Sören Bartol, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, erläuterte die Motivation und die Wichtigkeit des Projekts für die Fraktion. Es wird sich vieles verändern in den ländlichen Regionen, so das Resümee des Dialogprozesses. „Wir wollen diese Veränderungen gestalten und den sozialen Zusammenhalt stärken“, betonen die Mitglieder der Projektgruppe.

Thema der Werkstatt 1 war die Mobilität. Geleitet von Annette Sawade und unterstützt durch Stefan Zierke haben die Teilnehmer/innen Möglichkeiten diskutiert, auch unabhängig vom eigenen Auto zügig und komfortabel von A nach B zu gelangen. Ein Fokus lag bei den Flexiblen Bedienformen im Rahmen des Personenbeförderungsgesetzes. Zudem wurde Regelungsbedarf bei der entgeltlichen Mitnahme von Fahrgästen und von Fracht im privaten Bereich festgestellt. Ein weiterer Themenblock war die Barrierefreiheit von Verkehrsmitteln. Unter anderem ging es um das Führen von Bürgerbussen im Ehrenamt, das in der B-Klasse bis 3,5 Tonnen zulässig ist. Beim barrierefreien Ausbau der Fahrzeuge ist eine Anpassung der Fahrerlaubnis auf 4,25 Tonnen (ähnlich wie bei E-Fahrzeugen) erforderlich. Alle waren sich einig, die mit Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention formulierte politische Zielsetzung einer vollständigen Barrierefreiheit zum 01.01.2022 gemeinsam anzugehen – in Bund, Ländern und Kommunen sowie mit Verkehrsträgern und –betreibern. Zukunftsweisend wurde festgestellt, dass Autonomes Fahren als Chance für die Mobilität flächendeckend verstanden werden muss.

Rita Hagl-Kehl und Hiltrud Lotze begleiteten die Themenwerkstatt 2, in der es um die Sicherung der Nahversorgung und das Schaffen sozialer Orte ging. Zur Daseinsvorsorge zählten neben der technischen Infrastruktur vor allem das Gesundheitswesen, Bildung und Kultur, so die Teilnehmer/innen. Entscheidend sei die Frage, was vorhanden sein muss, damit die Leute bleiben. Unterstützend seien zeitgemäße Regelungen für das Arbeiten, beispielsweise Telearbeit, und für die Medizin. Nicht immer sei ein Arzt erforderlich. Das Ehrenamt sei eine wesentliche Grundlage und müsse organisationsrechtlich wie sozialversicherungstechnisch gestärkt werden. Die Angebote der Daseinsvorsorge werden sich grundlegend verändern. Das bedeutet eine höhere Flexibilität bei der baulichen Infrastruktur und die Schaffung von Vernetzungsräumen und Best-Practice-Plattformen. Zur Wahrung der verfassungsmäßigen Aufgabe des Bundes wäre die Einrichtung einer Gemeinschaftsaufgabe Regionale Daseinsvorsorge zur Sicherung gleichwertiger Lebensverhältnisse erforderlich.

 Leer stehende Gebäude als Co-Working-Spaces

Auf lange Frist benötigen strukturschwache Regionen wieder eigene Einnahmequellen. Über Wertschöpfungspotenziale ging es in der Themenwerkstatt 3 mit Jens Zimmermann und Svenja Stadler. Es müssen Pioniere oder Betriebsnachfolger unterstützt und die Rahmenbedingungen verbessert werden. So sei es beispielsweise nicht verständlich, warum der Gründungszuschuss nur jenen Arbeitslosen zusteht, die absehbar nicht vermittelt werden können. Die Berufsorientierung in den Schulen sei zu stärken. Frauen-Arbeitsplätze seien rar auf dem Land, Frauen ersetzen häufig ehrenamtlich die Arbeit von Hauptamtlichen. Leer stehende Gebäude könnten als Co-Working-Spaces und Vernetzungsräume dienen. Es brauche eine in den Regionen sichtbare Kompetenzstelle, die durch Know-How-Transfer zur Unternehmensansiedelung ermuntert und Gründer/innen durch den Antrags- und Bürokratie-Dschungel begleitet. Dabei sind die Erfahrungen der bestehenden Institutionen wie Industrie- und Handelskammer, Handwerkskammern, Sparkassen und Genossenschaftsbanken sowie der wissenschaftlichen Institute einzubinden.

Veranstaltungszeichnerin Anne Lehmann entwickelte aus den Diskussionen das Bild eines gut versorgten Dorfes. Sie hätte gut mehr unterbringen können, meinte sie, weil so viele Vorschläge bei ihr eingingen.

Hohe Strukturschwäche = hohe Sozialleistungen

In der anschließenden Podiumsdiskussion wurden die Ergebnisse aus den Werkstätten in die politische und rechtliche Landschaft eingebettet. Eine Gemeinschaftsaufgabe sei verfassungsmäßig geboten, so die Professorin Claudia Neu von der Hochschule Niederrhein, denn die Regionen klafften trotz der vielfältigen Förderprogramme immer weiter auseinander. Dort wo hohe Arbeitslosigkeit herrsche, sei auch die Quote der Schulabgänger/innen ohne Hauptschulabschluss besonders hoch. Das sei ein Alarmsignal für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Wenn man nicht frühzeitig gegenlenke, entstehe eine Eigendynamik, die man nur mit erheblichem Mehraufwand wieder einfangen könne.

Der ehemalige Bundesfinanzminister Hans Eichel (SPD) merkte an, dass dort, wo die Strukturschwäche besonders ausgeprägt ist, auch die Sozialleistungen hoch seien. Bezahle der Bund für die Sozialleistungen nach dem Prinzip „Wer bestellt, bezahlt“, würden die Kommunen Handlungsspielraum für Investitionen gewinnen, die dem lokalen Handwerk zugutekämen. Der auslaufende Solidarpakt, die derzeitig günstige Konjunkturlage und die niedrigen Zinsen würden dem Staat Handlungsspielraum geben.

Die Ost-, Mittelstand- und Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Iris Gleicke kann sich gut vorstellen, dass bei der Neuauflage der regionalen Strukturförderung ab 2020 der oder die Beauftragte die Zuständigkeit für die Regionale Daseinsvorsorge innehaben könnte. Bezüglich der zahlreichen Modellvorhaben und –projekte, die mangels Anschlussfinanzierung wieder eingestellt werden, kündigte sie eine Evaluierung an. Schließlich seien diese Modelle und Projekte kein Selbstzweck, sondern sie sollen die Regionen wieder lebendiger machen.

Der Projektleiter Jens Zimmermann und seine Stellvertreterin Svenja Stadler bedankten sich bei den Teilnehmer/innen des Dialogprozesses und machen sich nun an die Arbeit, damit den vielen guten Vorschlägen Taten folgen können.

Hier geht es zum Fotoalbum der Veranstaltung auf flickr.