"Frau Merkel, wer in Zukunft mehr Europa will, der braucht Partner, die ihre Zukunft auch in Europa sehen; dann schlägt man sich nicht auf die Seite des Regierungschefs, der möglicherweise dieses Europa verlassen will" - sagt Peer Steinbrück in der Debatte um den mittelfristigen Finanzrahmen der EU.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Europa ist leider nach wie vor in keiner guten Verfassung. Die Lissabon-Strategie für das erste Jahrzehnt, Frau Bundeskanzlerin, Europa zu der wettbewerbsfähigsten und wissensbasiertesten Region global zu machen, ist gescheitert. Oder vorsichtiger ausgedrückt: Sie hat nicht die Ergebnisse gebracht, die wir uns versprochen haben. Warum ist sie weitestgehend gescheitert? Weil Europa und die europäischen Mitgliedstaaten nicht in der Lage gewesen sind, die finanziellen Ressourcen bereitzustellen, die notwendig gewesen wären, um Europa zur wettbewerbsfähigsten und wissensbasiertesten Region der Welt zu machen. Ich sage Ihnen voraus: Mit diesem mittelfristigen Finanzrahmen für 2014 bis 2020 wird auch für das zweite Jahrzehnt diese Strategie, die sich jetzt „Europa 2020“ nennt, scheitern, weil die Finanzmittel der Höhe nach und der Struktur nach nicht mit diesen Zielen korrespondieren, die für Europa von erheblicher Bedeutung sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Europas Wirtschaft dümpelt weiter am Tiefpunkt. 2012 ist die europäische Wirtschaft geschrumpft. Die Arbeitslosigkeit ist gestiegen. Wir alle kennen die alarmierenden und skandalös hohen Arbeitslosenraten für Jugendliche. In sieben Ländern liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 25 Prozent. In vier Ländern liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei über 30 Prozent. In zwei Ländern liegt sie bei   sage und schreibe   über 50 Prozent. Das heißt, in diesen Ländern findet mehr als die Hälfte der jungen Frauen und Männer keine Arbeit mehr. Was denken sie über Demokratie? Was denken sie über Europa? Was denken sie über uns Politiker, die dafür eine Mitverantwortung tragen?

Die Krise, die im Finanz- und Bankensektor ihren Ausgang nahm, hat den Bürgerinnen und Bürgern in Europa sehr viele Opfer abverlangt. Manchmal habe ich den Eindruck, dass wir Deutsche es nicht richtig zu würdigen wissen, mit welchen Verelendungserscheinungen dies in einigen europäischen Nachbarstaaten teilweise bereits verbunden ist.

Reformen und Konsolidierung der Staatshaushalte sind notwendig, doch sie laufen ins Leere, wenn aus Sparen ein Kaputtsparen wird, wenn neben der notwendigen Konsolidierung keine Wachstumsperspektiven für diese Länder entstehen, wenn aus einer Rezession eine Depression, eine Verelendung in Teilen der europäischen Nachbarstaaten wird. Ich habe solche Verelendungserscheinungen bei meinem jüngsten Besuch in Athen selber erlebt. Gerade die jungen Menschen sagen dort: Wir haben keine Perspektive mehr. Es ist bedrückend, mit anzusehen, dass sie dieses wunderbare Zivilisationsmodell Europa nicht mehr als etwas wahrnehmen, das ihnen Zukunft verspricht und das es zu behaupten gilt.

