegrenzt fühlen. Oppermann: „Ausgrenzung ist der Nährboden für die Radikalisierung“.

Deshalb sei es gut, dass die Jugendministerin Schwesig (SPD) für Präventionsmaßnahmen dieses Jahr mehr Geld in die Hand nimmt.

„Wir müssen die Jugendlichen fördern und fordern und sie genau aus der Ecke herausholen, bevor die salafistischen Hassprediger sie dort abholen. Und dabei müssen uns auch die muslimischen Verbände helfen“, sagte Oppermann.

Er wandte sich auch den Forderungen nach schärferen Sicherheitsgesetzen in Deutschland und der schnellen Einführung der Vorratsdatenspeicherung zu. In ihrer jetzigen Form wurde die von den höchsten Gerichten als verfassungswidrig deklassiert.

Oppermann versicherte, er habe Vertrauen in die Sicherheitsbehörden und dankte den Er-mittlern für ihre schwierige Arbeit, die Menschen in Deutschland zu schützen.

Er forderte zugleich: „Ich will, dass die Sicherheitsbehörden in der Lage sind, den Rückkehrern 24 Stunden am Tag auf den Füßen zu stehen. Kein gewaltbereiter Syrienrückkehrer darf sich in Deutschland mehr unbeobachtet fühlen.“

Und wenn die personelle und finanzielle Ausstattung der Behörden dazu nicht reiche, „dann werden wir sie rasch verbessern“, stellte er klar.

Einwanderungsgesetz vonnöten

Die Vorratsdatenspeicherung sei dagegen momentan nicht umsetzbar, weil der Europäische Gerichtshof die EU-Richtlinie für nichtig erklärt und für eine Neufassung sehr strenge Auflagen erteilt habe. Die Neufassung solle in Ruhe abgewartet werden.

Er begründete: „Wenn wir unsere Freiheit im Interesse einer vermeintlich perfekten Sicherheit zu stark einschränken, dann werden wir am Ende beides verlieren.“

Was allerdings in seinen Augen schnell auf den Weg gebracht werden sollte, ist ein Einwanderungsgesetz, das die bestehenden Regelungen bündelt. Denn Deutschland verliert in den kommenden Jahren pro Jahr 400.000 Menschen im erwerbsfähigen Alter. Diese Lücke lässt sich weder durch die höhere Erwerbsbeteiligung von Frauen noch durch die Qualifizierung von Arbeitslosen schließen. Oppermann: „Dazu brauchen wir qualifizierte Einwanderer in großer Zahl. Nur Einwanderungsgesellschaften sind Wachstumsgesellschaften.“

Sein Appell: „Ich will, dass wir in der Koalition gemeinsam über Einwanderung diskutieren. Wir müssen die bestehenden Regeln überprüfen. Und wir müssen offen diskutieren, nach welchen Regeln Einwanderer nach Deutschland kommen sollen.“

Die Mittel des Rechtsstaats nutzen

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Eva Högl bezeichnete die Terroranschläge von Paris als „Angriff auf die Pressefreiheit.“ Es sei aber auch ein „Angriff auf unsere Werte und unsere Demokratie“ gewesen. „Die Attentäter wollten uns alle verunsichern, sie wollten spalten.“ Das sei ihnen jedoch nicht gelungen. Denn: „Freiheit und Rechtsstaatlichkeit lassen wir uns nicht nehmen“, rief Högl. Stattdessen würden wir mit den Mitteln des Rechtsstaats reagieren.

Deshalb gebe es auch keinen Grund für gesetzgeberischen Aktionismus. Schließlich habe die Große Koalition wichtige Regelungen zur Terrorismusbekämpfung längst auf den Weg gebracht, etwa das Betätigungsverbot für den IS. Nun werde auch das Personalausweisgesetz geändert, das potenzielle Dschihadisten an der Ausreise hindern soll.

„Wir werden auch den Verfassungsschutz schlagkräftiger machen“, versprach Högl; dazu zählten auch die bessere Vernetzung der Sicherheitsbehörden auf europäischer Ebene sowie eine bessere personelle und technische Ausrüstung.

Sie betonte, dass auch die Präventionsarbeit gestärkt werde, etwa durch mehr Unterstützung für Verbände, die sich für Demokratie einsetzen.

Zuvor hatte Kanzlerin Merkel geäußert, dass Freiheit und Toleranz nichts mit Verständnis für Terrorismus zu tun hätten und dass die Scharia nicht über dem Grundgesetz stehe. Dagegen seien die Presse- und Meinungsfreiheit einer der größten Schätze unserer Gesellschaft.

Alexander Linden

SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann verurteilt vor der Presse die Stimmungsmache von Pegida und begründet, warum wir ein echtes Einwanderungsgesetz benötigen.

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