Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen heute nicht zum ersten Mal über dieses Thema, und es wird wohl auch nicht das letzte Mal sein. Die Meldungen der letzten Tage haben uns alle wieder aufgeschreckt.
Seit „Dieselgate“ bekannt wurde, ist vieles passiert. Wir haben einen Untersuchungsausschuss dazu eingesetzt, in dem ich selber Mitglied bin, der in langen Sitzungen und Zeugenbefragungen die Hintergründe und Verstrickungen klären soll. Wir haben über Umrüstungsmöglichkeiten gesprochen. Wir haben auf die RDE gesetzt, also auf Tests im realen Fahrzeugbetrieb und nicht im Labor.
Was kommt jetzt? Zum einen hören wir, die Bundesregierung blockiere schärfere Kontrollen in Europa. Zum anderen zeigt eine aktuelle Studie des Umweltbundesamtes, dass Diesel der Euro-6-Norm 507 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen. Der erlaubte Grenzwert liegt bei 80 Milligramm. Das ist also mehr als das Sechsfache.
Die Euro-6-Norm ist die strengste der Abgasnormen in der Europäischen Union. Sie gilt seit September 2014 für alle neuen Pkw-Typen und seit September 2015 für alle neuen Pkw. Fahrzeuge, die diese strengste Norm erfüllen sollen, stoßen auf der Straße, also im realen Fahrbetrieb, mehr als das Sechsfache des Erlaubten an Schadstofen aus.
Damit erscheinen jegliche Überlegungen, Fahrverbote zu erlassen und nur noch Dieselfahrzeugen der Euro-6- Norm die Zufahrt zu gestatten, eigentlich erledigt.
Es überrascht jetzt auch niemanden mehr, dass der UBA-Studie zufolge alle älteren und neuen Dieselautos viel mehr Schadstofe ausstoßen als angenommen. Statt wie vermutet 575 Milligramm Stickoxide wurden 2016 tatsächlich durchschnittlich sogar 767 Milligramm ausgestoßen.
Es geht hier aber nicht nur um die Zahlen und Grenzwerte. Es geht darum, was dahintersteckt und was diese Überschreitungen tatsächlich für Mensch und Umwelt bedeuten. Sie bedeuten, dass die Gesundheitsgefährdung noch höher ist als angenommen. Denn Luftverschmutzung macht krank.
Lieber Kollege Müller, ob es nun 10 000, 7 000 oder 1 000 sind: Jeder einzelne Tote ist mir zu viel.
(Beifall bei der SPD)
Das sind Zigtausende Schicksale. Mit ihnen sind auch ihre Angehörigen betrofen. Im Interesse der erkrankten Menschen – denken Sie nur daran, was sie mitmachen – müssen wir intensiv handeln. Das sind ebenfalls zigfach mehr als durch Verkehrsunfälle Betrofene.
Darum muss es uns gehen, wenn wir über die Überschreitungen der Grenzwerte reden. Ich selber versuche, mit gutem Beispiel voranzugehen. 90 Prozent meiner Wege in Frankfurt mache ich mit meinem Elektroroller oder mit meinem kleinen Elektroauto. Wir müssen schauen, was wir in Zukunft besser machen können. Es muss darum gehen, dass wir den Schadstofausstoß aus Kraftfahrzeugen deutlich verringern, damit wir die Gefahr für Mensch und Umwelt minimieren.
Nun heißt es, die Bundesregierung blockiere in Europa. Jetzt muss ich einmal deutlich trennen. Ich spreche hier als Mitglied des Umweltausschusses. Wenn ich die Äußerungen unserer Bundesumweltministerin Barbara Hendricks – auch aus den letzten Tagen – betrachte, dann kann ich nur sagen: Hier klingt nichts nach Blockade. Was ich von ihr höre, sind vielmehr klare, deutliche Aussagen und Positionierungen. Liebe Barbara Hendricks, dafür großen Dank!
(Beifall bei der SPD – Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das hat nur leider keine Konsequenzen! Herr Dobrindt sagt, was geschieht!)
Die Haltung der Bundesumweltministerin und somit auch eines Teils der Bundesregierung ist klar: Unsere Bundesumweltministerin will die Hersteller stärker in die Pficht nehmen. Sie fordert eine unabhängige Überwachung des Marktes. – Dabei hat sie meine volle Unterstützung.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Treten Sie Dobrindt doch einmal auf die Füße!)
Barbara Hendricks verlangt von den Herstellern, die existierenden Dieselfahrzeuge nachzurüsten. Sie verlangt auch, dass die Hersteller die Kosten dafür tragen. Das wird teuer.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Und Herr Dobrindt sagt das Gegenteil!)
Aber damit tragen diejenigen die Kosten, die den Schaden verursacht haben, nämlich die Hersteller.
(Oliver Krischer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN]: Wer setzt sich durch? Dobrindt!)
Formulieren wir es klar: Das Verursacherprinzip kreischt. Herr Krischer, das Wortspiel tut mir leid. Es passt aber so, und damit haben Sie, Herr Krischer, jetzt in mir etwas ausgelöst.
(Heiterkeit im ganzen Hause)
Das Verursacherprinzip greift.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Bundesumweltministerin will wirksame Kontrollen und eine bessere Überprüfung der Umweltstandards. Das ist keine Blockade. Man kann sicherlich diskutieren, ob die Vorschläge, die Prüfung von der nationalen auf die europäische Ebene zu verlagern, zielführend sind. Ich bin der Meinung, dass es wichtiger ist, dass nicht mehr die Hersteller selber TÜV oder DEKRA beauftragen. Wer es macht, ist mir egal; aber es muss vernünftig und richtig geprüft werden.
(Herbert Behrens [DIE LINKE]: Und es muss eingehalten werden!)
Herr Dobrindt, hier sind Sie federführend. Wegducken hilft nicht. Die Automobilindustrie zu schützen, hilft hier auch nicht weiter. Der Automobilindustrie hilft es mehr, wenn der Vertrauensverlust endlich beseitigt wird. Deshalb müssen wir handeln.
Wir brauchen Tests unter realen Bedingungen, um die tatsächlichen Schadstofausstöße zu messen. Wir brauchen eine Umrüstung der bestehenden Flotte. Wir brauchen den Einsatz des Know-hows unserer Automobilindustrie, um endlich emissionsarme Pkw auf den Markt zu bringen, Kraftfahrzeuge, die halten, was sie versprechen. Wir brauchen jetzt aber vor allem eines: einen Verkehrsminister, der unsere Bundesumweltministerin bei ihren Vorschlägen unterstützt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD)