Die ODA-Quote, also der Anteil der öffentlichen Entwicklungsgelder Deutschlands ist im Jahr 2012 nunmehr auf 0,38 Prozent abgerutscht. Wenn im Entwicklungspolitischen Bericht trotzdem behauptet wird, die Bundesregierung hält weiter am international zugesagten Ziel von 0,7 Prozent bis 2015 fest, sagt Schwarz-Gelb die Unwahrheit. Statt den Entwicklungsetat kontinuierlich zu erhöhen, hat die schwarz-gelbe Bundesregierung die Gelder zuletzt sogar gekürzt. Ohne ausreichende Finanzierung kann keine wirksame Entwicklungspolitik gemacht werden.

Plenarrede von Dr. Bärbel Kofler, MdB zum 14. Entwicklungspolitischen Bericht der Bundesregierung (Bundestagsdrucksache: 17/13100)

Debatte am Freitag, den 26.04.2013

 

Dr. Bärbel Kofler (SPD):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nach diesem Werbeblock zurück zur Realität. Herr Minister, Sie haben hier heute Ihren Schlussbericht vorgelegt. Er beweist wieder einmal das diffuse Verhältnis, das Sie zur Entwicklungspolitik haben. Sie suggerieren in diesem Schlussbericht, Sie hätten das Rad neu erfunden, die gesamte Entwicklungspolitik neu aufgestellt. Nichts davon ist wahr. Sie haben in all den vier Jahren, in denen Sie tätig waren, eigentlich nichts anderes getan, als dieses Politikfeld zu diffamieren und damit die Hauptamtlichen in den Durchführungsorganisationen, die Hauptamtlichen in Nichtregierungsorganisationen und insbesondere ehrenamtlich engagierte Bürgerinnen und Bürger vor den Kopf gestoßen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Mit den Zitaten von Ihnen könnte ich eigentlich meine ganze Redezeit bestreiten. Die Bezeichnung „Weltsozialamt“ ist bereits angesprochen worden. Damit haben Sie Ihr eigenes Ministerium diffamiert. Sie sprechen solch schöne Sätze wie den folgenden aus: Tanztherapie zur Traumabewältigung braucht man nicht mehr. Solche Aussagen zeigen, dass Sie von Konfliktbearbeitung, von Friedensarbeit keinen blassen Schimmer haben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen, die sich in diesem Land ehrenamtlich engagieren, für internationale Zusammenarbeit und Solidarität stehen, mit Bürgern darüber diskutieren und diese Gedanken weiterbringen, diffamieren Sie, indem Sie sagen, sie würden in einer „politischen Kuschelecke“ leben - dieses Zitat ist von Ihnen, Herr Niebel - und sich mit dem Stricken von Alpakapullovern beschäftigen. So kann man doch mit Menschen, die sich in der Entwicklungszusammenarbeit engagieren und wirklich Armut bekämpfen wollen, nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der LINKEN und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dies zeigt nur eines: Sie haben nicht begriffen, was in der Entwicklungspolitik wirklich geleistet wird, was von den Menschen geleistet wird. All das, dessen Sie sich in Ihrem Schlussbericht so rühmen, ist eigentlich das Ergebnis der Arbeit und Leistungen all dieser Menschen. Das hat mit Ihrer Politik Gott sei Dank nichts zu tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn man sich den Bericht genauer anschaut, findet man dort nichts besonders Neues. Sie tun ja immer so, als hätten Sie das Rad neu erfunden. Nein, das Rad gibt es schon über Jahrtausende. Sie mussten es nicht neu erfinden. Im 12. und im 13. entwicklungspolitischen Bericht - diese sind von 2005 und 2008 - kann man lesen, dass Effizienz in der Zusammenarbeit ein wichtiges Thema ist. Ja selbstverständlich ist das so. Niemand sagt, dass man nicht auf Wirksamkeit und Effizienz achten muss. Liebe Kollegin Pfeiffer ‑ Sie sind schon so lange in diesem Ressort tätig ‑, wenn Sie behaupten, dieser Gedanke sei in Ihrer Regierungszeit neu entstanden, muss ich Ihnen wirklich sagen: Über Ihr Gedächtnis möchte ich mich an dieser Stelle nicht auslassen.

