Die Bundesregierung hatte dazu bereits am 20. Februar 2015 dem Parlament einen Gesetzentwurf vorgelegt (Drs. 18/4047, 18/4409).

Was steht im Koalitionsvertrag von Union und SPD?

„Das europäische Einigungswerk bleibt die wichtigste Aufgabe Deutschlands. Die Erwartungen unserer europäischen Partner an Deutschland haben sich im Laufe der letzten Jahre gewandelt. Die Europäische Union (EU) durchläuft eine historisch einzigartige Periode wirtschaftlicher, sozialer und institutioneller Veränderungen und Neuerungen. In dieser Umbruchphase ist Deutschland als wirtschaftlich starker Mitgliedstaat und Stabilitätsanker in eine gewachsene Verantwortung hineingewachsen und besonderen Erwartungen seiner Partner ausgesetzt.“

Wie steht die SPD-Fraktion zum Gesetzentwurf der Bundesregierung?

Die Fraktion der SPD stimmte dem vorliegenden Eigenmittelbeschluss im Europa-Ausschuss des Deutschen Bundestages am 24. März 2015 zu. Es handele sich nach ihrer Auffassung um eine Fortschreibung des bestehenden EU-Finanzierungssystems. Zur Zukunft des Eigenmittelsystems habe die Diskussion im Verlauf der Anhörung gezeigt, dass eine echte Reform zuvor eine Verständigung über die grundlegenden Schritte der weiteren Integration der Europäischen Union erfordere, heißt es in Bericht und Beschlussempfehlung des Ausschusses.

Joachim Poß, Ausschussmitglied für die SPD-Fraktion und langjährig erfahrener Finanzexperte, forderte in der Plenardebatte am 26. März 2015: „Die Doppelkrise“ in Europa - bestehend aus dem Konflikt in und um die Ukraine sowie der „europäischen Finanz- und Wirtschaftskrise“ - zu einer „Vertiefung der EU“ führen müsse.

Poß bezeichnete die aktuelle Situation in Europa als „Schicksalsfrage“, die nicht zu einer Renationalisierung führen dürfe. Eine solche Entscheidung würde keine gute Zukunft für die westlich orientierte Wertegemeinschaft bedeuten. 

Christian Petry, zuständiger Berichterstatter der SPD-Fraktion im Ausschuss, sagte: „Europa braucht Visionen auf dem Weg in ein soziales Europa“. Dies solle ein Europa des Miteinanders und des Austausches sein. Die Debatte zur künftigen Ausgestaltung des Eigenmittelsystems biete Möglichkeiten, entsprechende politische Signale zu setzen, da ist sich die SPD-Fraktion insgesamt sicher.
 

Petry kritisierte selbst als vormals studierter Mathematiker die komplexe Formel zur Berechnung der Finanzierungsanteile der EU-Mitgliedsländer als zu schwierig. Er und Poß beschrieben jedoch die Gefahr der „kleinen Schritte“, die „zu viele Kompromisse bedeutet hätten“, weshalb es richtig sei, dem EU-Regelwerk in Deutschland zuzustimmen. Positive Signale habe es ja dahingehend auch schon aus dem EU-Parlament gegeben.

Wann tritt das neue Regelwerk in Kraft?

Der neue Eigenmittelbeschluss wird nach Abschluss des Ratifizierungsverfahrens in allen Mitgliedstaaten rückwirkend ab dem 1. Januar 2014 angewandt. Bis zu seinem Inkrafttreten bleibt der bisherige Eigenmittelbeschluss gültig.

Wie kann es weitergehen?

Die verschiedenen Reformoptionen, wie eine eigene Steuer, sollen auf ihre künftige Umsetzbarkeit geprüft werden. Es sei wünschenswert, in der nächsten Finanzperiode der Europäischen Union die Struktur des Eigenmittelsystems so zu gestalten, dass diese Veränderung eine verbesserte europäische Perspektive im Sinne einer weiteren Integration eröffne, heißt es in Bericht  und Beschlussempfehlung des Europa-Ausschusses.

Hintergrund:

Was hat der Rat wann wo und warum beschlossen?

Der ER hat im Zusammenhang mit den Verhandlungen über den künftigen Finanzrahmen, der für den Zeitraum ab 2014 bis 2020 gelten soll, beschlossen, dass die Maßnahmen der EU künftig aus den eigenen Einnahmen finanziert werden sollen.

Damit hatten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedstaaten die Ausgabenobergrenzen für die Europäische Union festgeschrieben.

Auf dieser rechtlichen Grundlage soll die anteilige Finanzierung der 28 EU-Mitglieder berechnet werden, danach richtet sich die künftige Verteilung der finanziellen Belastung in Europa – also auch der Beitrag Deutschlands. Ziel ist es, den Haushalt der EU für die Bürgerinnen und Bürger transparenter und nachvollziehbarer zu gestalten.

Der Europäische Rat hatte seinen Beschluss bereits am 26. Mai 2014 gefasst. Die 28 EU-Mitgliedstaaten müssen dem Vorschlag des ER zustimmen, damit dieser rückwirkend zum 1. Januar 2016 in Kraft tritt. Im Rahmen des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union sowie des Vertrages zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) festgelegt, dass der ER einen einstimmigen Beschluss fassen muss, nachdem er das EU-Parlament angehört hat. Dieser Beschluss muss dann vom ER erneut bestätigt werden. Davor müssen die jeweiligen Mitgliedstaaten im Einklang mit ihrer Verfassung die nationale Zustimmung erreichen.

Wie gestaltet sich das Verfahren in Deutschland?

