Sehr geehrter Herr Präsident! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Vor fast genau einem Jahr stand ich hier und habe zu genau diesem Thema eine Rede gehalten, damals zur ersten Lesung des Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung des Arbeitsverbotes für Asylsuchende und Geduldete. Unser Ziel war damals, Geflüchteten eine möglichst frühzeitige Teilhabe an unserer Gesellschaft durch Integration auf dem Arbeitsmarkt zu ermöglichen und die oft jahrelange erzwungene Untätigkeit von Geduldeten zu beenden. Ich denke, wir alle waren in den letzten Tagen in Unterkünften für Asylsuchende. Wir wissen, dass genau das das Schlimmste ist.

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): So ist es!)

Die Menschen wollen eigentlich keine Sozialleistung haben, sie wollen für ihre Familien sorgen und arbeiten. Mit diesem Gesetz haben wir ihnen das ermöglicht. Es ist gut für die Betroffenen, es ist gut für die Unternehmen und für die Gesellschaft. Wir haben also eine ganz klare Win-win-win-Situation geschaffen.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Heute, ein Jahr später, stehe ich hier an der gleichen Stelle und muss mich mit Blick auf den Antrag der Grünen und das, was Katrin Göring-Eckardt jetzt gerade und Frau Pothmer via Welt gesagt haben, des Vorwurfs erwehren, die Bundesregierung sei auf diesem Feld untätig. So ein Quatsch!

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU - Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Das wird wieder eine gute Rede!)

Was haben wir innerhalb dieses Jahres erreicht? Sehr viel. Innerhalb eines Jahres haben wir die grundsätzlichen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Asylsuchende überhaupt arbeiten können. Das Gesetz ist erst im November letzten Jahres verabschiedet worden und im Dezember in Kraft getreten. Erst seitdem können Geduldete und Asylsuchende nach drei Monaten Arbeit aufnehmen. Nach 15 Monaten besteht auch keine Vorrangprüfung mehr, sondern nur noch die Gleichwertigkeitsprüfung - was vollkommen in Ordnung ist, um Ausbeutung zu verhindern.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Meine Güte! Das ist jenseits jeder Realität!)

Jetzt muss ich sagen: Ich bin sehr oft, ja ständig bei meiner BA, im Jobcenter und frage, ob das mit der Vorrangprüfung ein Problem ist. Ich bekomme da andere Antworten als Sie.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gehen Sie mal zu den Flüchtlingen!)

Wenn es nach meiner Fraktion ginge, könnten wir die Frist von 15 Monaten gerne noch streichen. Aber das ist nicht der Punkt. Die vorhandene gesetzliche Grundlage ist wirklich gut.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Alles ist gut, wollen Sie uns sagen!)

Wir müssen noch an der Umsetzung arbeiten - gar keine Frage -, aber wir haben da Ende letzten Jahres einen Riesenschritt gemacht.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Früher, das heißt vor einem halben Jahr, gab es ein De-facto-Arbeitsverbot. Jetzt gibt es den Wunsch der gesamten Gesellschaft: Leute, die ihr hierherkommt und Asyl sucht, geht arbeiten! - Das ist ein grundsätzlicher Paradigmenwechsel in der Flüchtlingspolitik, den wir, die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, erkämpft und erstritten haben und in den Koalitionsvertrag hineinverhandelt haben, und wir haben ihn umgesetzt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mir ist an der Stelle ein Punkt sehr wichtig: Auch wenn der Zugang zum Arbeitsmarkt für Flüchtlinge ökonomisch und sozial äußerst sinnvoll ist, reden wir beim Thema Asyl über ein Grundrecht; wir unterscheiden im Asylrecht nicht danach, ob jemand gut oder schlecht ausgebildet ist, sondern danach, ob er oder sie verfolgt ist oder nicht. Das wird so bleiben, und das ist auch gut so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Gleichzeitig ist es so: Wenn die Menschen einmal da sind, dann sollen sie ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten - das, was sie mitbringen - in unsere Gesellschaft einbringen können. Frau Pothmer hat recht, wenn sie in der Welt sagt - das steht auch im Antrag -, dass wir die Rahmenbedingungen noch verbessern müssen, damit die Menschen tatsächlich arbeiten können. Es liegt auf der Hand, welche Punkte da anzugehen sind und auch schon angegangen werden: Vermittlung von Sprachkenntnissen, Anerkennung der Abschlüsse sowie Beratung und Vermittlung. Das sehen wir auch so.

(Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aha! Also doch!)

Man muss kein Experte sein, um das zu erkennen. Das wurde schon vor längerem erkannt: Die Bundesagentur für Arbeit hat bereits Anfang 2014 ein Pilotprojekt auf den Weg gebracht. Es heißt „Early Intervention“. Da arbeiten BA und BAMF an sechs Standorten zusammen.