Die ökonomische Krise, Frau Bundeskanzlerin, steigert sich in manchen Staaten zu einer Gefahr für die Stabilität der politischen und gesellschaftlichen Ordnung. Wir reden nicht mehr allein über eine ökonomische Krise, sondern wir reden über die Stabilität dieser unmittelbaren Nachbarstaaten in Europa.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Staats- und Regierungschefs müssen diesem Spardiktat endlich ein Wachstumsprojekt folgen lassen. Es ist Zeit für mehr Investitionen in Infrastruktur, in eine industrielle Erneuerung, in Bildung, Forschung und Entwicklung, in die wesentlichen Größen und wichtigen Ansatzpunkte, um Europa wieder nach vorne zu bringen: mit einer größeren Wettbewerbsfähigkeit, mit einer weiter ausgebauten Industrie mit vielen Arbeitsplätzen und vor allen Dingen mit konkreten Berufsperspektiven für die jungen Leute. Davon wird viel geredet; ich kann mich erinnern, dass davon auch schon beim Europäischen Rat Ende Juni 2012 geredet worden ist. Passiert und konkret angekommen ist in diesem halben Jahr rein gar nichts, insbesondere nicht bei den arbeitslosen Jugendlichen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Obama hat in seiner Rede zur Lage der Nation letzte Woche gesagt   ich zitiere ihn  : „Defizitabbau allein ist kein Wirtschaftsplan“. Das ging, wie ich glaube, nicht nur an die Adresse der Republikaner im Repräsentantenhaus und im Senat, sondern bezog sich auch auf die Europapolitik, also auf die Europapolitik dieser Bundesregierung, die die treibende Kraft bei einem Sparkurs in Europa ist, der andere Länder zunehmend in eine Depression und Verelendung hineinzieht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Alexander Ulrich (DIE LINKE): Sie stimmen doch immer zu!)

Der neue Finanzrahmen 2014   2020 zeigt, dass die Chefs der Regierungen und der Staaten, die beim Europäischen Rat aufgetreten sind, wenig gelernt haben. Anstatt das Angebot des Präsidenten des Europäischen Parlamentes, Herrn Martin Schulz, anzunehmen, „sich zu unserer gemeinsamen Zukunft zu bekennen“, anstatt in die Zukunft Europas zu investieren, und zwar auch über nationale Egoismen hinaus, ging es den europäischen Staats- und Regierungschefs am 7. und 8. Februar im Wesentlichen darum, verletzungsfrei zu ihrem heimischen Publikum zurückzukehren. Im Ergebnis entstand ein Vorschlag für einen europäischen Finanzrahmen, der im Europäischen Parlament sogar die Parlamentarier aus Ihren eigenen Reihen zur Ablehnung veranlassen könnte. Perspektivlos haben Sie sich in einer unheiligen Kürzungsallianz ausgerechnet mit dem Regierungschef verbunden, nämlich mit dem britischen Regierungschef David Cameron, der gegebenenfalls sogar aus der Europäischen Union austreten will. Das ist eine ganz merkwürdige Allianz, um die Zukunft Europas in diesem Jahrzehnt zu sichern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Axel Schäfer (Bochum) (SPD): Sehr wahr!)

Frau Merkel, wer in Zukunft mehr Europa will, der braucht Partner, die ihre Zukunft auch in Europa sehen; dann schlägt man sich nicht auf die Seite des Regierungschefs, der möglicherweise dieses Europa verlassen will.

Mit Blick in die Zukunft geht es bei diesem Finanzrahmen gar nicht nur um die Höhe der Mittel, sondern vor allen Dingen auch um die Struktur. Nach wie vor fließen ungefähr 38 Prozent der Haushaltsmittel in den Agrarsektor, ein Großteil davon zu großen Agrarunternehmen und Lebensmittelkonzernen. Aber nur ein kleinerer Teil geht in die wichtigen Felder, die für Wachstum und Beschäftigung sorgen. Ausgaben für Wachstum und Beschäftigung werden in der Tat um 23,5 Prozent gekürzt, nicht gegenüber dem früheren Finanzrahmen, aber gegenüber dem Kommissionsvorschlag.

Sie haben auf das Programm „Connecting Europe Facility“, also auf die Verbesserung der Verbindungen über Transport- und Energienetze hingewiesen und sagten, es handele sich hier um eine Steigerung der Mittel um 50 Prozent. Die Zahl ist für sich genommen richtig; aber dieses Programm gab es vorher gar nicht. Gemessen an dem Vorschlag der Kommission liegt dem eine Kürzung und kein Aufwuchs zugrunde.
Nun schien es, dass es ein gutes Ergebnis gibt   das Sie ja auch zitiert haben  , nämlich dass 6 Milliarden Euro zusätzlich dafür aufgewendet werden, die Jugendarbeitslosigkeit in den Mitgliedstaaten zu verringern, jungen Menschen die Möglichkeit zu geben, einen Job zu finden. Wenn man allerdings genauer hinschaut, dann stellt man fest, dass das ein makabrer Etikettenschwindel ist;

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

denn von den 6 Milliarden Euro für die Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit kommen 3 Milliarden aus den Einsparungen in den Sozialfonds. Das ist das Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“, will sagen, ein neues Programm mit altem Geld, das Sie hier gerade wider allen Tatsachen als großen Erfolg verkauft haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die 3 Milliarden, mit denn die 6 Milliarden aufgefüllt wurden, fehlen bei der Verbesserung der europäischen Infrastruktur, zum Beispiel beim Aufbau eines flächendeckenden Internetzuganges, den gerade junge Menschen brauchen, um an Information, an Ideen und letztlich an Arbeit zu kommen. Das ist das, was Sie hier gerade als großen Erfolg gefeiert haben.

