Zivile Krisenprävention beugt Konflikten vor. Hierbei spielt Deutschland eine Führungsrolle und schafft nachhaltige Strukturen im Ausland mithilfe verschiedenster Organisationen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin!

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Verehrte Gäste!

Wir leben in konfliktreichen Zeiten: Es brennt in der Ukraine, es brennt in Syrien, und es brennt an vielen anderen Orten. Es hat den Anschein, als gäbe es kein Mittel, diesen Konflikten vorzubeugen. Aber es gäbe noch viel mehr Konflikte, wenn nicht zivile Experten zivile Krisenprävention betreiben würden.

Das Problem ist: Das bekommt kein Mensch mit. Nachrichten gibt es nur, wenn es Konflikte gibt bzw. wenn sie ausbrechen.
Zivile Krisenprävention ist ein immens wichtiges Thema. Leider diskutieren aber außerhalb des Hohen Hauses nur wenige Experten darüber. Das muss sich ändern.

Deshalb begrüße ich, dass der heute diskutierte Bericht neben anderen Aufgaben vor allem die Sichtbarkeit der zivilen Krisenprävention als eigenes Aufgabenfeld festhält. Es ist auch unsere Aufgabe als Abgeordnete. Wenn wir in unseren Wahlkreisen über Außenpolitik reden, müssen wir dieses wertvolle zivile Engagement hochhalten. Es ist ein großartiges Engagement, das wir mit Stolz vermitteln sollten.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie der Abg. Kathrin Vogler (DIE LINKE))

Ich bin mir sicher: Es ist kein Zufall, dass Deutschland eine führende Rolle bei der zivilen Krisenprävention spielt. Die Menschen in unserem Land wollen Konflikte nicht militärisch lösen. Sie wissen, dass eine militärische Intervention immer nur die allerletzte Lösung sein kann.

Lassen Sie mich auf zwei Punkte des Berichts besonders eingehen: erstens den Ansatz der Regionalität und zweitens die Nachhaltigkeit.
Unsere Umsetzung - erstens - der zivilen Krisenprävention ist richtig; denn sie folgt einem regionalen Ansatz. In der Empfängerregion kann nur regionale Zusammenarbeit die Grundlage für dauerhafte und bessere Beziehungen und Stabilität legen. Zu begrüßen ist auch, dass Deutschland die zivile Krisenprävention nicht allein betreibt. Wir wollen sie gemeinsam mit unseren Partnern voranbringen: in der EU, in der OSZE und in der UNO.

Zweitens möchte ich Sie auf einen Fakt hinweisen, der mir im Bericht besonders gefällt. Ich blicke dabei auch durch die Brille der Entwicklungszusammenarbeit. Im Bereich der zivilen Krisenprävention wird endlich einmal nachhaltig gearbeitet. Wir bauen nicht nur Leuchttürme, sondern wir bauen auch dauerhafte Strukturen auf; denn wir wissen: Frieden wird zwar schnell zerstört, aber nur mühsam und mit viel Einsatz wieder aufgebaut. Deswegen ist es gut, dass wir langfristig wirkende Strukturen schaffen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Ich denke dabei an den Ressortkreis Zivile Krisenprävention, den Beirat Zivile Krisenprävention, das Zentrum für Internationale Friedenseinsätze, den Zivilen Friedensdienst, die Deutsche Stiftung Friedensforschung und das Programm „zivik“ des Instituts für Auslandsbeziehungen, ifa.

Die Nachhaltigkeit sieht man auch an den investierten Finanzmitteln: Waren es 2004 noch rund 14 Millionen Euro, so steht heute dem Auswärtigen Amt die zehnfache Menge an Euro zur Verfügung.

Trotzdem gibt es noch einiges zu tun.

Erstens sollten wir uns verstärkt dafür einsetzen, dass Deutschland zukünftig mehr Personal für vereinte Missionen zur Verfügung stellt.

Zweitens sollten wir die ressortübergreifende Vernetzung weiter verstärken.