Man fragt sich jetzt vielleicht: Warum die BA? Für Feinschmecker: Es ist, wie alles in Deutschland, kompliziert. Für Asylsuchende ist die Bundesagentur für Arbeit zuständig; sie gehören also zum Rechtskreis des SGB III. Wenn sie anerkannt worden sind, sind die Jobcenter im Rechtskreis des SGB II zuständig. Es ist schon ganz spannend, was wir da mit Menschen veranstalten, die zu uns kommen. Das wäre durchaus eine Diskussion wert.

Die BA fragt erst einmal: Was bringt ihr mit? Wir wissen das nämlich gar nicht so genau. Angesichts des Paradigmenwechsels vor einem halben Jahr müssen wir hier tatsächlich noch viel verändern. Wir wissen heute nicht, welche Ausbildung Flüchtlinge mitbringen. Sie werden derzeit nur sporadisch gefragt, ob sie freiwillig angeben möchten, welche Ausbildung sie haben. Im Rahmen von „Early Intervention“ wird danach gefragt, und dann wird direkt in die intensive Vermittlung eingestiegen.

Wir müssen uns solche Angebote anschauen, sie verstetigen und erweitern. Das ist genau der Weg, den wir gehen. Wir können aus den Zwischenergebnissen von „Early Intervention“ lernen. Es gibt eine Zwischenevaluation, die man sich einmal anschauen kann. Das Thema der Vorrangprüfung steht da nicht im Mittelpunkt. Ein anderes Thema wird dort ganz massiv angesprochen, nämlich die Frage der flächendeckenden Bereitstellung von Deutschkursen. Das ist der zentrale Punkt, wenn es darum geht, die Menschen wirklich vermitteln zu können.

(Beifall bei der SPD ‑ Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen! ‑ Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen!)

‑ Genau: Macht es doch! ‑ Da sind wir auch dran. Es geht einerseits um die Öffnung der Integrationskurse, das heißt: Grundspracherwerb, damit ich mich draußen verständigen kann, im Leben zurechtkomme. Im Bundesministerium des Innern wird derzeit über die Öffnung der Integrationskurse debattiert. Es ist aus meiner Sicht überfällig, dass auch Asylsuchende Zugang zu Integrationskursen bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Über die Details wird noch debattiert - das ist auch in Ordnung -, aber ich denke, die Öffnung wird kommen.

Zweiter Punkt. Wir brauchen mehr Ressourcen für berufliche Sprachkurse. Ich denke, wir alle hier im Haus unterstützen die Forderung von Andrea Nahles, mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen, sodass die Ärzte Ärztedeutsch und die Ingenieure Ingenieurdeutsch lernen können. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und gut investiertes Geld.

(Beifall bei der SPD)

Wir haben übrigens ‑ das war eben auch ein Vorwurf ‑ die Asylsuchenden bereits bei der gesetzlichen Regelung der assistierten Ausbildung mit bedacht.

(Brigitte Pothmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bedacht, aber nicht geöffnet!)

Auch asylsuchende junge Menschen haben Zugang zu assistierter Ausbildung; das ist ein ganz wichtiger Punkt. In Bezug auf das Bleiberecht sind wir in der Diskussion, um einen gesicherten Aufenthalt für junge Geduldete zu schaffen, wenn sie eine Ausbildung machen.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Richtig!)

Wir tun hier jede Menge. Sie sehen: Es ist beileibe nicht so, dass wir untätig wären, sondern der Zug ist in Bewegung, und zwar genau in die richtige Richtung.

(Sabine Weiss (Wesel I) (CDU/CSU): Läuft alles!)

Sie können sich darauf verlassen, dass wir auch weiterhin Dampf machen werden.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)

Vizepräsident Peter Hintze:

Frau Kollegin, apropos Bewegung. Auf Parlamentsdeutsch gesagt: Die Redezeit ist leider abgelaufen.

(Beifall des Abg. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Die Koalition hat eine Masse Zeit,

Daniela Kolbe (SPD):

Das stimmt.

Vizepräsident Peter Hintze:

aber versuchen Sie, zum Schluss zu kommen.

(Dr. Karamba Diaby (SPD): Dein letzter Satz!)

Daniela Kolbe (SPD):

Gut. - Was soll ich sagen?

(Michael Grosse-Brömer (CDU/CSU): Es läuft gut!)

Der Zug ist auf dem richtigen Gleis, und er wird ans Ziel kommen. Sie können uns gerne dabei begleiten. Ich denke, dass Sie viel Gelegenheit haben werden, uns Applaus zu spenden; denn eigentlich machen wir genau das, was Sie in Ihrem Antrag fordern.

(Beifall bei der SPD)

Das ist Regierungshandeln oder Regierungsverhandeln. Von daher: Gerne auch Applaus von Ihrer Seite.

(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)