Zehn Fragen an SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier:

1. Wie erklären Sie sich, dass gerade einmal drei Leser von geschätzt 50 000 unserem Aufruf in der Zeitung gefolgt sind, eine Frage an Frank-Walter Steinmeier zu stellen?

Steinmeier: Da sehen Sie mal, wie einverstanden Ihre Leser mit dem Politiker Frank Steinmeier sind.

2. Werner Kathmann aus Drakenburg (seit 30 Jahren SPD-Mitglied) fragt: Die Menschen hier in Deutschland sind es satt, immer wieder vom Staat abgezockt zu werden. Die CSU will die Straßenmaut, Steuererhöhung kommt sowieso. Die Länder und der Staat setzen Milliarden Euro in den Sand – siehe Stuttgart 21, Flughafen Berlin, Hamburger Elbphilharmonie und Euro-Hawk. Das ist doch nicht normal. Das haben alles wir Steuerzahler bezahlt. Spielt Geld bei den Politikern keine Rolle mehr? Nach dem Motto: Man hat‘s ja!

Ich rege mich auch über völlig aus dem Ruder gelaufene  Großprojekte wie Stuttgart 21 auf. Da kann ich jeden verstehen, der das tut. Was ich nicht verstehen kann, ist aber, wenn alles in einen Topf geworfen wird. Denn es gibt Unterschiede zwischen den Parteien und den einzelnen Politikern. Die SPD lehnt die Pkw-Maut ab. Wir sagen aber in der Tat, dass nach der aktuellen verheerenden Schuldenkrise in Europa die Zeit der Neuverschuldung des Staates vorbei sein muss. Und wir sagen, dass wir deutlich mehr in die Bildung unserer Kinder investieren müssen, damit kein Kind zurückbleibt und wir auch in Zukunft genügend Fachkräfte, Wachstum und Wohlstand in Deutschland haben. Wenn das aber so ist – keine neuen Schulden und mehr Geld für Bildung, dann darf in einer solchen Situation aus unserer Sicht auch der Spitzensteuersatz nicht tabu sein.

3. Sind Sie der Meinung, dass Schulpolitik Bundessache werden sollte?

Ich denke da ganz pragmatisch. Es ist gut, dass sich Städte, Kommunen und Land für die Schulen vor Ort verantwortlich fühlen. Nur wer die Situation vor Ort gut kennt, kann auf die Probleme auch richtig reagieren. Aber gleichzeitig gilt eben auch, dass Bildung die zentrale Aufgabe für unsere Zukunft ist. Wenn wir nicht dafür sorgen, dass jedes Kind in Zukunft die bestmögliche Ausbildung erhält, dann wird bald nicht mehr hohe Arbeitslosigkeit, sondern der Mangel an Fachkräften die größte Bedrohung für unseren Wohlstand in Deutschland sein. Deshalb müssen wir in bessere Schulen, in Ganztagsbetreuung und in mehr Lehrer investieren. Das können Länder und Kommunen nicht allein stemmen. Da muss der Bund helfen, und deshalb muss das unsinnige Kooperationsverbot weg.

4. Jürgen Peters aus Nienburg möchte von Frank-Walter Steinmeier folgendes wissen: Der Strom wird immer teurer, aber wir verschenken Strom ans Ausland oder schalten ganze Windparks einfach ab, damit die Kraftwerksbetreiber ihre Kraftwerke besser auslasten und die Konzerne Riesengewinne verbuchen trotz Atomausstieg. Der kleine Steuerbürger zahlt ja für die Fehlplanungen der Industrie und der Regierung. Wie lange soll das noch gehen?

Sie haben völlig Recht. Diese Regierung hat die Energiewende komplett gegen die Wand gefahren. Erst kam der Ausstieg aus dem Atomausstieg, dann die Kehrtwende und eine völlig panische Planung. Das kostet die normalen Verbraucher viel Geld, und es schadet der deutschen Wirtschaft massiv. Wir müssen die Energiewende sofort nach der Wahl wieder vom Kopf auf die Füße stellen.

5. Wie kann dem Fachkräftemangel gerade hier auf dem Land begegnet werden? Der Landkreis bemüht sich beispielsweise, Kontakt zu Nienburger Studenten zu halten, um sie nach dem Studium zurück in den Landkreis zu holen.

In der Tat ist der Fachkräftemangel in vielen Regionen schon Realität. Viele Betriebe suchen ihre Auszubildenden bereits in einem großen Umkreis. Der Wettbewerb ist hart. Und deshalb geht es natürlich darum, attraktive Lebensbedingungen auch in ländlichen Regionen zu schaffen. Da geht es um Mobilitätshilfen, um guten Wohnraum und später natürlich auch um familienfreundliche Arbeitsplätze. Auch diese Aufgabe können wir nur gemeinsam meistern.

