Die Rede von Lars Klingbeil (SPD) im Deutschen Bundestag zum Einsatzversorgungsverbesserungsgesetz am 28. Oktober.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heute ist ein guter Tag. Es ist ein guter Tag, weil wir hier im Parlament maßgebliche Verbesserungen für unsere Soldatinnen und Soldaten erreichen. Es ist ein guter Tag, weil wir als Parlament selbstbewusst zeigen, dass wir unsere Ziele fraktionsübergreifend durchsetzen können und wollen. Und es ist ein guter Tag, weil die Bundeswehr ein Stück weit mehr die Anerkennung bekommt, die sie verdient hat. Darin sind wir uns sicherlich einig. Aus diesen Gründen ist das heute ein guter Tag und eine wichtige Debatte, die wir hier führen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

 

 

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Es war ein langer Weg bis zur heutigen Entscheidung; der Kollege Otte hat das beschrieben. Diese Debatte ist sicherlich nicht für parteitaktische Diskussionen geeignet, sondern bei dieser Debatte sollte die Gemeinsamkeit in den Vordergrund gestellt werden. Wir Verteidigungspolitiker sind uns schon länger darüber einig, dass die Verbesserungen, die wir heute beschließen, überfällig sind. Vielleicht kommen sie sogar zu spät. Wir sind aber froh, dass sie überhaupt kommen.

Die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden immer riskanter. Gerade die Jahre 2010 und 2011 haben uns immer wieder mit erschreckenden Nachrichten, etwa aus Afghanistan, konfrontiert: 15 gefallene Soldaten, viele Schwerverwundete. Es muss ein Konsens hier im Parlament herrschen: Diejenigen, die ihr Leben im Auftrag des Deutschen Bundestages riskieren, haben ein Anrecht darauf, dass wir alles Mögliche tun, um ihre Situation zu verbessern, und dafür sorgen, dass sie gut dastehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, der FDP und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es war deswegen richtig, dass wir im Oktober letzten Jahres gemeinsam unseren Forderungskatalog auf den Weg gebracht haben. Es war richtig, dass wir uns gemeinsam um Verbesserungen gekümmert haben, dasswir immer wieder Druck gemacht haben. Wir machen aber auch heute mit einem gemeinsamen Entschließungsantrag deutlich, dass die Verbesserungen im Gesetz nur ein Zwischenstopp sind und dass unser Engagement weitergehen wird. Viele haben sich im Parlament, aber auch weit darüber hinaus für dieses Gesetz starkgemacht.

Ich denke, ich darf im Namen von uns allen dem Deutschen BundeswehrVerband, dem Reservistenverband, aber auch dem Bund Deutscher Veteranen danken, dass sie uns immer wieder mit der Situation von Soldatinnen und Soldaten und von Zivilbeschäftigten konfrontiert und uns gezeigt haben, an welchen Stellen Verbesserungsbedarf besteht. Sie alle haben mit Leidenschaft und Nachdruck für die Verbesserung der Einsatzversorgung gestritten. Oberst Kirsch ist auf der Besuchertribüne anwesend. Von uns allen herzlichen Dank für Ihr Engagement!

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Gesetzentwurf wird heute im Deutschen Bundestag große Zustimmung erhalten. Wir alle wissen, dass die Anhebung der Entschädigungszahlungen für verwundete Soldatinnen und Soldaten sowie für Hinterbliebene von Gefallenen notwendig, richtig und unumstritten ist. Ein Staat wird niemals Wiedergutmachung für den Verlust eines Menschen leisten können. Ein Staat wird auch niemals eine lebenslange Schädigung finanziell ausgleichen können. Aber wir können heute ein Zeichen für Absicherung und Unterstützung setzen. Das tun wir gemeinsam mit der Verbesserung des Gesetzes.

(Beifall des Abg. Rainer Arnold [SPD])

Die doppelte Anrechnung der Einsatzzeit bei Ruhegehalt und Rente ist ebenfalls eine Maßnahme, die immer wieder eingefordert wurde und nun endlich Realität wird. Die Hinterbliebenenversorgung bei Soldaten auf Zeit, Reservisten und freiwillig länger Dienenden wird endlich auf das Niveau der Berufssoldaten angehoben. Ich glaube, wir alle sind uns auch einig, dass ein Soldat im Auslandseinsatz, egal welchen Status er im Heimatland hat, gleiche Rechte verdient.

