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Rückblick auf die #BiDiWe16, Gastbeitrag von André Spang, Bob Blume und Dejan Mihajlovic
CC BY-SA 4.0, André Spang, 2016

 

Die Bildung in der digitalisierten Welt oder kurz Digitale Bildung ist eines der Leitthemen in diesem Jahr. Das zeige nicht zuletzt die überwältigende Resonanz auf die Fachtagung, sagte SPD-Fraktionsvize Sören Bartol bereits bei der Begrüßung. "Das Thema erhält nun endlich die gebührende Aufmerksamkeit", freute sich auch die zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion Saskia Esken, die Hauptinitiatorin der inzwischen zwei "BiDiWe"-Konferenzen. Und in der Tat: Mehr als 150 Interessierte und Expertinnen und Experten aus Gesellschaft, Politik, Wissenschaft und Wirtschaft waren am 6. September 2016 ins Paul-Löbe-Haus des Bundestages gekommen und diskutierten intensiv über den aktuellen Stand der digitalen Bildung in Deutschland. Ihr gemeinsames Ziel: Die Bildungssysteme und Lernmethoden ans neue digitale Zeitalter anpassen. Nachdem bei der BiDiWe15 im letzten Jahr der thematische Schwerpunkt noch auf der schulischen Bildung gelegen hatte, berücksichtigte die Fachtagung 2016 Bildungsfragen entlang der gesamten Bildungskette.
 

Digitale Bildung erfordert Kulturwandel in der Lehre

Das 'Learning' der letzten Jahre war ganz klar: Bildung in einer digitalisierten Welt betrifft nicht nur die Schule, sondern generationenübergreifendes Lehren und Lernen, und einen Wandel unser institutionalisierten Lernkultur insgesamt. In Workshops tauschten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer daher nicht nur über die Zukunft der Lehrerbildung und intelligente, offene und persönliche Lernnetzwerke aus, sondern diskutierten ganz konkret digital gestützte Methoden für Schulen, in der Berufsbildung sowie an Hochschulen und Volkshochschulen, und wie man die Vermittlung von Digitalkompetenz im Allgemeinen und von Informatik im Speziellen dort etablieren kann.

"Beim Thema Digitale Bildung treiben uns zwei Fragen um: Wir diskutieren, was das Bildungssystem zum Gelingen der Digitalisierung beitragen muss, wollen aber auch verdeutlichen, was die Digitalisierung für eine gerechtere und zukunftsfähige Bildung leisten kann", betonte Esken. Der Konsens der Expertinnen und Experten: Die Grundlagen müssten im frühen Kindesalter gelegt und kontinuierlich fortgeführt werden. dafür brauche es eine fundierte Aus- und Fortbildung der Lehrkräfte und stückweit ein Umdenken in der Lern- und Lehrkultur.

Hierfür plädierte insbesondere Jürgen Handke, Professor für Linguistik und Web-Technologie an der Philipps-Universität Marburg und Ars legendi-Preisträger 2015 für Digitales Lehren und Lernen. Er ermutigte in seiner Keynote alle Lehrenden, neue Wege zu gehen. Sein Ideal: weg von Frontalunterricht und Wissensabfrage, hin zu kollaborativer Lernerfahrung und Kompetenzprüfung – hin zu einem neuen Selbstverständnis der Lehrenden als "Lernbegleiter".

Handke selbst geht in seiner Hochschularbeit mit gutem Beispiel voran: Seit 2006 hat er seine Lehrinhalte sukzessive digitalisiert und das „Inverted Classroom“-Modell erprobt. Bei dieser Unterrichtsmethode erarbeiten sich Studierende die Inhalte selbstständig zu Hause, durch Lernvideos und weitere (digitale) Materialen. Die Festigung und Anwendung des Lernstoffs erfolgt dann gemeinsam in der Hochschule in der Gruppe.

Um bei der Digitalen Bildung in Deutschland schneller voran zu kommen, plädierte Handke dafür, Studierende zu "Treibern" der digitalen Bildungsrevolution zu machen. Ihre Lern- und Lebenswirklichkeit sei schließlich schon heute digital geprägt. Von der Politik wünschte er sich vor allem drei Dinge: Pflichtmodule im Bereich „Neue Medien“ in der Lehrerausbildung, Onlinekursangebote für Lehrkräfte zur Fortbildung und ein klares Bekenntnis zu frei zugänglichen digitalen Bildungsmaterialien (OER, Open Educational Ressources) und dem "Bring your own device"-Ansatz (BYOD), wenn es um den Einsatz von Smartphones, Tablets & Co geht.

 

Politische Rahmenbedingungen sind im Aufbau

Wie weit ist Deutschland mit neuen bildungspolitischen Konzepten und Standards, um vor allem Schülerinnen und Schüler für die digitale Welt zu rüsten? Auf der Fachtagung stellte Dirk Loßack, Staatssekretär im Ministerium für Schule und Berufsbildung Schleswig-Holstein, den aktuellen Stand des Strategieprozesses „Bildung in einer digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz vor. Er versprach: Wir erweitern die Kulturtechniken um die Digitale Kompetenz. Denn vor allem die kritische Auseinandersetzung digitaler Inhalte werde immer wichtiger, sogar wichtiger als die reine Reproduktion von Wissen, so Loßack. Auch er ist sich sicher: Die Rolle des Lehrers bzw. der Lehrerin wird sich verändern. Wie Handke sieht er Lehrende in Zukunft noch stärker als "konstruktive Begleiter", die ihr Wissen mit Kollegen und Schülern teilten und gleichzeitig selbst Neues lernten. So verstanden, sei Digitalisierung auch "keine zusätzliche unzumutbare Mehrbelastung für Schulen", so Loßack. Digitale Bildung sei eine "riesige Chance" und gleichzeitig eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe von Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft.
 

Kooperationsverbot im Schulbereich muss abgeschafft werden

Und wie geht es auf Bundesebene weiter? Die wichtigsten Aufgabenfelder haben die Koalitionsfraktionen SPD und CDU/CSU im vergangenen Jahr bereits konkretisiert, in einem gemeinsamen Beschluss zur Digitalen Bildung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat nun angekündigt, das Thema in einer Bildungsoffensive auch auf Bundesebene voranzutreiben. Dies ist inzwischen auch im Regierungsentwurf des Bildungs- und Forschungsetats verankert. Ein wichtiger und notwendier Schritt, resümierten Saskia Esken und ihr Kollege Hubertus Heil, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion zum Ende der Veranstaltung. Doch das Investitionstempo in gute und moderne Bildung müsse sich erhöhen. Daher sei es "ein Skandal, dass der Bund nicht in Schulen investieren kann“, betonte Heil. Damit Bund und Länder etwa gemeinsam in eine Bund-Länder-Bildungsstrategie investieren können, müsse endlich das im Grundgesetz festgeschriebene Bund-Länder-Kooperationsverbot im Schulbereich fallen. Auch im Bereich Urheberrechtsreform werde die SPD-Fraktion Druck machen, versprach Heil. Zudem plädierte er mit Blick auf den IT-Gipfel dafür, bei der Digitalisierungsoffensive mit der beruflichen Bildung zu beginnen. Diese brauche derzeit besonders Unterstützung.
 

Jasmin Hihat