Peer Steinbrück forderte am vergangenen Dienstag auf einer Fachtagung der SPD-Fraktion zu den Herausforderungen einer gemeinsamen europäischen Sicherheitsarchitektur eine europäische Armee. Die EU-Länder sollten ihren Fähigkeiten entsprechend wichtige Aufgaben in einer Europaarmee übernehmen. Mit dem Prinzip des „Pooling and Sharing“ („Zusammenlegen und Teilen“) soll der drohenden militärischen Handlungsunfähigkeit zuvor gekommen werden. Der deutschen Marine fehlen laut Steinbrück beispielweise ein Viertel einsatzfähige Soldaten, an Spezialisten und Führungskräften mangelt es sogar an vierzig Prozent Personal. Dabei könne es nur logisch sein, dass man über eine gemeinsame Armee der EU nachdenkt.
„Frieden ist nicht selbstverständlich für Europa“, sagte Steinbrück, dem aufgefallen sei, dass viele Bürger ein sicheres Europa für selbstverständlich hielten.

Die beiden Weltkriege des letzten Jahrhunderts schienen schon wieder in Vergessenheit geraten sein. Dafür, dass der europäische Kontinent momentan nicht von Kriegen bedroht sei, dass sei einem Europa als Sicherheitsinstitution, als Zivilistationsprojekt zu verdanken. Wäre die Europäische Integration damals so weit vorangeschritten wie heute, dann hätte womöglich der Balkan-Krieg nie stattgefunden, konstatierte Steinbrück. Er bewies den Gästen im Otto-Wels-Saal, dass er von einer Zukunft Europas überzeugt ist und erntete viel Applaus. Auch Deutschland brauche Europa. Die Bundesrepublik könne sich nicht leisten, alles leisten zu wollen. Dieses Prinzip verfolge die Bundesregierung, was es aber unter einer SPD-Regierung nicht geben werde. Europa, das wurde klar, ist ein Kooperationsprojekt, in allen Fragen.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier wies auf die gegenwärtigen Probleme der nationalen und europäischen Sicherheitspolitik hin. Die Verteidigungspolitik sei nicht mehr vorranging eine nationale Aufgabe, führte der Fraktionsvorsitzende ein. Die europäischen Länder müssten Lösungen für die Spannungen auf dem Feld der Sicherheit finden. Einerseits schrumpfen die Militäretats, auf der anderen Seite wächst die Verantwortung, wie man jüngst an Mali sieht, erklärte Steinmeier. Zusätzlich fordern die USA mehr Engagement von der EU für die Friedenspolitik in der Welt. Das bedeute auch höhere militärische Präsenz in Krisengebieten.

Europa sollte Global Player bleiben

Alle Redner bestätigten ihre Überzeugung, dass Europa noch immer ein gefragter Partner in der Welt ist. Aleksander Kwaśniewski, ehemaliger Staatspräsident von Polen, machte auf die wichtige Partnerschaft zwischen Polen und der Bundesrepublik aufmerksam. „Wenn Europa ein Global Player sein und bleiben möchte, dann muss die europäische Integration stetig fortgeführt werden“, sagte Kwaśniewski. Dabei spielten auch die postkommunistischen Länder eine wichtige Rolle. Die europäischen Kräfte müssten gebündelt werden, um aufsteigenden Staaten wie China Paroli bieten zu können.

Trotz der breiten Zustimmung zu Steinbrücks und Kwaśniewskis Vorträgen widersprach Helga Schmid (Stellverteterin der Hohen Verteterin der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik der Europäischen Kommission) dem Beitrag Steinbrücks in einem Punkt: „Europas Sicherheitspolitik ist nicht amorph“, sagte sie. Die Anstrengungen der EU in Friedenseinsätzen trügen vor allem auf dem afrikanischen Kontinent etwa zur Stärkung der Truppen der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) bei. Sie stellte die europäischen Projekte seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon vor und lobte die Zusammenarbeit mit einem starken Partner Russland.

Aber auch die Stellverteterin von Lady Ashton verwies auf die veränderte Lage in der Welt, wobei der Bereich Sichehrheitspolitik der Europäischen Union wesentlich struktureller sei.

Heer der Bundeswehr verkleinern?

In der anschließenden Podiumsdiskussion sprachen die Teilnehmer über die künftigen Aufgaben der Bundeswehr. Unter der Moderation der SPD-Abgeordneten Karin Evers-Meyer diskutierten General Volker Wieker (Generalinspekteur der Bundeswehr), Major Andre Wüstner (Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes), Dr. Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik und Rainer Arnold als SPD-Verteidungsexperte. Der Tenor in der Runde bestand aus der Frage: Wofür brauchen wir wieviele Soldaten? Möling machte die Vorschläge, dass die Bundeswehr ihr Heer von 185.000 Soldaten auf 100.000 begrenzt und der Bund gleichzeitig 10 Milliarden Euro spart. Alternative: Die Bundesrepublik wird sich nie mehr an militärischen Einsätzen beteiligen und investiert Expertise und Geld in den Wiederaufbau von Kriegsregionen.

Alle waren sich einig, dass Reformen unumgänglich sind und Deutschland die Kooperationen mit anderen europäischen Staaten intensivieren muss, um den Frieden auf unserem Kontinent zu garantieren. Peer Steinbrück: „Europa ist es wert, nach innen und nach außen verteidigt zu werden“.

 

Thilo Kühne