Die Staats- und Regierungschefs in Europa tricksen. Sie tricksen mit dem Unterschied zwischen Zahlungs- und Verpflichtungsermächtigungen, das heißt, sie stellen mit diesem Finanzrahmen zu wenig Geld zur Verfügung, um die eingegangenen Verpflichtungen wirklich zu erfüllen. Das wird der entscheidende Punkt sein, warum Sie mit diesem mittelfristigen Finanzrahmen auf erhebliche Widerstände im Europäischen Parlament und, wie ich ziemlich sicher zu glauben weiß, auch in Ihren eigenen Reihen treffen werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Viele Länder sind in der Tat aufgefordert, Strukturreformen, ihre Governance und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Was mir in Ihren europapolitischen Beiträgen fehlt, ist der Hinweis auf die Strukturprobleme im europäischen Raum, die wir als Bundesrepublik Deutschland mit zu verantworten haben: Das sind die massiven Exportüberschüsse der Deutschen, die sich in entsprechenden Leistungsbilanzüberschüssen bei uns und in den entsprechenden Leistungsbilanzdefiziten in den anderen Ländern widerspiegeln.

Deutschland hat inzwischen einen Leistungsbilanzüberschuss von 5 Prozent unserer jährlichen Wirtschaftsleistung. Seit der Wiedervereinigung hat Deutschland Güter und Dienstleistungen im Wert von über 1,5 Billionen Euro mehr verkauft als eingekauft. Dies spiegelt sich zunehmend in erheblichen Ungleichgewichten in den Austauschbeziehungen zwischen den Mitgliedstaaten, die zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion gehören, wider.

(Alexander Ulrich (DIE LINKE): Das sagen Sie schon fünf Jahre!)

Das geht in einer Währungsunion aber nicht. Auf Dauer ist dies in einer Währungsunion unmöglich, wenn kein Ausgleich über entsprechende Wechselkursanpassungen stattfinden kann. Das heißt, wir müssen uns politisch mit der naheliegende Frage beschäftigen   hier hätte ich gerne mehr Auskunft von Ihnen  , wie wir in Deutschland die Kaufkraft verbessern, damit es zu einem besseren Ausgleich dieser Ungleichgewichte in den Austauschbeziehungen kommt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das heißt auch, dass wir in Deutschland eine Politik zur Stärkung der Binnennachfrage, eine Politik zur Stärkung der Kaufkraft brauchen.
Nun kommen wir sehr konkret zu einigen Themen, die uns beschäftigen werden, nicht nur mit Blick auf den 22. September: Wir brauchen faire Lohnabschlüsse,

(Zuruf von der LINKEN)

die die Inflation kompensieren und den Produktivitätsfortschritt in der Einkommensentwicklung der abhängig Beschäftigten widerspiegelt. Wir brauchen eine Wirtschaftspolitik, die die privaten und öffentlichen Investitionsquoten steigert. Wir brauchen eine Energiewende, aber keine, die, wie im Augenblick, das größte Investitionsverhinderungsprogramm ist, das diese Republik je gesehen hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen echte Mindestlöhne. Wir brauchen eine Eindämmung der atypischen Beschäftigung. Wir brauchen eine Stärkung der Kaufkraft, indem die Menschen bei Vollzeit so anständig und so gut bezahlt werden, dass sie ihr Leben eigenständig und in Würde führen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN   Dr. Diether Dehm (DIE LINKE): 10 Euro!)

