„Putin hat gehofft, uns mit dem Abdrehen des Gashahns erpressen zu können“, sagt Bundeskanzler Olaf Scholz Ende Oktober im Bundestag. Doch da habe er sich verrechnet. „Denn Europa steht zusammen. Und auch wir als Land haben mit den Maßnahmen der vergangenen Wochen und Monate sichergestellt, dass wir voll Zuversicht sagen können: Gemeinsam kommen wir durch diesen Winter.“

Es ist eine klare Botschaft, die der Kanzler damit zugleich in Richtung Moskau, aber auch an die Bürger:innen richtet.

Angesichts der infolge des Lieferstopps aus Russland massiv gestiegenen Preise wird die Regierung dafür sorgen, dass alle die Hilfe bekommen, die sie benötigen, dass niemand alleine gelassen wird. „You’ll never walk alone“, lautet das Motto, das Olaf Scholz für die Bewältigung dieser Krise ausgegeben hat.

Dafür hat die Ampel-Koalition einen gewaltigen Abwehrschirm beschlossen. Ganze 200 Milliarden Euro wird die Bundesregierung über die kommenden zweieinhalb Jahre zur Verfügung stellen, um die Energiepreise unten zu halten. „Die Preise müssen runter“, kündigte der Kanzler an.

Der Abwehrschirm ergänzt die drei Entlastungspakete, die die Bürger:innen bereits mit 100 Milliarden Euro unterstützen. Über Direktzahlungen, Steuererleichterungen und weitere Maßnahmen wie eine Wohngeldreform und eine Erhöhung des Bürgergelds wurden schon massive Hilfen in die Wege geleitet.

Für sichere Jobs kämpfen

Jetzt stehen mit einer Strom- und einer Gaspreisbremse strukturelle Eingriffe an, die Verbraucher:innen und Unternehmen dauerhaft und planbar entlasten – und dafür sorgen, dass die hohen Preise erst gar nicht bei ihnen ankommen.

„Gemeinsam kämpfen wir dafür, dass Unternehmen und Arbeitsplätze sicher sind und dass niemand von den Preisen für Strom und Heizung überfordert wird“, so Rolf Mützenich, Chef der SPD-Bundestagsfraktion.

Deutschland ist zwar gut vorbereitet auf den Lieferstopp aus Russland – etwa durch Gasimporte aus anderen Ländern, den Bau von Flüssiggasterminals und den raschen Ausbau der erneuerbaren Energien. Dennoch werden hohe Preissteigerungen nicht zu vermeiden sein.

Doch es gibt auch Grund, zuversichtlich zu sein. Wir seien in der Lage, dafür zu sorgen, dass unser wirtschaftlich starkes Land eine so große Herausforderung bewältigen könne, sagte der Kanzler.

Strom- und Gaspreise werden gesenkt

Im Mittelpunkt steht dabei nun die Einführung von Strom- und Gaspreisbremsen. Eine von der Bundesregierung ins Leben gerufene Expert:innenkommission hat Mitte Oktober erste Vorschläge dazu erarbeitet – die Regierung ist nun dabei, diese umzusetzen, während die Kommission an der Endfassung des Berichts arbeitet.

Die Kommission schlägt in ihrem Zwischenbericht ein zweistufiges Verfahren vor: In einem ersten Schritt soll der Staat die Abschlagszahlungen für alle Gaskunden außer großen industriellen Kunden diesen Dezember übernehmen.

In einem zweiten Schritt soll für sie ab Anfang März 2023 bis mindestens Ende April 2024 eine Gas- und Wärmepreisbremse greifen. Diese sieht für eine Grundmenge an Gas einen staatlich garantierten Bruttopreis vor. Oberhalb dieses Kontingents sollen Marktpreise gelten.

Für Fernwärmekunden soll eine Wärmepreisbremse kommen, und auch für Nutzer:innen von Öl- und Pelletheizungen soll es Lösungen geben.

Für die großen industriellen Verbraucher soll die Gaspreisbremse bereits ab Januar 2023 gelten. Insgesamt beläuft sich das Entlastungsvolumen durch diese Vorschläge auf rund 96 Milliarden Euro.

Handschrift der SPD-Fraktion

Die SPD-Fraktion lobt die Vorschläge: Sie seien eine „Mischung aus schnell wirksamen und systemischen Eingriffen und damit genau das, was die SPD-Fraktion schon in ihrer Klausurtagung in Dresden gefordert hat“, sagte Fraktionsvize Matthias Miersch.

In der Tat stand die ursprüngliche Idee zur Gas- und zur Strompreisbremse bereits in einem Positionspapier, das die SPD-Fraktion Ende September verabschiedet hatte, noch bevor der Koalitionsausschuss sich überhaupt auf das Vorgehen grundsätzlich einigte – das Konzept trägt eindeutig die Handschrift der SPD-Fraktion.

Im Zuge der parlamentarischen Umsetzung wird die SPD-Fraktion auf eine gerechte Ausgestaltung der Gaspreisbremse achten. Dazu gehört auch die Prüfung, ob der Einsatz der Bremse schon früher als März beginnen kann. Andernfalls soll ein Härtefallfonds jenen Privathaushalten und Unternehmen helfen, die zwischen Dezember und März noch einmal Unterstützung brauchen.