Der Stichtag für die Geltung des Einsatz-Weiterverwendungsgesetzes wird auf das Jahr 1992, dem ersten Jahr des Einsatzes deutscher Soldaten im Ausland, zurückdatiert. Auch dieser Schritt ist folgerichtig. Einsatz ist Einsatz, und alle haben die gleichen Rechte. Es darf hier keine Ungleichbehandlung geben.

Obwohl die Bundesregierung vorgeschlagen hatte, dass ein Anspruch auf eine Weiterbeschäftigung im Bundesdienst weiterhin erst ab einer einsatzbedingten Erwerbsminderung von 50 Prozent bestehen soll, haben wir als Parlament gemeinsam durchgesetzt, dass diese Grenze auf 30 Prozent gesenkt wird.

(Beifall der Abg. Agnes Malczak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Das ist für mich eine der entscheidenden Regelungen im Gesetzentwurf. Dass wir als Parlament diese Regelung durchbringen, kann uns, glaube ich, alle mit Stolz erfüllen.
Wir haben hier etwas Vernünftiges auf den Weg gebracht.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie
bei Abgeordneten der LINKEN)

Wir machen deutlich, dass wir diejenigen, die wir in einen Auslandseinsatz schicken, nicht im Regen stehen lassen.

Mit unserem Entschließungsantrag machen wir aber auch deutlich, dass es noch weiteren Bedarf gibt, die Einsatzversorgung zu verbessern. Im Hinblick auf die Entschädigungszahlungen wollen wir, dass auch diejenigen davon profitieren, die seit 1992 Einsatzunfälle hatten und bisher eine niedrigere Entschädigungszahlung bekommen haben. Wir alle wissen, wie komplex dieses Thema ist. Aber wir sind uns auch einig, dass diese Ungleichbehandlung beendet werden muss und dass wir zu einer Lösung kommen müssen, die eine gleichmäßige Entschädigung für alle vorsieht.

Es ist den Soldaten und ihren Angehörigen nicht erklärbar, warum es für die Entschädigungszahlungen zwei unterschiedliche Rechtslagen gibt. Es ist nicht erklärbar, warum die Höhe der Entschädigung von Stichtagen abhängt. Wenn wir uns einig sind, dass Einsatz Einsatz ist und alle Soldaten gleich behandelt werden müssen, dann
brauchen wir auch hier eine Regelung. Das fordern wir in unserem Entschließungsantrag. Das Parlament definiert hier einen klaren Auftrag. Wir haben die Erwartung, Herr Minister, dass unser Auftrag umgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
CDU/CSU und der FDP)

Im Rahmen der Anhörung im Verteidigungsausschuss zum vorliegenden Gesetzentwurf ist uns allen noch einmal die schwierige Situation derjenigen verdeutlicht worden, die unter Posttraumatischen Belastungsstörungen zu leiden haben. Uns ist deutlich geworden, was für eine Tortur es für viele Menschen ist, gegenüber dem Staat in häufig langwierigen Verfahren versuchen zu müssen, eine eigene Schädigung geltend zu machen, und wie schwer es für viele Menschen ist, die Mauern der Bürokratie zu überwinden.

Uns ist klar geworden, dass wir die Beweislast vereinfachen müssen. Wir haben es mit Menschen zu tun, die die schrecklichen Erlebnisse aus dem Einsatz häufig nicht verarbeiten können. Der Staat muss hier Hilfe und Unterstützung leisten, statt Hürden aufzubauen. Allen muss eine vollumfängliche Hilfe zur Verfügung stehen. Wir stehen in der Verantwortung. Deswegen ist es richtig, dass wir hier für notwendige Verbesserungen sorgen. Das fängt bei den Kriterien für die Begutachtung an. Es muss aber auch ausreichend Fachpersonal vorhanden sein, das die Begutachtungen durchführen kann. Auch hier erwarten wir als Verteidigungsausschuss vom Minister, dass es zu deutlichen Verbesserungen kommt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der
FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Auslandseinsätze sind seit nunmehr 20 Jahren fester Bestandteil des Aufgabenspektrums der Bundeswehr. Wir haben an vielen Stellen versucht, Verbesserungen zu erreichen. Es war der damalige Verteidigungsminister Peter Struck, der nach der Amtsübernahme, geprägt durch erste Erfahrungen mit Auslandseinsätzen, das Einsatzversorgungsgesetz auf den Weg gebracht hat. Das war ein wichtiger Meilenstein. Heute, knapp zehn Jahre nachdem dieses Gesetz verabschiedet wurde, passen wir es an eine neue Zeit an. Wir tun das, wohl wissend, dass noch viel zu tun bleibt.