Wenn wir über den mittelfristigen Finanzrahmen reden, über die Notwendigkeit einer weiteren Strukturförderung und von weiteren Wachstumsimpulsen, dann wissen wir ziemlich genau, woher das Geld dafür kommen könnte, um in Infrastruktur, um in eine Reindustrialisierung in manchen Ländern zu investieren. Nach jahrelangem Druck, insbesondere von unserer Seite, haben wir am 21. Juni hier im Deutschen Bundestag die Einführung einer Finanzmarkttransaktionsteuer beschlossen. Und jetzt? Die Europäische Kommission hat im Rahmen der verstärkten Zusammenarbeit mit der Europäischen Union solide, sehr konkrete Vorschläge gemacht, und prompt beginnt die FDP ein Rückzugsmanöver mit Blick auf die Einführung der Finanzmarkttransaktionsteuer.

(Zurufe von der SPD: Pfui!)

Dabei brauchen wir diese Steuer dringend. Sie liefert Einnahmen für neues Wachstum in Europa, und sie nimmt dieses Geld von dort, wo diese Krise entstanden ist, nämlich vom Banken- und Finanzsektor, der uns maßgeblich in diese Krise hineingestoßen hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die EU-Kommission berechnet ein Aufkommen von 30 bis 35 Milliarden Euro. Im Vergleich zu den 1,6 Billionen Euro, die die europäischen Regierungen, die europäischen Staaten allein zwischen 2008 und 2010 für die Stabilisierung der Banken und für Wachstumsimpulse zur Verhinderung eines Absturzes der Konjunktur und des Wachstums eingezahlt haben, ist das wahrlich ein nicht zu hoch gegriffener Betrag. 30 bis 35 Milliarden Euro sind umgekehrt aber auch das Fünf- bis Sechsfache dessen, was im Augenblick zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit vorgesehen ist. Diese Steuer ist nicht nur gerecht, sie ermöglicht auch einen entscheidenden Wachstumsimpuls für Europa, und deshalb brauchen wir sie so schnell wie möglich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich erwarte von Ihnen, Frau Bundeskanzlerin, dass Sie Wort halten.

(Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wäre ja neu, Herr Steinbrück!)

Der seinerzeitige Beschluss im Deutschen Bundestag war wichtig, um die Unterstützung zu weiter reichenden Maßnahmen zu gewinnen, auch vonseiten der Opposition   Stichwort: Fiskalpakt. Das heißt, wenn es jetzt ein Abrücken gäbe von dem ehrgeizigen Bemühen, eine Finanzmarkttransaktionsteuer einzuführen, hätten Sie die Vertrauensbasis, gegebenenfalls auch für weitere Entwicklungen mit Blick auf Europa, bei denen Sie die Opposition an Ihrer Seite wünschen, verspielt. Unser Gedächtnis ist nicht so schlecht ausgestattet, als dass dies plötzlich aus unserer Wahrnehmung verschwinden würde.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sage voraus, Frau Bundeskanzlerin, dass meine Fraktion das bloße Ankündigen, das Lavieren, das Aufweichen und das Umdrehen dessen, was wir mit dieser Finanzmarkttransaktionsteuer verbinden, nicht durchgehen lässt.

(Beifall bei der SPD)

Genauso ist es bei einem anderen Stichwort – einem Trennbankensystem. Ich kann mich erinnern, dass ich für meine Fraktion, für meine Partei Mitte September ein Papier zur weiter gehenden Finanzmarktregulierung und Finanzmarktaufsicht vorgestellt habe.

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Das war damals schon ein alter Hut!)

Ich kann mich auch erinnern, wie das Echo aus Ihren Reihen darauf war, insbesondere zu dem Vorschlag, ein Trennbankensystem in Deutschland einzuführen. Verehrter Herr Schäuble, Sie hatten nun mehrere Monate Zeit und ein ganzes Ministerium zur Verfügung - ich hatte damals einen einzigen Mitarbeiter,

