„Abstrakt wissen wir, was die Menschen auf sich nehmen, die in Europa eine Zuflucht suchen.“ Doch wenn man dann einem jungen Mann gegenüber stehe, der erzählt, wie er auf seiner Flucht aus Eritrea vor Gewalt und Verfolgung tagelang ohne Wasser durch die Wüste geirrt ist, wie er von betrunkenen Schleppern verprügelt wurde und noch vieles andere mehr erlebt hat, dann werde deutlich, „welche Dimension dieses Leid wirklich hat“.

Mit diesen Worten begann die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion Christine Lambrecht am Mittwochmorgen ihre Rede vor dem Bundestag. Anlass war die 1. Lesung der Gesetzentwürfe zur Beschleunigung von Asylverfahren und zur Entlastung der Länder und Kommunen bei der Flüchtlingsunterbringung.

Den jungen Mann habe sie in ihrem Wahlkreis kennengelernt. Er sei „hochmotiviert in einer Klasse mit 60 jungen Menschen, die mit Begeisterung Deutsch lernen und die Chance ergrei-fen wollen, hier ihre Ausbildung zu machen, um sich dann irgendwann ihren Lebensunterhalt verdienen zu können.“

Lambrecht verwies auf den Erfolgsfall mit der Mahnung, solchen Menschen eine berufliche Perspektive in Deutschland zu bieten. Auch deshalb sprach sie sich klar gegen eine Ausset-zung des Mindestlohns für Geflüchtete aus: „Das wird es mit uns nicht geben“, so Lambrecht. Man dürfe Geringverdiener nicht gegen die Asylbewerber ausspielen.

Damit Schutzsuchende eine gute Bleibeperspektive haben, sei es außerdem wichtig, frühzeitig Sprachförderung anzubieten. Dabei müsse berufsorientiert unterrichtet werden, um eine anschließende Integration in den Arbeitsmarkt gelingen zu lassen.

Zugleich machte Lambrecht aber auch deutlich, dass nicht alle Menschen hier bleiben könnten. Diejenigen, deren Asylanträge abgelehnt werden, müssten in ihre Herkunftsstaaten zurückgeführt werden. Das gelte auch für Antragsteller aus den sicheren Herkunftsländern Albanien, Kosovo und Montenegro. Es sei der Koalition jedoch gelungen, mit den Gesetzentwürfen „eine Balance“ zwischen humanitärer Verpflichtung und verantwortungsvollem Han-deln zu finden. Lambrecht: „Mit diesem Gesetz bekennen wir uns zu unserer humanitären Pflicht“.

Sie dankte dem Technischen Hilfswerk, dem öffentlichen Dienst und der Polizei für ihre unermüdlichen Einsätze.

Anschließend kam Lambrecht auf die Situation vor Ort in den Kommunen zurück und versicherte die finanzielle Unterstützung des Bundes. Außerdem werde der Bund Liegenschaften zu niedrigen Mieten oder sogar mietzinsfrei an die Kommunen weitergeben, um sie bei der Unterbringung der Flüchtlinge zu entlasten.

Bundestagsrede von Christine Lambrecht (01.10.2015): [rede:5888674]

 

Alexander Linden, Marco Werner