Das Gesetz, dessen Entwurf heute zur Verabschiedung ansteht, entlässt uns nicht aus der Pflicht, uns weiter mit der Frage zu befassen, was wir zusätzlich für Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilbeschäftigte sowohl vor dem Einsatz, während des Einsatzes als auch nach dem Einsatz tun können. Wir Abgeordnete sind es, die die Bundeswehr mit einer entsprechenden Beschlussfassung des Deutschen Bundestages immer wieder in schwierige Auslandseinsätze schicken. Wenn wir das tun, haben wir für die bestmöglichen Rahmenbedingungen zu sorgen. Wir haben aber auch die Pflicht, die Entscheidungen, die wir treffen, mit aller Konsequenz in der Öffentlichkeit zu vertreten. Wir haben in der Bevölkerung um Verständnis dafür zu werben, dass Soldaten ins Ausland gehen, und unsere Ziele, die wir mit Auslandseinsätzen verfolgen, zu erklären.

Es geht bei der Verbesserung der Einsatzbedingungen nicht nur um finanzielle Hilfen. Wir alle kennen als Mitglieder des Verteidigungsausschusses aus Gesprächen mit Soldaten, die aus einem Auslandseinsatz zurückgekommen sind, folgende Situation: Soldaten, die das Gefühl haben, etwas Sinnvolles getan zu haben, treffen hier in Deutschland auf eine Stimmung, die das nicht versteht. Sie stoßen auf eine weit verbreitete Skepsis, wenn nicht sogar auf Ablehnung gegenüber Auslandseinsätzen. – Wir alle sind in der Pflicht, dafür zu sorgen, dass es mehr Respekt, mehr Anerkennung und mehr Wertschätzung für die Arbeit der Soldatinnen und Soldaten gibt. Das ist unsere Aufgabe als Parlamentarier. Das kann man nicht per Gesetz beschließen. Das ist eine politische Haltung, die wir noch deutlicher vertreten müssen.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

Eine Verbesserung der Einsatzversorgung bedeutet auch, dass wir bei der Vorbereitung und Ausrüstung besser werden müssen. Ich danke ausdrücklich dem Wehrbeauftragten, der den Finger immer wieder auf die Wunde legt. Er tut das öffentlich – auch gegenüber dem Ausschuss und dem Minister – und erfüllt so eine wichtige Funktion. Ich wünsche mir, dass das weiterhin in der bisherigen Tonlage geschieht; denn hier kann viel für die Soldatinnen und Soldaten erreicht werden.

Das letzte Thema, das ich ansprechen will, weil es für mich dazugehört, wenn es um die Verbesserung der Einsatzbedingungen geht, ist die Betreuungskommunikation. Auch mit diesem Thema sollte sich der Ausschuss im Zusammenhang mit der Verbesserung der Situation der Soldatinnen und Soldaten beschäftigen. Es ist für mich unverständlich, dass unsere Soldaten im Auslandseinsatz erleben müssen, dass ihre Kameraden aus anderen Nationen kostengünstiger telefonieren und viel besser Kontakt mit der Heimat aufnehmen können. Gerade jetzt, wo wir eine schleichende Verlängerung der Standzeiten auf sechs Monate erleben, ist es umso wichtiger, die Rahmenbedingungen für die Betreuungskommunikation so zu verbessern, dass eine regelmäßige, ausführliche und kostengünstige Kommunikation mit den Familien stattfinden kann. Es ist schade, dass im Rahmen der Haushaltsberatungen der SPD-Antrag, der auf eine Verbesserung abzielte, abgelehnt wurde. Ich bin mir aber sicher, dass wir fraktionsübergreifend an diesem Thema dranbleiben werden und Verbesserungen erreichen können.

Ich habe es schon zu Beginn gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen: Heute ist ein guter Tag. Der Bundestag sendet das gemeinsame Signal an Soldatinnen, Soldaten und Zivilbeschäftigte, dass wir ihren Dienst anerkennen, dass wir sie unterstützen. Auf Drängen des Parlaments wird heute das Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz verabschiedet. Ich hoffe, dass es schnell in Kraft tritt. Wir alle wissen aber, dass es keinen Grund gibt, sich auszuruhen, sich zurückzulehnen und zufrieden zu sein. Es bleibt viel zu tun. Lassen Sie uns weiterhin fraktionsübergreifend zusammenarbeiten. Die SPD steht hierfür bereit.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)