Drittens sollten wir die Kooperation und Koordination mit den internationalen Partnern Deutschlands weiter ausbauen.

Wir brauchen stärkere internationale Organisationen, das heißt eine Stärkung der sicherheits- und friedenspolitischen Konzepte und Kapazitäten von Europäischer Union und Afrikanischer Union, aber auch von Organisationen wie der OSZE. Ganz besonders brauchen wir eine Stärkung der Führungsrolle und der Autorität, aber auch der Handlungsfähigkeit der Vereinten Nationen.

Wenn wir bedenken, welche menschlichen Tragödien und materiellen Schäden verhindert werden, ist die Arbeit der zivilen Krisenprävention von unschätzbarem Wert. Deswegen danke ich allen Akteuren der zivilen Krisenprävention für ihre großartige, ausdauernde und mutige Arbeit.

Zum Schluss lassen Sie mich noch in Richtung Linke etwas sagen. Hier wird sehr stark pointiert, dass Sie gegen Krieg und Militäreinsätze sind. Das ist ehrenwert. Ich aber war in der Friedensbewegung vom Westbalkan. Ich war mit vielen Freunden vernetzt, zum Beispiel im Kosovo. In den 90er-Jahren ist einer meiner besten Freunde aus der Friedensbewegung, Agim Hajrizi, Vorsitzender der Metallgewerkschaft im Kosovo, von Milosevics Milizen, er war der Dritte auf ihrer Liste, liquidiert worden. Ich habe einfach die Bitte: Wenn Sie sagen: „Wir sind gegen Militäreinsätze“ - oder sonstige Dinge, die Sie hier propagieren -: Verlieren Sie den einen oder anderen Gedanken auch an die Opfer.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Ulla Schmidt:

Vielen Dank. - Bevor ich der Kollegin Pfeiffer das Wort gebe, erteile ich der Kollegin Marieluise Beck das Wort zu einer Kurzintervention zum Redebeitrag des Kollegen Juratovic.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin! - Neben dem, wo wir uns alle einig sind - Friedensarbeit, auch Prävention und vorausschauendes Handeln im Hinblick auf mögliche Konflikte; das alles ist wichtig - hat der Kollege Juratovic - dafür bin ich ihm sehr verbunden - festgestellt, dass es dennoch Situationen geben kann, in denen auch der Einsatz von Gewaltmitteln bzw. militärischen Mitteln ethisch legitim oder sogar notwendig sein kann. Ich finde, gerade wir in Deutschland müssen darüber nachdenken.

Wir in Deutschland haben gelernt: Nie wieder Krieg. Ich gehöre zu der Generation, die deswegen politisch geworden ist. Sie hat erst später begonnen, darüber nachzudenken, was denn mit den Opfern ist. Wenn wir „nie wieder Krieg“ sagen - und damit meinen, dass es nie, nie, nie erlaubt sein darf, eine Waffe in die Hand zu nehmen -, delegitimieren wir damit, dass sich die Polen, die sowjetische Armee, die Franzosen, die Amerikaner und die Briten mit Waffengewalt gegen den deutschen Faschismus zur Wehr gesetzt haben.

Ich habe diesen Gedanken erst gehabt, als ich gesehen habe, wie die Menschen in Bosnien eingeschlossen waren. Sie stellten die Fragen der Opfer, nämlich: Seid ihr bereit, uns zu schützen? Oder gebt ihr uns die Möglichkeit, uns selbst zu schützen und selbst zu verteidigen? Die Beantwortung dieser Fragen sollte für uns gerade die Schlussfolgerung aus der Verantwortung sein, die dieses Land hat, nachdem es im letzten Jahrhundert Europa zweimal ins Verderben gestürzt hat. Diese Fragen der Opfer müssen uns deshalb genauso bewegen. Deswegen darf es nicht eine ethisch höherwertige, moralisch bessere und manchmal auch etwas selbstgerecht vorgetragene Gewissheit geben, dass jeder Einsatz von Waffen ethisch nicht gerechtfertigt sei.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der CDU/CSU und der SPD)