Erler habe auf eine Regierungserklärung von Ludwig Erhard geantwortet. „Herr Bundeskanzler, Ihre Rede war sehr reziplikativ!“. Unruhe im Plenum. Steinbrück: „Das Wort bedeutet nichts, es heißt gar nichts. Erler sagte damals, es spreche sich nur so gut. Und so ist es mit Ihren Regierungserklärungen!“

Steinbrück führte aus, dass die Reden Merkels sich seit Jahren so ähneln, dass ihre Minister vor Langeweile beinahe einschliefen. „Europa braucht keine Stehsätze, Frau Merkel“, so Steinbrück. Das einseitige Sparprogramm der Kanzlerin habe erst zu der hohen Jugendarbeitslosigkeit in der EU geführt. „In zwölf von 27 Ländern in der EU liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei mehr als 50 Prozent“, stellte Steinbrück klar. Das liege an dem „Teufelskreis aus Sparen, Wachstumseinbrüchen und Arbeitslosigkeit“. Dazu habe Merkel „keinen Satz“ in ihrer Regierungserklärung gesagt. Bis heute ignoriere die Koalition die vereinbarten Wachstumsimpulse für die Krisenländer. Bei mehr als 40 EU-Gipfeln blieben „die Erwartungen unerfüllt“. Steinbrück: „Wir wollen den Wachstumspakt!“

Steinbrück schlug Merkel vor, sie solle sich europaweit Unternehmer suchen und mit denen bindend vereinbaren, 500.000 neue Arbeitsplätze in Europa zu schaffen. Denn auch hier zeige die Kanzlerin keinerlei Engagement. Er stellte die Frage in den Raum, wie es wohl bei den übrigen Parteien und Ländern in der EU ankomme, wenn diese von Merkel in die Zwangsjacke gesteckt würden, während die Kanzlerin hierzulande teure Wahlgeschenke ankündige? Auch Deutschland habe nach dem Krieg am Boden gelegen und Hilfe von anderen Ländern erhalten.

Steinbrück droht mit Nein der SPD

In den vergangenen vier Jahren hat die schwarz-gelbe Koalition rund 100 Milliarden Euro neue Schulden angehäuft – trotz rekordverdächtiger Steuereinnahmen. Steinbrück stellt fest: „Sie können nicht mit Geld umgehen!“ Wenn Schwarz-Gelb regiere, werde „in der Wüste der Sand knapp“. Die Koalition lebe von der Rendite, die die SPD erwirtschaftet habe. „Wenn man in Ihre Schachteln reinguckt, ist da nur ein Haufen Luft“, legte er nach. Eigene Reformen? Fehlanzeige. „Das Erbe von Helmut Kohl ist bei Ihnen nicht gut aufgehoben“, sagte Steinbrück.

Mit Blick auf die geplante Bankenunion in der Euro-Zone bekräftigte der ehemalige Finanzminister die Haltung der SPD, dass die immer schon für die Haftungskaskade war, zunächst die Eigentümer, Gläubiger und Sparer bei einer Bankenpleite heranzuziehen, bevor der Steuerzahler einspringen müsse.

Steinbrück warnte die Kanzlerin: Sollten die Pläne der Regierung dazu führen, dass bei einer möglichen Direktkapitalisierung der Banken durch den Rettungsschirm ESM doch wieder der Steuerzahler herangezogen werde, „bekommen Sie hier die Zustimmung der SPD nicht“.
Bis heute hätten sich die Banken nicht gerecht an den Kosten ihrer Rettungsmaßnahmen beteiligt. Darum müsse endlich die europaweite Finanztransaktionssteuer kommen.

Peer Steinbrück forderte „eine Europabewegung, eine neue Idee von Europa“, damit die europäischen Institutionen besser legitimiert werden. Wir müssen, sagte er, „mehr Demokratie in Europa wagen“.

Wandel in der Europapolitik

In einem Entschließungsantrag zum Europäischen Rat am 27./28. Juni (Drs. 17/14143) fordert die SPD-Fraktion die Bundesregierung auf, einen Wandel in der Europapolitik einzuleiten und sich für eine stabilitäts- und wachstumsorientierte Wirtschafts- und Fiskalunion einzusetzen. Fiskalpolitische Regeln müssen den Mitgliedstaaten ausreichend Spielraum lassen für Strukturreformen und nachhaltige Investitionen zur Ankurbelung von wirtschaftlichem Wachstum, der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Förderung von Beschäftigung. Die Bundesregierung soll sich für die Schaffung eines Investitions- und Aufbaufonds einsetzen, der insbesondere Investitionen in die industrielle Erneuerung ermöglicht. An der Finanzierung muss der Finanzsektor durch die rasche Einführung einer Finanztransaktionssteuer beteiligt werden

Dem Problem der Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland und Europa muss höchste politische Priorität eingeräumt und in den Verhandlungen zum Mehrjährigen Finanzrahmen mit dem Europäischen Parlament auf dessen Forderungen nach Ausstattung und Bedingungen eingegangen werden. Die Mittel zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit sollen auf 21 Milliarden Euro ausgeweitet werden.

Ganz wichtig ist der SPD-Fraktion: Alle noch verfügbaren Mittel aus den europäischen Fonds sind für Sofortmaßnahmen zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit zu bündeln. Ebenso sollen die bis 2015 ungenutzten Mittel nicht in die nationalen Haushalte zurückfließen, sondern in Programme zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit überführt werden.

Alexander Linden