In Deutschland müssen sowohl Bundestag (nationales Parlament) als auch der Bundesrat (Vertretung der Bundesländer) einem entsprechenden Gesetzentwurf zustimmen. Somit bleibt die nationale Entscheidungskompetenz gewahrt und es gilt das so genannte Subsidiaritätsprinzip (Entscheidungen sollen dort getroffen werden, wo sie sich auswirken).

Die Finanzplanung der Bundesregierung richtet sich nach den vorläufigen Schätzungen der Einnahmen aus Steuern und Abgaben. Für Deutschland ist im Gesetzentwurf für das laufende Jahr ein Finanzierungsanteil von 32,20 Milliarden Euro vorgesehen.  Für die folgenden Jahre geht die Regierung von Einzahlungen in vergleichbarer Höhe aus. Im Jahr 2020 erwartet sie einen Betrag von 35,77 Milliarden Euro. Das gesamte Zahlenwerk ist laut Bundesregierung nur eine  „Momentaufnahme“.
 
All diese Prognosen für die deutschen Eigenmittelabführungen werden laut Gesetzentwurf alle sechs Monate durch die Steuerschätzung neu berechnet.                                  

 

Errechneter Anteil Deutschlands (Quelle: BMF)

Jahr Finanzierungsanteil in Milliarden Euro
2014 31,71
2015 32,30
2016 31,66
2017  33,18
2018 34,35
2019 35,17
2020 35,77

Bei der Berechnung der finanziellen Auswirkungen wird unterstellt, dass der Eigenmittelbeschluss im Jahr 2016 in Kraft tritt und damit der deutsche Rabatt in Höhe von circa 1 Milliarde Euro pro Jahr zum Tragen kommt. Daher ist im Jahr 2016 eine rückwirkende Entlastung für die Jahre 2014 und 2015 einbezogen.

Welche Einnahmen gehören zu den so genannten Eigenmitteln der EU?

Zölle, Zuckerabgaben, anteilige Einnahmen aus der nationalen Mehrwertsteuer. Sie entsprechen etwa 15 Prozent der Gesamteinnahmen der EU. Der Löwenanteil – also 85 Prozent – werden von den 28 Mitgliedstaaten aufgebracht. Dieser Anteil errechnet sich nach dem Bruttonationaleinkommen der einzelnen Staaten. Als wirtschaftliche Lokomotive der EU bleibt Deutschland auch nach der Umstellung des EU-Finanzierungssystems der größte Nettoeinzahler. Aber es wird jeweils eine Obergrenze geben.
 

Wie wird die aktuelle Obergrenze berechnet?

Als Obergrenze für die Einnahmen der EU-Mitgliedstaaten soll auch künftig ein Bruttonationaleinkommen (BNE) in Höhe von 1,23 Prozent gelten.
 

Formel:
(1,23 % (1,29 %) × BNEt – 2 + BNEt – 1 + BNEt ESA 95 BNEt – 2 + BNEt – 1 + BNEt ESA 2010)
 
Wer zahlt drauf? Wer wird entlastet?
 

Die traditionellen Eigenmittel werden von den Mitgliedstaaten erhoben und abzüglich einer sogenannten Erhebungskostenpauschale direkt an den Haushalt der Europäischen Union weitergeleitet. Der von der Bundesrepublik Deutschland zu zahlende Anteil an den Mehrwertsteuer(MwSt)-Eigenmitteln und den Bruttonationaleinkommen(BNE)-Eigenmitteln der Europäischen Union wird aus dem Steueraufkommen des Bundes aufgebracht. So steht es im Gesetzentwurf der Bundesregierung.

Den Ländern und Gemeinden sollen keine zusätzlichen Kosten entstehen.

Von Joachim Poß zitierte Expertenmeinung :

Prof. Dr. Henrik Enderlein, Direktor des Jacques Delors Instituts und Professor für Politische Ökonomie an der Hertie School of Governance – beides in Berlin, bedauerte in der Anhörung des Europa-Ausschusses, dass die notwendige Reform des Eigenmittelsystems nicht vorankomme. Das System sei zu komplex und in seiner Struktur beliebig. Grundlegende Kriterien demokratischer Legimitation und Transparenz würden nicht ausreichend eingehalten. Die EU verfüge kaum über tatsächliche Eigenmittel, sondern sei auf Beiträge der Mitgliedstaaten angewiesen. Das heutige Eigenmittelsystem werde der Governance-Struktur (dem Verwaltungsaufbau) der Europäischen Union nicht gerecht, weil es den Mitgliedstaaten eine übergeordnete Position einräume.
 
Die Eigenmittelstruktur müsse die duale  Legitimationsstruktur der Europäischen Union widerspiegeln, etwa durch eine Finanzierungstruktur, die hälftig aus Beiträgen der Mitgliedstaaten und steuerlichen Eigenmitteln der Europäischen Union bestehe.
 

Die Abschaffung der Haushaltskorrekturmechanismen sei überfällig. Da die Nettosalden-Logik auf den Nutzen für die einzelnen Mitgliedstaaten abstelle, führe sie zu einer systematischen Vernachlässigung gesamteuropäischer Anliegen und behindere die Bereitstellung öffentlicher europäischer Güter aus dem europäischen Haushalt. Er regte an, im Kontext der Reformdiskussion eine eigenständige Finanzkapazität für die Eurozone zu untersuchen, die Arbeit an einer gemeinsamen Steuerbasis für die EU-Körperschaftssteuer wieder aufzugreifen und die Frage zu prüfen, ob Geldschöpfungsgewinne der Europäischen Zentralbank als Eigenmittel der Europäischen Union geeignet seien.