6. Muss mehr Geld in die Pflege gesteckt werden? Fakt ist: Pflegekräfte verdienen zu wenig und ihr Ansehen ist gering. Wie kann so eine gute Pflege gesichert werden?

Sie haben absolut Recht. Es führt kein Weg daran vorbei, wenn wir Pflegerinnen und Pfleger angemessen bezahlen, wenn wir mehr Zeit für Pflegebedürftige haben und bessere Standards haben wollen, dann führt kein Weg an einer Erhöhung des Pflegebeitrags um einen halben Prozentpunkt vorbei. So ehrlich muss man sein. Und ich finde, wir sind das unseren Eltern, die es brauchen, auch schuldig.

7. Quantitativ scheint die Kinderbetreuung für Kinder unter drei Jahren in Nienburg gesichert. Halten Sie auch die Qualität für ausreichend, wenn sich zwei Erzieherinnen um bis zu 15 Kleinkinder kümmern? Oder bei den Älteren zwei Erzieherinnen um 25 Kinder?

Natürlich ist die Qualität höher, wenn der Betreuungsschlüssel auch noch verbessert wird. Aber Priorität hat ganz klar, dass wir jetzt erstmal ausreichend viele Plätze schaffen, damit jedes Kind einen Betreuungsplatz findet, das ihn braucht. Da hat die Regierung Merkel nicht genug getan. Statt zwei Milliarden in ein völlig unsinniges Betreuungsgeld zu stecken, werden wir das Geld in den Kita-Ausbau investieren.

8. Jürgen Grabowski aus Nienburg beschäftigt folgende Frage: Warum bleibt die SPD bei der weiteren Rentenabsenkung bis auf 42 Prozent von ehemals 62 Prozent des Lebenseinkommens? Das heißt: Der normale Arbeitnehmer (wahrscheinlich 80 Prozent) wird in der Altersarmut landen.

Erstens ist das so nicht richtig. Die 42 Prozent sind nicht der festgeschriebene Satz des Rentenniveaus, sondern die untere Grenze, bei der der Staat einschreiten muss, falls das Niveau bis dahin fällt. Unser fester Wille ist es aber, dies zu verhindern. Das hängt entscheidend davon ab, ob wir es schaffen, alle Kinder in Deutschland so gut auszubilden, dass wir auch in Zukunft genügend qualifizierte Arbeitskräfte, wirtschaftliches Wachstum und Wohlstand haben. Denn nur dann sind die Rentenkassen auch so gut gefüllt, dass daraus eine gute Rente für alle bezahlt werden kann, die deutlich über den 42 Prozent liegt.

Zweitens sind in unserem Wahlprogramm konkrete Vorschläge zu einer Verbesserung der Renten enthalten. Wir wollen, dass alle, die 45 Jahre gearbeitet haben, abschlagsfrei in Rente gehen können und wir wollen für die, die zwar lange in ihrem Leben gearbeitet haben, aber trotzdem nicht über die Grundsicherung hinauskommen, ein höheres Sicherungsniveau mit der Solidarrente von 850 Euro einführen.

9. Herr Steinmeier, warum gehört der Kreis-Nienburger SPD-Abgeordnete Sebastian Edathy nicht zum Kompetenz-Team von Herrn Steinbrück?

Die Frage ist natürlich berechtigt, denn Sebastian Edathy ist einfach richtig gut. Er hat herausragende Arbeit als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses geleistet. Das Kompetenzteam hat Peer Steinbrück mit Absicht sehr klein gehalten und vor allem auch mit ein paar Überraschungen von außen besetzt. Wenn sie aber wissen wollen, wie wichtig Sebastian Edathy für die SPD-Bundestagsfraktion ist, dann sag ich ganz klar: Ich kann als Fraktionsvorsitzender auf ihn nicht verzichten. Und ich hoffe darauf, dass ihn die Wähler mit einem starken Mandat zurück nach Berlin schicken.

10. Wie wollen Sie in den verbleibenden Wochen bis zur Wahl die Wende schaffen? Kann Peer Steinbrück noch Kanzler werden?

Ich bin froh, aus der Berliner Käseglocke heraus zu kommen, wo sich alle nur noch von morgens bis abends Umfragen vorlesen. Wir sind im Endspurt, und jetzt geht es darum, die Wählerinnen und Wähler zu überzeugen. Und das macht man am besten, indem man auf sie zugeht. Wer die 500 000 Besucher beim großen SPD-Fest in Berlin und die vollen Veranstaltungen landauf und landab erlebt, der weiß, dass dieses Rennen absolut offen ist.