Die Bildungssituation in Deutschland hat sich verbessert, Bildungsstandards und Bildungsteilnahme sind gestiegen – wenn auch noch nicht alle gesellschaftlichen Gruppen Teil dieser Dynamik sind. Zu diesem Ergebnis kommt der fünfte nationale Bildungsbericht (Drs. 18/2990), den der Bundestag an diesem Freitag, 16.01.2015, zusammen mit Anträgen der Fraktionen beraten hat.
Viel erreicht, noch viel zu tun
Mehr Kleinkinder nehmen an frühkindlicher Bildung teil. Es gibt mehr Abiturienten und so viele Studienanfänger wie nie zuvor. Immer weniger Schüler/-innen verlassen die Schule ohne Hauptschulabschluss. Und die Zahl der erfolgreichen Hochschulabsolventen und auch die Beteiligung an betrieblicher Weiterbildung steigt. Kurzum: Der Bildungsbericht hat viele gute Nachrichten.
Gleichwohl steht die deutsche Bildungspolitik nach dem Befund des Bildungsberichts weiter vor großen Herausforderungen. Insbesondere der Bildungserfolg hänge noch immer zu stark von der sozialen Herkunft ab, heißt es im Bericht. Eine Situation, die besonders für Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten schwer zu ertragen sei, räumte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil im Plenum ein. Daher benennen die Parlamentarier von SPD und CDU/CSU die soziale Ungerechtigkeit auch in ihrem Koalitionsantrag (Drs. 18/3546) als „ernst zu nehmendes Problem und eine zentrale Herausforderung für die weitere Bildungspolitik“. Chancengleichheit dürfe weder von der sozialen noch von der kulturellen Herkunft der Eltern abhängen, forderte Heil.
Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion Ernst Dieter Rossmann sieht drei Aufgaben für die deutschen Bildungspolitik, an denen aber bereits gearbeitet werde:
- die stärkere Förderung von Kindern mit Migrationshintergrund, beispielsweise durch den Ausbau der Kinderbetreuung und der Ganztagsschulen,
- den Übergang von der allgemeinen Bildung in die berufliche Bildung sowie
- die Durchlässigkeit zwischen beruflicher Bildung und einer Hochschulkarriere.
Durch die BAföG-Reform, den laufenden Ausbau der Kinderbetreuung oder beispielsweise die Allianz für Aus- und Weiterbildung sei hier schon viel auf dem Weg, betonten die Rednerinnen und Redner der SPD-Bundestagsfraktion.
Bund-Länder-Zusammenarbeit in der Bildung optimieren
Neben der Chancengleichheit wies Heil noch auf zwei weitere Herausforderungen der aktuellen Bildungspolitik hin: Die Verteilung von „Geld“ und „Zuständigkeiten“ in den Bund-Länder-Beziehungen. Die Mittel müssten dorthin, wo sie gebraucht werden – vor allem in den Ausbau der Qualität und Quantität der frühkindlichen Bildung, so der stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Man stoße aufgrund des noch bestehenden Bund-Länder-Kooperationsverbots im schulischen Bereich allerdings immer noch auf zu viele Grenzen. Die SPD-Fraktion werde diesbezüglich weiterhin Überzeugungsarbeit beim Koalitionspartner und bei den Bundesländern leisten, denn es gehe nicht um mehr „Zentralismus“, sondern darum, dass der Bund die Bildungspolitik der Länder dauerhaft und gezielt finanziell unterstützen könne. Eine Änderung des Grundgesetzes zur Abschaffung des Kooperationsverbots in der Hochschul- und Wissenschaftsförderung (GG Art 91b) konnte bereits zum 01.01.2015 ermöglicht werden.
In diesem Zusammenhang warb Rossmann im Plenum dafür, die Idee eines Nationalen Bildungsrates noch einmal als mögliche strategische Option zu bedenken.
Inklusion bleibt Herausforderung
Einen zusätzlichen Schwerpunkt legt der fünfte Bildungsbericht auf das Thema „Menschen mit Behinderungen im Bildungssystem“. Diese Akzentuierung in den politischen Schlussfolgerungen greift auch der gemeinsame Antrag von CDU/CSU und SPD auf.
Noch sei einiges zu tun, um Menschen mit Behinderungen gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, betonte Kerstin Tack, Sprecherin der Arbeitsgruppe Inklusion und Beauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen der SPD-Fraktion.
Sie betonte vor allem die Forderung des Koalitionsantrages, die Bildungsforschung in diesem Bereich auszubauen sowie einen engeren Schulterschluss mit den Ländern und Kommunen zu suchen, um die geeigneten Inklusions-Konzepte zu finden. Zudem müssten Betriebe, die Menschen mit Behinderung anstellen bzw. ausbilden, noch stärker unterstützt werden – so wie es sich u. a. die Allianz für Aus- und Weiterbildung auch bereits vorgenommen hat.
Klar sei aber auch, so Hubertus Heil, Inklusion könne man nicht „von heute auf morgen“ und „nicht mit der Brechstange“ erzwingen. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass das Thema die Gesellschaft womöglich spalte.
Über den Nationalen Bildungsbericht
Für die politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger ist der „nationale Bildungsbericht“ ein wichtiger „Seismograph“ für die Bildungssituation in Deutschland, denn er beschreibt Erfolge und Defizite in allen wichtigen bildungspolitischen Handlungsfeldern – von der frühkindlichen Bildung über die schulische und berufliche Bildung bis zur Weiterbildung.
Der unabhängige indikatorgestützte Bericht wird alle zwei Jahre von einer Gruppe von Wissenschaftlerinnern und Wissenschaftlern erstellt, im Auftrag der Bundesregierung und der Kultusministerkonferenz der Länder.