RND-Redaktionsnetzwerk: Herr Oppermann, Sie meinen: Donald Trump hat nicht alle Tassen im Schrank. Wollen Sie als Politiker noch ernst genommen werden?
Thomas Oppermann: Das ist eine arg gekürzte Zusammenfassung dessen, was ich gesagt habe.
Was meinen Sie, wie das mit Trump als US-Präsident wird?
Mit Barack Obama verband Europa noch die gemeinsame Überzeugung von wichtigen westlichen Werten. Unter Trump scheint das nicht mehr selbstverständlich. Er ist schwer kalkulierbar und lebt davon, Unruheherde zu schaffen. Anders als seinen Vorgängern scheint ihm die europäische Einheit nicht wichtig zu sein. Die EU hat es im Moment schwer genug, Donald Trump aber gießt noch Öl ins Feuer. Ich hoffe sehr, dass sich Europa von Trump nicht spalten lässt und sich auf seine eigenen Stärken besinnt.
Macht es angesichts von Donald Trump und dem Erfolg des Populismus für eine Partei wie die SPD eigentlich noch Sinn, gegen eine verlässlich wirkende Politikerin Angela Merkel noch Wahlkampf auf Teufel komm raus zu machen? Ist Donald Trump Merkels bester Wahlhelfer?
Wenn Angela Merkel auf Trumps Hilfe angewiesen ist, wäre es schlecht um sie bestellt. Im Ernst: Die SPD ist die entscheidende und verlässliche Kraft, wenn es darum geht, Europa zusammenzuhalten.
Stärkt Trumps Auftritt die um Pragmatismus bemühte Angela Merkel?
Heute gilt der Satz nicht mehr, dass außenpolitische Krisen die Stunde der Exekutive sind. Die Flüchtlingskrise treibt die Union bis heute um und selbst in die Krise. Ich glaube nicht, dass Trump die Wahlen in Deutschland entscheidend beeinflusst. Bis auf die AfD stellt keine relevante Partei in Deutschland die westliche Wertegemeinschaft in Frage.
Sahra Wagenknecht sagt, die Politik Angela Merkels habe die AfD erst groß gemacht. Ist die These falsch?
In der großen Koalition hat die SPD die Richtung bestimmt. Die CDU hat bei der SPD meistens abgekupfert. Das hat viele bodenständige Konservative in Deutschland verstört, weil ihnen die Union keine politische Heimat mehr bieten konnte. Jetzt versucht die CDU ein Rollback. Frau Merkel geht diesen Weg halbherzig mit, keiner weiß aber, wie sie wirklich denkt. Ich zweifle, ob es so der Union gelingt, AfD-Wähler zurückzugewinnen.
Die NPD ist verfassungsfeindlich, aber nicht verboten. Die Gesinnungsgrenzen zwischen NPD und AfD sind teilweise fließend. Sollte der Verfassungsschutz die AfD sich jetzt ganz genau ansehen?
Man muss die AfD in erster Linie politisch bekämpfen. Inhaltlich bietet sie fast nichts, schürt Ressentiments und wiegelt Menschen gegeneinander auf. Ein Fall für den Verfassungsschutz können allerdings einzelne Gruppen innerhalb der AfD sein. Ich denke dabei an die „Identitäre Bewegung“ oder an rechtsradikale Leute wie Bernd Höcke aus Thüringen, der ein völkisches Denken propagiert. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht gerade festgestellt, dass es weder mit der Menschenwürde noch mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes vereinbar ist.
Fehlt, angesichts von Trump und von der AfD in einem sich diffus sich sorgenden Land ein Populist der Mitte als Gegengewicht, um für demokratische Werte zu werben?
Unsere Antwort auf Trump und AfD kann nicht der Populismus von links sein. Populismus arbeitet immer mit Ressentiments. Das lehnen wir Sozialdemokraten entschieden ab. Richtig ist allerdings: Ernsthafte Politik muss populärer werden. Wir werden das bei der Auswahl unseres Spitzenkandidaten im Auge haben.
Werden am Ende russische Hacker schuld daran sein, wenn die SPD bei der Bundestagswahl schlecht abschneidet?
Wir gehen mit großer Zuversicht in diesen Wahlkampf und werden uns auch nicht von russischen Hackern stoppen lassen. Die SPD wird mit einem überzeugenden Kanzlerkandidaten und mit der klaren Botschaft antreten: Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit.
Was lässt Sie glauben, dass die SPD mit einem populistischen Gegner und in einem Wettstreit der einfachen Antworten einen inhaltlichen Wahlkampf hinbekommt?
Der schmutzige US-Wahlkampf, die Vielzahl an Hassbotschaften und Fake-News lösen bei Vielen den Wunsch nach ernsthafter Auseinandersetzung und Wahrhaftigkeit aus. Darauf werden wir uns konzentrieren: Hart in der Sache, aber sauber streiten.
Auch deshalb müssen jetzt ganz schnell marktbeherrschende Plattformen wie Facebook per Gesetz gezwungen werden, eine innerhalb von 24 Stunden durchgreifende Beschwerdestelle zu akzeptieren?
Facebook verdient Milliarden und trägt Verantwortung dafür, was auf seiner Plattform geschieht. Eine oberste Zensurbehörde lehnen wir ab. Ich setze auf das Betroffenheitsprinzip: Einzelne Personen müssen sich wehren können. Mein Vorschlag: Wenn ein Betroffener durch eine Falschdarstellung in seinen Rechten verletzt wird und dies glaubhaft gegenüber Facebook darlegt, muss der verletzende Eintrag innerhalb von 24 Stunden gelöscht werden. Weigert sich Facebook, droht ein Bußgeld bis zu 500.000 Euro.
Joachim Gauck hat heute seine letzte Rede als Bundespräsident gehalten. Wie bewerten Sie seine Amtszeit?
Joachim Gauck war ein überragender Bundespräsident, schon allein deshalb, weil er eine große Ruhe ausgestrahlt und den Menschen Zuversicht vermittelt hat. Er hat aus eigener Erfahrung heraus sein Amt in den Dienst Verteidigung von Freiheit und Demokratie gestellt. Mit ihm hat auch das Amt wieder die notwendige Souveränität und Bindewirkung erreicht.
Von seinem Vorgänger Christian Wulff ist der Satz hängen geblieben: „Der Islam gehört zu Deutschland“ – welcher Satz bleibt von Gauck?
Von Gauck bleibt sicher nicht nur der eine bezeichnende Satz. Die Feststellung von Christian Wulff, der Islam gehöre zu Deutschland, war eine gut gemeinte Provokation der eigenen Parteifreunde. Das hat aber eher einen Streit um Religion angefacht als den Muslimen in Deutschland, die natürlich mit ihrer religiösen Überzeugung zu unserem Land gehören, im Alltag geholfen. Joachim Gauck hat wie kein andere klar gemacht, dass es nicht die Religion ist, die trennt, und auch nicht die Herkunft, sondern dass es auf Haltung ankommt, die Haltung zur Demokratie. Gaucks Kampf für die Freiheit war in jeder Minute echt.
Was erwarten Sie von Frank-Walter Steinmeier als neuen Bundespräsidenten?
Ich bin sicher, Steinmeier wird die Werte des Westens und den europäischen Zusammenhalt sehr pragmatisch verteidigen.