Die SPD ist die älteste demokratische Partei Deutschlands. Ist sie bald Geschichte?
Oppermann: Das ist Quatsch. Die SPD ist eine vitale Volkspartei mit starken Persönlichkeiten, die in der jetzigen Regierung so viel durchgesetzt hat, wie selten zuvor. Ich bin stolz auf die Erfolge der SPD und sehe keinen Anlass für Kleinmütigkeit.
Warum liegt die SPD dann unter 20 Prozent?
Oppermann: Das ist eine Momentaufnahme, für die es verschiedene Gründe gibt: Wir befinden uns in einer Zeit des politischen Umbruchs. Wir haben in den Umfragen ein sechs-Parteien-System; da ist es nur natürlich, dass alle etablierten Parteien Prozente verlieren. Klar ist, dass es uns nicht ausreichend gelungen ist, unsere Erfolge, in der Großen Koalition den Menschen zu vermitteln. Darüber hinaus wissen wir aber auch, dass die Menschen weiterhin die Sozialdemokratie wollen. Ich bin daher zuversichtlich, dass wir bei künftigen Wahlen auch 30 Prozent und mehr erreichen können.
Das müssen Sie uns erklären.
Oppermann: Die SPD hat doch in Rheinland-Pfalz gerade 36 Prozent geschafft! Und alle Wahlforscher sagen uns, dass weit über 30 Prozent der Menschen grundsätzlich mit den Zielen der Sozialdemokratie übereinstimmen. Diesen Schatz müssen und werden wir heben. Klar ist: Dafür müssen wir jetzt anpacken, hart arbeiten und uns auf unsere Ziele konzentrieren.
Was heißt das für das Wahlprogramm?
Oppermann: Wir sind die Partei der sozialen Gerechtigkeit und der wirtschaftlichen Vernunft. Das ist unser Kern, und das müssen wir in den Mittelpunkt stellen. Dann geht es auch wieder in den Umfragen aufwärts.
Aber Sie haben in den drei Jahren Große Koalition die Sozialpolitik dominiert, und es hat nichts geholfen.
Oppermann: Wir sind der soziale Motor der Regierung. Die Menschen werden spüren, dass die Maßnahmen, die wir umgesetzt haben, wie Mindestlohn, Frauenquote und die Rente mit 63 ihnen zugutekommen. Ein Teil der schlechten Umfragewerte ist sicherlich auch der Situation in der Flüchtlingspolitik geschuldet. Union und SPD haben deswegen beide zusammen über 15 Prozentpunkte verloren.
Würde ein SPD-Kanzler die Flüchtlingspolitik korrigieren?
Oppermann: Ja. Für Flüchtlinge, die Arbeit und ein besseres Leben suchen, ist das Asylverfahren nicht der richtige Weg. Deshalb werden wir ein Einwanderungsgesetz auf den Weg bringen, mit dem die Einwanderung von Fachkräften besser gesteuert wird. Das ist auch im wirtschftlichen Interesse unseres Landes, weil immer mehr Arbeitnehmer aus dem Erwerbsleben ausscheiden als neue eintreten. Die Union weigert sich zwar, aber mit dem Integrationsgesetz haben wir einen ersten Schritt in Richtung Einwanderungsgesetz durchgesetzt.
Die Union will nicht mitmachen, da sie fürchtet, man müsse im Bundesrat zu große Zugeständnisse an die Grünen machen?
Oppermann: Dieses Problem sehe ich nicht. Die Grünen wissen auch, dass der Staat die Kontrolle über die Einwanderung behalten muss. Dafür stehen Personen wie der baden-württembergische Ministerpräsident Kretschmann. Wir werden jedenfalls im Herbst einen Gesetzentwurf für ein Einwanderungsgesetz vorlegen.
Bis dahin könnte eine neue Flüchtlingswelle über uns hereinbrechen.
Oppermann: Das ist nicht auszuschließen, deshalb müssen wir vorbereitet sein. Wir brauchen ein funktionierendes Grenzsystem und eine neue europäische Flüchtlingsordnung.
Haben Sie einen Plan B, wenn der Deal mit der Türkei nicht klappt?
Oppermann: Bislang ist die Türkei vertragstreu. Trotzdem müssen wir die EU-Außengrenzen selber schützen.
Griechenland ist nicht eben ein zuverlässiger Partner in dieser Hinsicht. Müssen wir helfen?
Oppermann: Die EU muss Griechenland in die Lage versetzen, die Grenzen zu kontrollieren und ankommende Flüchtlinge aufzunehmen und vernünftig zu versorgen. Idomeni war eine Schande für ganz Europa. Richtig ist aber auch: Alle Europäer haben ihren Teil zu leisten. Davon sind wir noch weit entfernt.
Rot-Grün ist weit von einer Mehrheit entfernt. Werden Sie sich im Wahlkampf für Rot-Rot-Grün öffnen?
Oppermann: Das Parteiensystem ist insgesamt in Bewegung. Ich rechne damit, dass wir den ersten Wahlkampf erleben, in der keine Partei eine Koalitionsaussage machen wird. Und genauso wird keine Partei ein Bündnis ausschließen, mal abgesehen von der Absage an die AfD. Es kommt immer auf die konkrete Politik und Personen an. Welche Rolle die Linkspartei nach 2017 spielt, hängt zu aller erst von ihr selbst ab.
Könnte die SPD in der Opposition gegen Schwarz-Grün an Kraft gewinnen?
Oppermann: Opposition ist immer Mist. Egal wer in der Regierung ist.
Herr Gabriel sucht verzweifelt einen Kanzlerkandidaten. Haben Sie Interesse?
Oppermann: Lassen Sie mal gut sein. Sigmar Gabriel macht einen sehr guten Job und über den Kanzlerkanditen entscheiden wir, wenn es soweit ist.
SPD-Parteivize Schäfer-Gümbel will schon vor der wichtigen Landtagswahl in NRW einen Kanzlerkandidaten küren. Hat er recht?
Oppermann: Das werden wir rechtzeitig entscheiden. Klar ist, dass der Wahlsieg von Hannelore Kraft bei der Landtagswahl 2017 uns den nötigen Rückenwind für die Bundestagswahl geben wird. Darauf freuen wir uns schon.