Lob von Ökonomen

Sebastian Dullien, Direktor des Instituts für Makroökonomie- und Konjunkturforschung, lobt die von der Kommission vorgeschlagene Gaspreisbremse: Sie würde die Haushalte schnell entlasten, die Kaufkraft stärken, und die Inflation dämpfen, so der Ökonom.

Mit ihr könne das deutsche Wirtschaftswachstum direkt um einen knappen Prozentpunkt gestützt werden. Und: Bei der Inflation dürfte sie die gemessene Teuerungsrate um mehrere Prozentpunkte nach unten drücken – auch das sei „hoch willkommen“. Sehr gut sei auch, so Dullien weiter, dass die Gaspreisbremse bei den Privathaushalten Planungssicherheit schaffe.

Auch auf EU-Ebene wird daran gearbeitet, gemeinsam die Gaspreise zu senken. So unterstützen die EU-Staaten den Vorschlag der EU-Kommission, die Möglichkeit für gemeinsame Gaseinkäufe zu schaffen. Ziel ist, dass Unternehmen in den EU-Staaten ihren Bedarf bündeln und in den Verhandlungen mit anderen Ländern nicht gegenseitig die Preise treiben.

Übergewinne finanzieren Strompreisbremse

Für die Planung einer Strompreisbremse hat sich die Ampel-Koalition im Gleichklang mit der EU-Ebene eingesetzt, die Umsetzung ist nun in Arbeit. Sie soll ähnlich funktionieren wie die Gaspreisbremse, indem gewisse Basis-Stromkontingente für Haushalte verbilligt werden. Dabei soll ein Jahresverbrauch aus der Vergangenheit herangezogen werden. Allerdings gibt es einen wichtigen Unterschied bei der Finanzierung.

Dazu haben die EU-Staaten eigens eine Verordnung erarbeitet, die eine Abschöpfung übermäßiger sogenannter Zufallsgewinne am Strommarkt vorsieht. Diese entstehen bei Kraftwerken, die Strom ohne Gas produzieren, weil Gas aktuell den Preis setzt und weil dieser gerade so hoch ist. Gewinnabschöpfungen soll es geben für erneuerbare Energien, Grubengas-Kraftwerke, Abfall-Kraftwerke, Atomkraftwerke, Braunkohlekraftwerke und Kraftwerke, die Öl verbrennen.

Die Bundesregierung möchte nun möglichst Strom- und Gaspreisbremsen einheitlich umsetzen.

Der Doppel-Wumms ist beschlossen

Die finanzielle Grundlage für die Umsetzung der Preisbremsen ist jedenfalls schon vom Bundestag beschlossen worden. Dazu ist der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds, der ursprünglich ausschließlich Unternehmen infolge der Corona-Pandemie unterstützte, reaktiviert und neu ausgerichtet worden. Er dient nun auch der „Abwehr schwerer wirtschaftlicher Schäden durch die krisenhafte Entwicklung auf den Energiemärkten.“

Zusätzlich zur Anschubfinanzierung einer Strompreisbremse und zur Finanzierung der Gaspreisbremse können nun aus dem Fonds aufgrund der Energiekrise in Schwierigkeiten geratene Unternehmen und stabilitätsrelevante Gasimporteure unterstützt werden. Für all das wurde eine Kreditermächtigung in Höhe von 200 Milliarden Euro im Jahr 2022 geschaffen.

Eine Umwidmung der Mittel für andere Zwecke im Bundeshaushalt ist nicht möglich. Damit wird verdeutlicht, dass die Mittel allein der Abwehr der Folgen der außergewöhnlichen Notsituation dienen.

Kanzler Scholz bezeichnete die geplante staatliche Stützung der Energieversorgung und die vorgesehenen Preisbremsen als „Doppel-Wumms“. Er erinnerte damit an seinen Ausspruch als Finanzminister zu zurückliegenden staatlichen Hilfen in der Corona-Krise, dass es darum gehe, mit „Wumms“ aus der Krise zu kommen. „Man kann sagen, das ist hier ein Doppel-Wumms“, sagte Scholz.

Dem Einsatz von Energie als Waffe trotzen

Es ist ein wichtiges Signal, das dadurch gesendet wird, dass diese enormen Mittel zur Entlastung der Bürger:innen und zur Finanzierung der Energiepreisbremsen quasi umgehend bereitgestellt werden. Die Ampel-Koalition zeigt der russischen Regierung, dass Deutschland widerstandsfähig ist und dem Einsatz von Energie als Waffe trotzt.

Zum anderen sendet die sofortige Bereitstellung der Mittel auch ein starkes Signal an die Verbraucher:innen und an die Wirtschaft in Deutschland. Die Unsicherheit, die zurzeit die wirtschaftliche Entwicklung hemmt, wird reduziert. Gleichzeitig wird Vertrauen geschaffen in die Entschlossenheit des Staates, schwere wirtschaftliche Schäden abzufedern.