Was hätte denn der Oppositionspolitiker Oppermann zum Start dieser Koalition gesagt?

Oppermann: Wir sind aus einem harten Wahlkampf und langen Koalitionsverhandlungen gekommen. Alle haben sich auf das Regieren gefreut. Dass bei so viel Motivation das eine oder andere nicht gleich alles exakt rund läuft, das ist doch ganz menschlich. Die Phase ist nun vorbei.

Wie wichtig ist die SPD-Fraktion in einer großen Koalition?

Oppermann: Die SPD ist ein selbstbewusster Partner der Union. Der Erfolg bei den Koalitionsverhandlungen und dem Mitgliederentscheid hat uns großes Selbstvertrauen gegeben. Von diesem Selbstbewusstsein wird auch die Bundeskanzlerin profitieren. Denn ein Partner, der seiner Sache nicht sicher ist, ist kein guter Koalitionspartner.

Sagen Sie als Fraktion: Am Ende entscheiden wir - Oppermannsches Gesetz?

Oppermann: (lacht) Es gilt das Strucksche Gesetz, das der frühere SPD-Fraktionschef Peter Struck ausgerufen hat, wonach kein Gesetz aus dem Bundestag herausgeht, wie es hineingegangen ist. Grundsätzlich gilt, dass im Bundestag der letzte Strich an jedes Gesetz gemacht wird. Hilfreich ist immer, wenn die Gesetze mit den Fraktionen besprochen werden, bevor sie in den Bundestag kommen. Natürlich werden wir sie in jedem Einzelfall ausführlich beraten. Jedes Gesetz kann noch besser werden und dafür werden die Fraktionen sorgen.

Die große Koalition zwischen 2005 und 2009 haben der damalige SPD-Fraktionschef Peter Struck und Unionsfraktionschef Volker Kauder zusammengehalten. Werden diese Koalition Oppermann und Kauder zusammenhalten?

Oppermann: Das werden wir tun. Im Übrigen: Alle Minister und alle Abgeordneten müssen dazu beitragen, dass die Koalition zusammenhält. Die Menschen wollen nicht, dass wir die Auseinandersetzung aus dem Wahlkampf fortsetzen. Sie wünschen vielmehr eine Regierung, die sich auf die wichtigen Probleme konzentriert und sie löst.

War der Vorstoß zur 32-Stunden-Woche ein Beitrag zum Zusammenhalt der Koalition?

Oppermann: Die 32-Stunden-Woche ist eine zukunftsweisende Idee, wie die Anforderungen von Beruf und Familie besser vereinbar werden können. Sie findet viel Zuspruch bei jungen Familien. Wir haben die Idee nicht im Koalitionsvertrag durchsetzen können. Das kommt spätestens 2017 auf die Tagesordnung.

Ist der Koalitionsvertrag ihre Grundlage?

Oppermann: Der Koalitionsvertrag ist unser Arbeitsauftrag für die nächsten vier Jahre. Darin steckt eine Menge politischer Substanz. Selbstverständlich wird es im Laufe der Legislaturperiode neue Fragestellungen geben, die dann aktuell beantwortet werden müssen.

An welchen Stellen müssen Sie beim Rentengesetz besonders genau hinschauen, bevor die Fraktion den (letzten) Strich macht?

Oppermann: Wir werden klarstellen, dass die Mütterrente spätestens ab 2019 schrittweise auch aus Steuermitteln finanziert werden muss. Denn dies ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die nicht nur von den Beitragszahlern, sondern von allen finanziert werden muss. Wir wollen eine Erhöhung des Rentenbeitrags wegen der Mütterrente vermeiden.

Inwieweit sollen bei der abschlagfreien Rente ab 63 Jahren Zeiten der Arbeitslosigkeit angerechnet werden?

Oppermann: Andrea Nahles hat einen guten Vorschlag vorgelegt. Ich bin zuversichtlich, dass alle dem zustimmen können. Es ist jedenfalls klar, dass die Menschen nach 45 Versicherungsjahren abschlagsfrei in Rente gehen können, auch wenn sie einige Zeit unverschuldet arbeitslos waren.

Muss bei der Regierungsklausur kommende Woche in Meseberg auch über das gescheiterte No-Spy-Abkommen gesprochen werden?

Oppermann: Das wird die Regierung einige Zeit beschäftigen. Wir sind uns einig, dass wir ein belastbares Anti-Spionage-Abkommen brauchen. Wir sind mit den Vereinigten Staaten verbündet, um gemeinsame Werte wie Freiheit, Demokratie und Recht zu verteidigen. Damit ist es nicht vereinbar, wenn wir uns mit illegalen Mitteln gegenseitig ausspionieren. Wir müssen den Druck erhöhen.

Wie denn?

Oppermann: Deutschland und die USA sind in vielfacher Hinsicht, in Sicherheitsfragen, in Wirtschafts- und Handelsfragen, aber auch in Fragen der Wertvorstellungen miteinander verbunden und aufeinander angewiesen. Unsere Partnerschaft darf nicht im Widerspruch zu den Werten stehen, auf die sie gegründet ist.

Heißt Druck erhöhen, zum Beispiel, dass Deutschland droht, schneller als vereinbart aus Afghanistan abzuziehen?

Oppermann: Wir drohen unseren Partnern nicht, wir verhandeln.

Offenbar gibt es keine Verhandlungen ...

Oppermann: Die Gespräche dauern an. Es geht darum, unsere Partner zu überzeugen und sie daran zu erinnern, dass wir es nicht akzeptieren können, wenn es zu keiner Einigung kommt. Dieses Abkommen ist eine wichtige Frage für das deutsch-amerikanische Verhältnis. Es würde unsere Verhandlungsposition stärken, wenn wir auch in Europa gemeinsame Regeln vereinbaren.

Es zeichnet sich ab, dass es für den Wechsel von der Politik in die Wirtschaft eine Selbstverpflichtung des Kabinetts gibt. Reicht Ihnen das?

Oppermann: Die Fraktionen erwarten, dass sich das Kabinett schnell über die Regeln für einen Seitenwechsel verständigt. Dazu gehört auch eine Karenzzeit.

Wie lang sollte die Karenzzeit sein?

Oppermann: Wir wollen 18 Monate, die Union deutlich kürzer.  Da sind zwölf Monate ein guter Kompromiss. In Einzelfällen müssen wir zu differenzierten Lösungen kommen, etwa wenn auf unseren Wunsch ein Finanzstaatssekretär zur EZB geht. In der EU gibt es für solche Fälle eine Kommission, die entscheidet.

Sie wollten ursprünglich Innenminister werden. Jetzt sind Sie Fraktionschef. Wie groß ist die Trauer?

Oppermann: Ich wollte unbedingt Innenminister Friedrich ablösen. Das ist mir ja teilweise gelungen. Im Ernst: Als die Frage aufkam, ob ich Fraktionsvorsitzender der SPD werden könne, habe ich zunächst gezögert - aus Respekt vor dem Amt und den Amtsvorgängern. Am Ende der Abwägung stand für mich fest: Dies eines der schönsten Ämter, die es in der SPD gibt.Ich werde alles daran setzen, dieses Amt gut auszufüllen.