Denken Sie nur an den Monterrey-Konsens 2002, die Paris-Agenda und die Ergebnisse der Konferenzen von Accra und Busan. Um was ging es denn da? Um die Wirksamkeit in der internationalen Zusammenarbeit und um die Frage, wie wir die Mittel, die wir zur Verfügung haben, zum Schutze der Armen und zur Hilfe für die Armen in der Welt besser einsetzen können. Darum muss es in Zukunft gehen, und darum wurde auch bisher immer gerungen. Im besten Fall könnte man sagen, Sie stünden in dieser Kontinuität, wenn Sie wirklich neue Akzente gesetzt oder einen ordentlichen Beitrag geleistet hätten. Wirksamkeit ist aber keine Niebel‘sche Erfindung. Wirksamkeit ist ein Thema, an dem die Entwicklungspolitiker kontinuierlich gearbeitet haben und arbeiten müssen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum machen Sie das Ganze? Das ist eine reine Verschleierungstaktik. Sie haben keine ausreichenden Mittel zur Verfügung gestellt und internationale Vereinbarungen nicht eingehalten. Im Endeffekt ‑ wenn Sie ganz ehrlich sind, müssen Sie das zugeben ‑ haben Sie das größte nicht wirksame Bürokratiemonster in Ihren Koalitionsvertrag geschrieben. Kein Mensch redet von einer Ein-Drittel/Zwei-Drittel-Aufteilung in bilaterale und multilaterale Mittel. Es muss doch um Wirksamkeit im Sinne der Armutsbekämpfung gehen. Es darf aber nicht darum gehen, ob es sich um nationale oder internationale Töpfe handelt.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie diffamieren Organisationen wie den Global Fund ‑ das haben Sie auch letzte Woche in Ihrer Regierungserklärung getan ‑, der sich wirklich große Verdienste erworben hat, wenn es um die Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria geht. Sie stellen sich wieder einmal als Chefaufklärer dar und tun so, als hätten Sie alle möglichen Verfehlungen entdeckt und diese abgestellt. Gar nichts haben Sie in diesem Bereich getan. Die Organisation selbst hat durch effiziente und gute Eigenkontrolle Probleme in Partnerländern aufgedeckt. Sie haben das als Vorwand benutzt, um Mittelkürzungen, die Sie schon ein Jahr zuvor umsetzen wollten, nachträglich zu rechtfertigen. So erreicht man bestimmt nicht mehr Zusammenarbeit und mehr Effizienz in der internationalen Entwicklungspolitik.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Ute Koczy (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Haushaltsmittel sind schon angesprochen worden. Sie müssen sich auch daran messen lassen, was Sie in Ihrem „tollen“ Weißbuch geschrieben haben. In der Kurzfassung heißt es auf Seite 8, dass die Bundesregierung weiterhin anstrebt, einen Anteil der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit am BNE in Höhe von 0,7 Prozent bis 2015 zu erreichen. Hier sind Sie gefordert. Sie müssen sagen, wie Sie das mit Blick auf die verbleibenden Haushalte schaffen wollen. Genau dieser Verantwortung stellen Sie sich aber nicht.

(Stefan Rebmann (SPD): Die Kanzlerin hat die Leute im Stich gelassen!)

Das bedeutet natürlich nicht, dass die Opposition, wenn das Ziel von 0,7 Prozent bis 2015 erreicht werden sollte, sagen würde: Alles ist gut. ‑ Aber es ist ein wichtiger Baustein, Mittel aufzubringen, um die Armut wirklich nachhaltig bekämpfen zu können. Das tun Sie aber nicht. Die Kanzlerin hat versprochen, bis 2015 einen Anteil von 0,7 Prozent zu erreichen. Man kann fast sagen: Die Kanzlerin verspricht, der Minister bricht. ‑ Wer an dem Ganzen schuld ist, ob die Kanzlerin das insgeheim vielleicht sogar so wollte oder ob Sie Ihrer Regierungschefin auf der Nase herumtanzen, bleibt dem geneigten Beobachter und der Spekulation überlassen. Aber verantwortliches Regierungshandeln ist das an dieser Stelle nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Schauen wir uns einmal die Schlüsselsektoren, die Sie auflisten, an; auch hier tun Sie so, als hätten Sie die Welt neu erfunden. Ich greife ein Thema heraus: das Klima. Da gab es über zehn Jahre hinweg viele gute Ansätze. Ich erinnere nur an die Klimakonferenz in Johannesburg und daran, dass bereits vor acht Jahren festgestellt wurde, dass wir 100 Millionen Euro für die Förderung erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern zur Verfügung stellen. Das ist ein Bereich, in dem wir noch wesentlich mehr tun müssen. Energiearmut ist nämlich, was die nachhaltige Entwicklung betrifft, in vielen Ländern ein sehr großer Hemmschuh. Aber Sie erfinden das Rad nicht neu. Wenn man sich genau anschaut, was Sie tun, dann muss man feststellen: unterm Strich nichts.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie lassen ganze Themenblöcke, bei denen man einen wirklichen Beitrag zu nachhaltiger Entwicklung leisten könnte, außen vor. Das Hohelied der Wirtschaft singen Sie ja immer und überall gerne. Was Sie in diesem Zusammenhang aber nicht singen, ist das Hohelied der menschenwürdigen Arbeit. Ich habe von Ihnen noch nicht ein einziges Mal auch nur einen Satz dazu gehört, wie wirtschaftliche Aktivitäten in menschenwürdige Arbeit umgesetzt werden sollten, um zur Entwicklung tragender, nachhaltiger Sozialstrukturen und -systeme beizutragen. Das würde übrigens nicht nur den Menschen in den Entwicklungsländern helfen, sondern auch den Menschen in Deutschland, die immer wieder von Sozialdumping und ausbeuterischen Bedingungen bedroht sind, Herr Niebel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man kann eines feststellen: Die Themen, die wirklich zur nachhaltigen Armutsbekämpfung beitragen, sind: ‑ das sagt auch die ILO, die Internationale Arbeitsorganisation ‑: menschenwürdige Arbeit, soziale Sicherung und Basisschutz. Diese Themen interessieren Sie aber nicht, Herr Niebel. Warum wohl? Weil wir Sozialdemokraten das Thema soziale Sicherung bereits in der letzten Legislaturperiode als ganz zentrales Thema behandelt haben. Dass Sie sich dafür nicht interessieren, ist ein guter Grund dafür, dass das, was wir heute hier von Ihnen gehört haben, Ihre Schlussbilanz war. Das ist sehr gut so, Herr Niebel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

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