Herr Oppermann, ist die Aufregung über dubiose Briefkastenfirmen in Panama nicht verlogen? Es hat doch immer wieder Hinweise in diese Richtung gegeben...

Oppermann: Die Enthüllungen über die Briefkastenfirmen in Panama sind ein Schlag ins Gesicht für jeden ehrlichen Steuerzahler. Es ist zwar gelungen, innerhalb der OECD einen automatischen Informationsaustausch durchzusetzen. Aber davon sind viele Steueroasen unberührt geblieben. Nicht jede Briefkastenfirma ist illegal, aber bei anonymen Briefkastenfirmen liegt die Vermutung nahe, dass auf diesem Weg Geld gewaschen und Steuern hinterzogen werden sollen.

Hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Kampf gegen Steuerbetrug wirklich so viel erreicht wie er immer sagt?

Wir haben ganz offensichtlich noch nicht genug getan. Wie kann es denn sonst sein, dass sich unter den Augen der deutschen Steuerbehörden Tausende von Deutschen unter Mithilfe von hiesigen Banken an Briefkastenfirmen in Panama beteiligt haben? Es war die OECD, die entschlossen gehandelt hat. Der Bundesfinanzminister ist mir viel zu zögerlich, wenn es darum geht, national die richtigen Konsequenzen aus den Panama-Enthüllungen zu ziehen.

Was ist jetzt das Gebot der Stunde?

Wir müssen Tacheles reden mit unseren Banken. Wer Kunden Briefkastenfirmen in Übersee vermittelt, unterstützt kriminelle Machenschaften und muss dafür zur Rechenschaft gezogen werden – in letzter Konsequenz dann auch mit einem Lizenzentzug der betroffenen Bank. Dafür brauchen wir eine Änderung des Kreditwesengesetzes. Der entsprechende Gesetzentwurf liegt seit drei Jahren bei Herrn Schäuble. Passiert ist nichts. Außerdem bin ich für die Einführung eines Transparenzregisters. Ein ehrbarer Kaufmann gründet keine Briefkastenfirma, da er mit ihr weder Umsatz noch legalen Gewinn machen kann. Hier geht es um kriminelle Handlungen, die verboten und bestraft werden müssen.

SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert ein weltweites Verbot anonymer Briefkastenfirmen. Ist das nicht unrealistisch?

Es ist richtig. Als ersten Schritt dahin brauchen wir 100 Prozent Transparenz. Dazu hat Bundesjustizminister Heiko Maas jetzt einen guten Vorschlag für ein Transparenzregister gemacht. Er muss schnell umgesetzt werden.

Sollten die „Panama-Daten“ jetzt den Ermittlern zur Verfügung gestellt werden?

Es ist traurig, dass solche Enthüllungen wieder einmal auf journalistische Recherche zurückzuführen sind und nicht durch die eigentlich zuständigen Finanzbehörden aufgedeckt wurden. Dafür gebührt den entsprechenden Journalisten Respekt und Anerkennung. Ich fände es gut, wenn diese ihre Erkenntnisse den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen, wenn sie dabei ihre Quellen nicht offenbaren müssten.

Nächste Woche trifft sich wieder der Koalitionsausschuss –​ nach Wochen der Wahlkampf-Auseinandersetzung. Der Flüchtlingsstreit in der Union scheint noch nicht ausgestanden zu sein. Ist die GroKo überhaupt noch handlungsfähig?

Die Union muss ihren monatelangen Streit um die Flüchtlingskrise jetzt beenden. Wir haben noch wichtige Aufgaben in der Koalition vor uns. Seit Monaten herrscht in der Innenpolitik Stillstand. Die Blockadepolitik der CSU gegen fertig ausverhandelte Gesetzentwürfe zur Erbschaftssteuer und zur Leiharbeit muss beendet werden. So kann es dieser Koalition nicht weitergehen. Wir müssen in den nächsten anderthalb Jahren dieses Land gut regieren. Die SPD ist dazu bereit. Aber dann muss man Vereinbarungen auch umsetzen. Sie können nicht beliebig von Horst Seehofer zur Disposition gestellt werden.

Ist die SPD zu Zugeständnissen beim Streitthema Leiharbeiter und Werkverträge bereit?

Wir sind uns mit der CDU in allen wichtigen Fragen einig. Deshalb sehe ich keinen weiteren Verhandlungsbedarf. Das Gleiche gilt auch für die Erbschaftsteuer. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die CSU immer noch blockiert. Horst Seehofer ist der ewige Nein-Sager. Das hilft niemanden weiter und bringt Deutschland nicht voran. Die Vorschläge der CSU zur Erbschaftssteuer sind verfassungsrechtlich nicht haltbar. Nur: Das muss jetzt auch mal jemand aus der CDU Herrn Seehofer klarmachen.

Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland hat sich drastisch verringert. Gibt die Entwicklung Angela Merkel und der SPD Recht oder nicht doch eher Horst Seehofer und der CSU?

Die Bundesregierung muss die Atempause, die wir jetzt haben, nutzen, um die richtigen Entscheidungen zu treffen. Dazu gehören ein Integrationsgesetz und ein Einwanderungsgesetz. Wir werden weiter massiven Einwanderungsdruck nach Europa haben - besonders aus Afrika. Damit es nicht zu einem unkontrollierten Zustrom wie in den zurückliegenden Monaten kommt, brauchen wir dringend ein modernes Einwanderungsgesetz - mit klaren Regeln dafür, wer die Chance haben soll, dauerhaft in Deutschland zu bleiben und wer wieder gehen muss.

Sollte es nicht erst einmal darum gehen, diejenigen zu integrieren, die schon hier sind?

Man muss das eine tun und darf das andere nicht lassen. Ich hoffe, dass wir uns beim Koalitionsausschuss nächste Woche auf die Eckpunkte eines Integrationsgesetzes verständigen werden. Wir dürfen die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen. Es muss von Anfang an um Fördern und Fordern gehen. Wer dauerhaft in Deutschland bleiben will, muss sich anstrengen und unsere Sprache lernen. Wer sich nicht integrieren will, muss zurück in sein Heimatland, sobald man dort wieder sicher leben kann.

In Stuttgart koalieren die Grünen mit den Schwarzen. Wie groß ist die Angst der SPD vor Schwarz-Grün im Bund?

Schwarz-Grün wäre ja auch in dieser Wahlperiode möglich gewesen. Die Mehrheit war da. Offenkundig waren die Übereinstimmungen nicht groß genug. Ich sehe nach wie vor die meisten Schnittmengen zwischen SPD und den Grünen. Derzeit reicht es aber leider nicht. In Rheinland-Pfalz werden wir voraussichtlich demnächst eine Ampel-Koalition haben. Wenn das gut läuft, kann das auch ein Modell für den Bund werden.

Die SPD liegt in den Umfragen für den Bund auf einem neuen Allzeit-Tief. Von der Kanzler-Perspektive können Sie sich verabschieden, oder?

In einem Sechs-Parteien-System ist alles möglich. Wir werden selbstverständlich die Kanzlerschaft anstreben. Dafür müssen wir uns anstrengen und auf 30 Prozent kommen. Ich halte das für möglich. Die Zeiten, in denen die Union geschlossen hinter Angela Merkel stand, sind vorüber. Frau Merkel ist für die SPD nicht mehr unbesiegbar. 

Mit Sigmar Gabriel als Kanzlerkandidat?

Natürlich hat Sigmar Gabriel den ersten Zugriff auf die Kanzlerkandidatur. Aber darüber reden und entscheiden wir im Frühjahr 2017.