Eigentlich war geplant, dass sich der Europäische Rat Ende dieser Woche mit der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) befasst. Doch es wird erwartet, dass die Regierungschefs ab morgen über eine Bankenunion in Europa verhandeln werden. Bereits am 11. Dezember begrüßte SPD-Fraktionsvize Joachim Poß, dass die Einigung zwischen Europäischem Parlament, Rat und Kommission zur Richtlinie über die Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten (BRRD-Richtlinie) vorankomme. Die Gesetzesvorhaben, die zur geplanten europäischen Bankenunion führen sollen, müssten noch in der laufenden Legislaturperiode des Europäischen Parlaments (bis Mai 2014) abgeschlossen werden, erklärte Poss. Ebenso steht im Raum, dass mit Beginn des kommenden Jahres die Beitrittsverhandlungen über eine EU-Mitgliedschaft mit Serbien beginnen werden.
Nicht nur über Banken diskutieren
Niels Annen, außenpolitischer Experte der SPD-Bundestagsfraktion, stellte in der Debatte gegenüber der Opposition klar, dass die Große Koalition in den vergangenen Monaten gemeinsam daran gearbeitet habe, vernünftige Regeln für Banken zu treffen. Dabei sei deutlich geworden, dass in den Reihen von SPD und Union „trotz unterschiedlicher Sichtweisen“ vor allem „überzeugte Europäerinnen und Europäer“ seien.
Rede von Niels Annen, MdB
Erneut überlagern aktuelle wirtschafts- und finanzpolitische Fragen erneut die Tagesordnung in Brüssel. Es sei eine vergebene Chance dort, auf eine Debatte zur GSVP zu verzichten, sagte Annen. Denn die Ausgangslage in der europäischen Sicherheitspolitik habe sich in den letzten Jahren dramatisch verändert. Dies hatte bereits Catherine Ashton als Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitsfragen in ihrem Bericht an den Europäischen Rat beschrieben: Europas strategisches Umfeld sei heute von regionalen Konflikten, wachsenden Sicherheitsrisiken und der Neuorientierung der USA in Richtung Asien dominiert. „Die Wahrheit ist, Europa hat an Gewicht verloren. An Gewicht gewonnen hat damit die Notwendigkeit für uns Europäer, eine gemeinsame Außenpolitik zu formulieren“, betonte Annen.
Flüchtlingsproblematik nicht allein dem Süden Europas überlassen
Auf ein weiteres zentrales Thema in der deutschen Europapolitik verwies Dietmar Nietan, europapolitischer Experte der SPD-Fraktion: die Bewältigung der Flüchtlingsströme an den EU-Außengrenzen.
Aus sozialdemokratischer Sicht und „laut Koalitionsvertrag auch der neuen Bundesregierung bedarf es dafür mehr Solidarität unter den EU-Mitgliedstaaten“, stellte Nietan klar. Dazu müsse außerdem eine konsequente Einhaltung humanitärer Standards kommen.
Das betrifft bspw. die Vorgehensweise der EU-Organisation FRONTEX, die die Maßnahmen zur Grenzsicherung koordiniert. Nach der Flüchtlingstragödie vor der italienischen Insel Lampedusa hatte die Europäische Kommission dazu ein Papier mit Sofort-Maßnahmen in folgenden fünf Bereichen vorgelegt:
- Verstärkte Grenzüberwachung für eine verbesserte Situationsanalyse und zur Verbesserung lebensrettender Maßnahmen für Migranten im Mittelmeer,
- Assistenz und Solidarität mit Mitgliedsstaaten unter hohem Einwanderungsdruck,
- Kampf gegen illegalen Handel, Schmuggel und organisiertes Verbrechen,
- Regionale Schutzprogramme, Wiederansiedlungsprogamme und Stärkung legaler Möglichkeiten der Emigration in die EU,
- Maßnahmen in Kooperation mit Drittländern.
Nietan sagte in Anlehnung an den Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz: „Unter den EU-Mitgliedern ist deutlich mehr Solidarität gefragt.“ Die 6000 Einwohner auf Lampedusa mit 10.000 Flüchtlingen allein zu lassen sei eine unlösbare Aufgabe, sie auf 28 Mitgliedstaaten zu verteilen sei eine lösbare Aufgabe.
Veränderungen in der Ukraine mit friedlichen Mitteln durchsetzen
Vor dem Hintergrund der gewalttätigen Auseinandersetzung in der Ukraine formulierte Bärbel Kofler, Expertin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungspolitik in der SPD-Fraktion, Aufgaben an die neue Bundesregierung hinsichtlich der europäischen Nachbarn im Osten: mehr Aufmerksamkeit gegenüber ihren Sorgen und den Dialog mit Russland auszubauen. Außerdem müsse eine Lösung gefunden werden, wie mit der schwierigen wirtschaftlichen Situation in der Ukraine umzugehen sei. Deshalb solle das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine zügig zum Erfolg führen. Gewalt dürfe nicht die Oberhand bekommen, friedliche Veränderungen müssten möglich sein, sagte Kolfer.
Ähnlich argumentierte Wolfgang Hellmich, zuständiger Berichterstatter zu verteidigungs- und sicherheitspolitischen Fragen in der letzten Legislaturperiode. Er sieht in der GSVP einen großen Auftrag für die neue Bundesregierung. Neue Ideen zu deren Weiterentwicklung müssten angestoßen werden. Spätestens Mitte 2015 solle wieder ein Europäischer Rat über die gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik diskutieren. Dieser müsse Erreichtes evaluieren und Fragen lösungsorientiert behandeln. Zivile Friedensmissionen müssten im Vordergrund stehen und „Synergieeffekte in den Bereichen Ausbildung, Wartung und Training“ gelte es intensiver als bisher zu nutzen,“ sagte Hellmich.