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

um etwas Vernünftiges vorzulegen.  - Ja, das ist der Unterschied zwischen den Ressourcen, die die Regierung hat, und den Ressourcen, die die Opposition hat.   Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Herr Schäuble hatte sechs Monate Zeit, um zum Thema Trennbankensysteme etwas Vernünftiges auf den Weg zu bringen. Herausgekommen ist eine Lösung „Trennbanken light“, die von Ausnahmen und Auslassungen nur so wimmelt. Von einigen wenigen Banken werden einige wenige Geschäfte ein wenig abgetrennt, so, dass wir niemandem richtig wehtun, nach dem Motto: Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Das ist das, was Sie mit Ihrem Vorschlag zu Trennbanken jetzt auf den Weg gebracht haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben die Druckmaschinen angeworfen und das als riesigen Erfolg verkauft. Sie haben hübsche Etiketten auf leere Flaschen geklebt. Aber was bleibt übrig? Ein Etikettenschwindel. Aus Ihren eigenen Reihen ertönt bereits vorauseilender Widerstand, zum Beispiel von Herr Flosbach   „Holzhammervorschläge“   oder von Herrn Wissing   „Scheinlösung“. Wir werden sehen, welche Halbwertszeit dieser Vorschlag für ein Trennbankensystem in Ihren Reihen hat.

Das nächste Stichwort ist die Bankenunion. Beenden Sie bitte Ihren Schleiertanz mit Blick auf die Fragestellung, wie eine Bankenunion in Europa aussehen soll. Wo wollen Sie hin? Wir haben in einem gemeinsamen Papier im Sommer 2012 mit Ihnen beschlossen:
Ein wesentliches Element der Wachstums- und Konsolidierungsstrategie ist die angemessene Beteiligung des Finanzsektors.

Ja. Wir debattieren in diesem Haus seit zwei Jahren über die Notwendigkeit, ein europäisches Abwicklungsregime einzuführen. Dabei geht es um eine europäische Abwicklungsbehörde und einen europäischen Restrukturierungsfonds, der nicht von den Steuerzahlern, sondern von den Banken selbst finanziert wird, weil sie diejenigen sind, die zur Finanzierung der Folgekosten herangezogen werden müssen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich glaube, dass es zwingend erforderlich ist, den ESM vornehmlich auf die Rekapitalisierung von Staaten zu konzentrieren, die es nötig haben. Das ist sinnvoller, als aus dem ESM eine Direktkapitalisierung von Banken vorzunehmen. Wenn das Ihre Meinung ist   mein Eindruck ist, dass das in Ihren Reihen ähnlich debattiert wird  , dann sollten Sie auf europäischer Ebene und uns auf nationaler Ebene zu Gesprächen über die Konstruktion eines solchen Restrukturierungsfonds, der von Banken finanziert wird, einladen.

Sie, Frau Bundeskanzlerin, sind eine Last-Minute-Kanzlerin.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie haben eine Neigung zum Nichthandeln, Noch-nicht-Handeln, Später-Handeln. Das merkt man Ihnen sehr genau an. So haben Sie laviert bei der Regulierung der Finanzmärkte. So haben Sie laviert mit Blick auf den jetzigen Vorstoß zum Trennbankensystem. So lavieren Sie im Augenblick mit Blick auf den Mindestlohn, den Sie nur unter einem anderen Begriff laufen lassen.

(Zuruf von der LINKEN)

Es gibt mehrere Punkte, bei denen man den Eindruck hat, dass Sie eher die Präsidentin eines Kabinetts sind.

Sie sind jedoch die Regierungschefin, die sich in die Niederungen dieser Politik begeben muss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt bei der Lebensleistungsrente, die ein Zynismus ist. Das gilt bei Mietrechtsänderungen, die eine Schwächung der Mieterrechte bedeuten. Das gilt bei einem Arbeitnehmerdatenschutzgesetz, das in Wirklichkeit ein Striptease des Arbeitnehmerdatenschutzes ist und bei dem Sie anschließend dem DGB sagen, Sie seien sensibilisiert. Das gilt bei der Scheinlösung einer Lohnuntergrenze. Das gilt bei der Energiewende, die in Deutschland nicht klappt.

(Heike Hänsel (DIE LINKE): Elf Jahre SPD-Regierung!)

Das gilt beim Betreuungsgeld. Das gilt bei der Finanzmarkttransaktionsteuer. Das gilt auch bei der Frage nach einem zukunftsweisenden Budget für die Europäische Union.
Da Sie sich bei all diesen Themen sehr unbestimmt verhalten, da Sie gern lavieren oder in Deckung bleiben, bleibt nur eine einzige Möglichkeit, nämlich dass andere diese Regierungsverantwortung übernehmen. Dazu ist die SPD mit mir bereit.

Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD - Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU)