Lars Klingbeil redete am 29. November 2012 im Deutschen Bundestag zur Einführung des Leistungsschutzrecht

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Kollege Heveling!

Unmittelbar vor der Diskussion über das Leistungsschutzrecht hat eine Kollegin in Sorbisch geredet. Ich habe diese Sprache noch nie gehört, aber ich will offen sagen: Ich habe bei dieser Rede mehr verstanden als bei Ihrem Beitrag zum Leistungsschutzrecht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zurufe von der CDU/CSU)

 

 

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Liebe Kolleginnen und Kollegen, gerade die letzten Tage haben gezeigt, mit welcher Härte gestritten wird, wenn es darum geht, das digitale Zeitalter zu erreichen. Wir sehen, dass auf dem Weg in die digitale Gesellschaft radikale Umbrüche stattfinden, und wir sehen, dass Geschäftsmodelle infrage gestellt werden, dass sie aufgelöst werden, dass Machtordnungen infrage gestellt werden und sich neu sortieren.

(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Wo sind denn Ihre Fraktionskollegen, Herr Klingbeil? Kommt da noch wer?)

Wir sehen eine riesige Verunsicherung, wenn es um das Thema Urheberrecht geht. Sie alle kennen die Diskussionen mit Schülergruppen, die hier sind und ganz viele Fragen haben. Um das Parlament herum wird die Frage Urheberrecht groß diskutiert. ACTA war beispielhaft für die gesellschaftspolitische Dimension, die das Urheberrecht mittlerweile angenommen hat. Aber was ist die Antwort von Schwarz-Gelb auf die Herausforderungen, die es beim Urheberrecht gibt? Es ist das Leistungsschutzrecht.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Das ist das Einzige!)

Wie sieht eigentlich die netzpolitische Bilanz dieser Regierung aus? Breitbandausbau? Wir liegen hinter Rumänien. Verankerung der Netzneutralität? Fehlanzeige. Modernisierung des Datenschutzes? Fehlanzeige. Aufbruch in der Internetwirtschaft? Fehlanzeige. Die netzpolitische Bilanz dieser schwarz-gelben Regierung wird vom Leistungsschutzrecht geprägt. Ich sage Ihnen: Das ist eine traurige Bilanz. Wir von der SPD werden alles versuchen, um dieses Leistungsschutzrecht zu verhindern.

(Beifall bei der SPD)

Das Leistungsschutzrecht ist ein Irrsinn. Sie schaffen Unsicherheit, Sie schaffen Unklarheiten, Sie greifen in die Informations- und Kommunikationsfreiheiten ein, und Sie gefährden die Kreativität und den Innovationscharakter des Internets. Das Schlimmste aber ist: Sie sind doch selbst nicht einmal überzeugt von dem, was Sie da tun. Siegfried Kauder, der sicherlich alles andere ist als ein Kämpfer für das freie Internet, hat bei einer Veranstaltung des eco Mitte Oktober gesagt – so wird er zitiert –, das Leistungsschutzrecht sei eine „Mogelpackung“ und ein „Taschenspielertrick“.

Die geschätzte Kollegin Dorothee Bär sagte in einem Interview bei iRights.info, dass – ich zitiere – „das Leistungsschutzrecht dem Standort Deutschland massiv schaden würde“.

(Dr. Petra Sitte [DIE LINKE]: Recht hat sie!)

Weiter heißt es dort:

… im Hinblick auf die bisweilen unlösbare Frage, ob jemand seinen Account beruflich oder privat nutzt, beschränkt man die User in unverhältnismäßiger Weise in ihrer Kommunikations- und Informationsfreiheit.

Heute haben sich die Jugendverbände der politischen Parteien gemeinsam gegen das Leistungsschutzrecht positioniert. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das waren nicht nur die Jusos und die Grüne Jugend, es waren auch die Junge Union und die Jungen Liberalen. Ich frage Sie: Warum hören Sie nicht auf die jungen Leute in Ihren Parteien?

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum hören Sie nicht auf die Netzpolitiker in Ihren Parteien? Warum muss das Leistungsschutzrecht hier mit allem Zwang und gegen jede Vernunft durch den Deutschen Bundestag gedrückt werden?

Unabhängige Wissenschaftler am Max-Planck-Institut haben vor wenigen Tagen festgestellt: Es gibt kein Marktversagen, es gibt keine Rechtslücke, es gibt keine Notwendigkeit für ein Leistungsschutzrecht, und es gibt keine Notwendigkeit für eine Lizenzpflicht bei Snippets.

Ich sage auch: Das Leistungsschutzrecht ist nicht nur unnötig, es ist auch noch schlecht gemacht. Wenn man zum Beispiel die Bezeichnung „suchmaschinenartige Dienste“ liest und dann beim Justizministerium nachforscht, was das denn bedeutet, dann erhält man auf der Homepage die Antwort: Eine juristische Einordnung konkreter Dienste bleibt den Gerichten vorbehalten.
Hier sehen wir doch, dass Sie ein Gesetz auf den Weg bringen, von dem Sie nicht einmal wissen, was das konkret bedeutet. Hier wird Unsicherheit gestreut. Deswegen darf dieses Leistungsschutzrecht niemals kommen. Wenn es darum geht, den Qualitätsjournalismus zu stärken, wenn es darum geht, eine angemessene Rechtsdurchsetzung im Internet stattfinden zu lassen, wenn es um die Ermöglichung neuer Geschäftsmodelle geht, dann sind wir als SPD dabei – aber ohne Leistungsschutzrecht.

Ich freue mich, dass jetzt sicherlich der Kollege Jimmy Schulz erklären wird, dass auch er nicht zustimmt.

Herzlichen Dank fürs Zuhören.

(Beifall bei der SPD und dem BBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)