Frage: Herr Oppermann, ein Terroranschlag in Barcelona mit vielen Toten. Kann der Staat seine Bürger nicht mehr schützen?

Oppermann: Doch, er muss es tun, und er tut es, auch wenn absolute Sicherheit nie garantiert werden kann. Die SPD hat dafür gesorgt, dass 8 000 Stellen bei Sicherheitsbehörden neu geschaffen wurden. Und wir brauchen in den nächsten vier Jahren weitere 15 000 neue Stellen, je zur Hälfte für Bund und Länder. Außerdem fehlen 2000 Stellen für Richter und Staatsanwälte. Bund und Länder müssen diese Personallücke schließen. Wir dürfen keine Erosion des Rechtsstaats zulassen.

Trump hegt laut Twitter Sympathien für den US-General Pershing, der angeblich vor 120 Jahren muslimische Gefangene mit Projektilen exekutieren ließ, die in Schweineblut getaucht waren....

Oppermann: Das ist eine weitere unsägliche Entgleisung und Provokation Trumps. Er würde der westlichen Welt am besten dadurch dienen, dass er schweigt.

Verläuft die Rückführung islamistischer Gefährder zu langsam und zu zaghaft?

Oppermann: Terroristische Gefährder ohne deutsche Staatsangehörigkeit können inhaftiert und abgeschoben werden. Die Gesetzeslage ist eindeutig, die zuständigen Behörden müssen da mit aller Konsequenz vorgehen. Allerdings warne ich insgesamt vor Hysterie.

Wir müssen kühlen Kopf bewahren. Und vor allem müssen wir größere Anstrengungen in Richtung Prävention unternehmen.

Konkret?

Oppermann: Damit junge Menschen nicht abdriften, nicht in den Links- oder Rechtsextremismus genauso wenig wie in den radikalen Salafismus, müssen wir ihnen die Chance auf einen Platz in der Mitte der Gesellschaft geben. Sie dürfen nicht an den Rand gedrängt werden. Wir müssen Kindern aus schwachen Familien helfen und sie stark machen. Und wir müssen das Bildungssystem unter anderem mit mehr Ganztagsschulen stützen.

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Ihre Koalitionskanzlerin Angela Merkel...?

Oppermann: ... hat nicht alles falsch gemacht, aber sie hat keinen Plan für die Zukunft. Während der Flüchtlingskrise hatte ihr Innenminister de Maizière einen Kontrollverlust zu verantworten. Heute verweigert Merkel ein Rentenkonzept. Das ist unverantwortlich.

Jetzt sind wir tief im Wahlkampf, aber der Bürger will ja auch wissen, was kommt.

Oppermann: Genau. Und bei der SPD kann er mit einem Rentenniveau von 48 Prozent des durchschnittlichen Netto-Einkommens rechnen. Bei der CDU: 43 Prozent. Und wenn es nach Herrn Schäuble geht, steigt das Renteneintrittsalter auf 70. Wir brauchen auch höhere Löhne. 40 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind bei Lohnerhöhungen bislang außen vor. Bis zu einem versteuernden Einkommen von 104.000 EUR (Single: 52.000) wollen wir den Soli abschaffen. Nach fast 30 Jahren Soli haben die Leute Anspruch auf mehr Netto vom Brutto.

Wie steht es um die Reizthemen Vermögensteuer und Erbschaftsteuer?

Oppermann: Wieder eine Vermögenssteuer zu erheben, steht nicht auf unserem Programm, aber das Thema Vermögensordnung haben wir im Blick: Starke Schultern müssen mehr tragen als schwache. Was die Erbschaftssteuer angeht: Sehr große Erbschaften müssen stärker zur Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben herangezogen werden. Das ist auch ordnungspolitisch richtig. Jede Generation sollte einen Teil des Wohlstands, den sie genießen möchte, auch selbst erarbeiten. Das fördert Innovation und verhindert eine selbstzufriedene Erbenwirtschaft. 

In Niedersachsen wird am 15. Oktober gewählt, weil die Grünen-Abgeordnete Twesten zur CDU wechselte. SPD-Ministerpräsident Weil ließ eine Regierungserklärung vorab von VW checken. Fliegt der SPD da gerade alles um die Ohren?

Oppermann: Ministerpräsident Weil dringt darauf, dass die Verantwortlichen für den Abgasskandal bestraft werden. Aber er musste auch verhindern, dass VW von US-Gerichten zerschlagen wird. Sonst wäre ein Riesenschaden für ganz Deutschland entstanden. Deswegen finde ich es richtig, dass er seine Regierungserklärung juristisch und faktisch hat prüfen lassen. Das Vorgehen von Frau Twesten war rechtlich möglich, aber politisch unanständig. Sie tut das Gegenteil von dem was sie versprochen hat und hat damit ihre grünen Wähler verraten.

 

Das vollständige Interview lesen Sie in der Samstagsausgabe (19.08.2017) der Mainzer Allgemeinen Zeitung.