Die Bilanz ist erschreckend: Jedes zweite der im Rahmen einer Studie befragten Unternehmen (52 Prozent) war im Jahr 2011 in Bezug auf Wirtschaftskriminalität von mindestens einem Schadensfall betroffen. Durch so etwas verlieren Menschen ihren Arbeitsplatz, wird der Wettbwerb verzerrt. Vor allem aber sinke das Vertrauen in unser Wirtschaftssystem und die Menschen und bei vielen entstehe der fatale Eindruck, man hänge die Kleinen und ließe die Großen laufen, wie SPD-Fraktionsvizin Christine Lambrecht an diesem Freitag im Bundestag erklärte. „Deshalb müssen wir die Einführung eines Unternehmensstrafrechtes prüfen.“ Wenn der Staat nicht entschieden gegen Millionengaunereien vorgeht, entsteht eine kaum zu schließende Gerechtigkeitslücke. Gelder, die dem Staat verschleiert werden, fehlen vor allem auch in der Finanzierung der öffentlichen Haushalte – was wiederum die normalen Bürgerinnen und Bürger am härtesten spüren. Wirtschaftskriminelle leben auf Kosten der Kleinen.
„Während eine Kassiererin wegen unerlaubt eingelöster Pfandbons im Wert von wenigen Cents fristlos gekündigt wird, erwirtschaften große Unternehmen hingegen Millionen- und Milliardenbeträge durch kriminelle Handlungen“, sagt Lambrecht. Wie erfahre man von Gammelfleisch oder inakzeptablen Zuständen in Altenheimen?, fragte sie im Plenum. Über die Umetikettierung habe ein couragierter LKW-Fahrer berichtet. Eine Pflegerin hatte sich über die unhaltbaren Bedingungen für die Bewohner in einem Altenheim beschwert. Die mutigen Mitarbeiter seien oftmals Mobbing ausgesetzt oder bekämen die Kündigung. Christine Lambrecht fordert deshalb einen besseren Schutz für Hinweisgeber. Diesen habe die Regierung bereits angekündigt, doch passiere einfach nichts. Außerdem erinnerte die SPD-Politikerin abermals an die Ausweitung eine Korruptionsregisters, in dem Unternehmen, die bereits aufgefallen sind, notiert sind. Darauf können Städte, Kommunen und Länder zugreifen, um öffentliche Aufträge an seriöse Unternehmen zu vergeben – denn zu oft bekämen Querulanten Aufträge der öffentlichen Hand.
Dunkelziffer von Steuersündern zu hoch
Die ehrlichen Steuerzahlerinner und -zahler sehen, dass der Staat nicht gleichmäßig gegen Steuerhinterzieher oder kriminelle Unternehmen vorgeht. Im Jahr 2010 beträgt der Schaden durch wirtschaftskriminelle Machenschaften laut Polizeilicher Kriminalstatistik (PKS) rund 4,66 Milliarden Euro, mehr als die Hälfte des Gesamtschadens, der durch aufgeklärte Delikte entstanden ist. Wirtschaftskriminalität hatte aber nur einen Anteil von 1,7 Prozent aller Straftaten, die 2010 in Deutschland begangen worden waren. (Bundeskriminalamt (Hrsg.): Polizeiliche Kriminalstatistik Bundesrepublik Deutschland, Berichtsjahr 2011). Ein erhebliches Dunkelfeld sei aber zu vermuten, heißt es von Seiten der SPD. Vor allem fehlen die Milliarden, die in Steueroasen geschafft wurden. Deshalb müsse man grenzüberschreitend mit anderen Behörden zusammenarbeiten. Der Autausch von Daten von potenziellen Steuerbetrügern zwischen Staaten solle deshalb endlich rechtlich geklärt werden. SPD-Finanzexperte Lothar Binding sagte dazu: „Wenn die Regierung die Steuerhinterziehung wirklich bekämpfen wollen würde, dann müsste sie sich in der G8-Runde und der EU stärker für ein Online-Register für Steueroasen einsetzen.“
Die SPD fordert in ihrem Antrag „Wirtschaftskriminalität effektiv bekämpfen“ (Drs. 17/13087) die Bundesregierung auf, ein schlüssiges Konzept zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Deutschland zu erstellen. Die Verfahren für die Strafverfolgung müssen erheblich verbessert werden, damit Steuerhinterziehung und Korruption der Großen nicht die Lasten der Kleinen bleiben. Der Tatort „Internet“ muss besser überwacht werden. Dafür soll die Gruppe für die Bekämpfung von „Cybercrime“ des Bundeskriminalamts (BKA) besser ausgestattet werden. Die SPD möchte eine transparente Zusammenarbeit von Bund und Ländern, um vorbeugend gegen Geldwäsche vorgehen zu können.
Alexander Linden/Thilo Kühne