Sascha Raabe weist in seiner Rede darauf hin, dass der Anbau von Biokraftstoffen differenziert betrachtet werden muss in Bezug auf Umwelt und Ernährungssicherheit. Er spricht sich sowohl gegen eine feste Quote für den Anbau von Biokraftstoffen als auch gegen ein generelles Anbauverbot aus. Weiterhin weist er darauf hin, dass Ernährungssicherheit von vielen weiteren Faktoren wie zum Beispiel Spekulationen an den Rohstoffmärkten beeinflusst wird.

Dr. Sascha Raabe (SPD):
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir müssen über das Thema des Anbaus von Biokraftstoffen und dessen Auswirkungen auf Umwelt und Ernährungssicherheit sehr differenziert reden. Das fällt heute manchmal schwer, weil man, wenn man manchen Schlagzeilen glauben könnte, den Eindruck gewinnt, wenn wir E 10 stoppen würden, wäre der Hunger auf der Welt vorbei. Das ist leider nicht so. Wenn es so einfach wäre, würden wir uns alle freuen.
Ich sage aber auch gleich zu Anfang, dass wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten uns schon in - meine Kollegin Gabi Groneberg hat das damals mit mir veranstaltet - mit Umweltverbänden und entwicklungspolitischen NGOs zusammengesetzt haben und sehr früh gesagt haben, der Anbau von Biokraftstoffen bietet Chancen, birgt aber auch Risiken. Deswegen haben wir immer gesagt, er darf auf keinen Fall zulasten der Ernährungssicherheit gehen und er darf auch nicht zu ökologischen Schäden führen, sprich zur Verdrängung von Regenwäldern.
Darin sind wir uns nach wie vor einig. Deswegen lehnen wir eine feste Quote wie bei E 10 ab, weil auch wir mit großer Sorge beobachten, dass der Beimischungszwang die Probleme nochmals verschärft, wenn aufgrund von Dürren oder anderer Einflüsse ohnehin eine Nahrungsmittelknappheit besteht.
Was wir aber nicht fordern, ist ein genereller Stopp des Anbaus von Biokraftstoffen oder für alle Zeiten ein Importverbot, egal wie die Rahmenbedingungen sind, weil der Anbau von Biokraftstoffen, wenn er gut gemacht ist, sowohl dem Klimaschutz als auch den Entwicklungsländern und damit der Ernährungssicherheit dienen kann. Denn es gibt nun einmal Flächen, auch in Afrika, die degeneriert sind, auf denen niemand investieren würde, um Getreide anzubauen, weil das dort nicht funktioniert. Wenn auf diesen Flächen Energiepflanzen angebaut und - das ist natürlich eine ganz wichtige Voraussetzung - die Erlöse daraus zum Beispiel für die öffentliche Daseinsvorsorge, für den Aufbau sozialer Sicherungssysteme verwendet würden, kann das natürlich auch eine Chance sein. Ich nenne einmal das Beispiel Brasilien: Auf dem brasilianischen Markt setzte der Biomasseanbau in der Vergangenheit durchaus positive Impulse: 60 bis 70 Prozent der Autoflotte Brasiliens fährt mit Bioethanol. Dies bot gleichzeitig Einkommenschancen für die dortigen Bauern. Deswegen darf man das nicht schwarz-weiß sehen.
Der Kollege Heiderich hat eine Aussage von Herrn Sigmar Gabriel aus der Zeit zitiert, als er Umweltminister war. Natürlich war die Aussage richtig. In einer Phase, in der die EU Agrarüberschüsse produzierte, in der wir mit unseren Dumpingexporten die Märkte in den Entwicklungsländern gestört haben, in der wir Butterberge hatten etc., war es vernünftig, zu sagen: Anstatt weiter Flächen stillzulegen, bauen wir auf diesen Flächen Energiepflanzen an, um unsere Klimaschutzziele zu erreichen. Hier sehe ich keinen Widerspruch.
Man muss sich aber jetzt fragen, wie man verhindern kann, dass in den Entwicklungsländern, in denen der Hauptanteil der zukünftigen Biokraftstoffe produziert werden wird, eine Konkurrenz zur Ernährungssicherheit und zu ökologischen Parametern entsteht. Mit vielem, was im Antrag der Linken steht, sind wir einer Meinung. Wir teilen aber nicht die pauschale Äußerung: Importverbot und alle Biokraftstoffe sind schlecht.
Ich komme zu dem zurück, was ich am Anfang gesagt habe. Es ist mir wichtig, in einer solchen Debatte darauf hinzuweisen, dass es nicht nur einen Faktor gibt, warum die Menschen zurzeit hungern und die Nahrungsmittelpreise hoch sind. Da ist zum Beispiel auch das Thema Nahrungsmittelspekulation zu nennen. Diese trägt auch dazu bei, dass die Preise für Nahrungsmittel steigen. Von Minister Niebel hätte ich mir gewünscht, dass er auch dazu einige Worte sagt, statt immer nur zu sagen, E-10- Kraftstoff muss verschwinden. Alle Anträge von uns zum Thema Nahrungsmittelspekulation, in denen wir versucht haben, dieses Problem zu regulieren, hat er abgelehnt. An dieser Stelle erwarten wir vom Minister mehr, als er bisher getan hat.
(Beifall bei der SPD)
Abschließend möchte ich nur sagen - ich kann das in den paar Minuten meiner Redezeit nicht weiter ausführen -: Das Thema ist zu komplex, um es auf die Alternative "Tank oder Teller" zu reduzieren. Herr Movassat, ich weiß nicht, wie Sie sich ernähren. Sie sollten sich einmal überlegen, ob das Thema nicht auch heißen könnte: Teller oder Trog. Der größte Anteil des Sojagetreides und des Maises geht ja als Futtermittel in die Fleischproduktion. Wir sollten uns alle an die eigene Nase fassen und weniger Fleisch essen. Die Fleischproduktion hat einen viel größeren Einfluss auf die Zerstörung der Regenwälder in Brasilien, -
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege.
Dr. Sascha Raabe (SPD):
- weil dort der Großteil des angebauten Sojas in die Fleischindustrie und in Indonesien leider immer noch der größte Teil der Palmölproduktion in die Kosmetikindustrie geht. Wir müssen also auch andere Dinge bedenken.
Vizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt: Herr Kollege.
Dr. Sascha Raabe (SPD):
Ich bin mit meiner Redezeit am Ende. Aber lassen Sie uns bitte alles bedenken und in allen Bereichen gemein-sam vorgehen.
Danke schön.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
der CDU/CSU)