Lars Klingbeil redet im Deutschen Bundestag zur Betreuungskommunikation im Einsatz der Bundeswehr.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir alle kennen die Situation, dass wir mit Soldaten im Auslandseinsatz, etwa in Afghanistan, oder mit Soldatinnen und Soldaten, die aus dem Auslandseinsatz
zurückgekehrt sind, im Gespräch sind. Wir Politiker hören dann eine ganze Reihe von Fragen.
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Eine Frage, die ich häufig höre, ist: Wieso können unsere Kameraden aus den Partnerländern kostenfrei und unbegrenzt mit ihren Familien telefonieren? Eine andere
Frage, die auch oft kommt, lautet: Warum ist es deutschen Polizisten in Afghanistan möglich, in den Unterkunftsgebäuden mit ihren Familien zu skypen?
Es gibt eine dritte Frage, die uns alle bewegen sollte. Das ist die einfache Frage der Soldatinnen und Soldaten: Warum ist uns das nicht möglich? Aus dieser Frage höre
ich einen gewissen Frust heraus. Ich höre außerdem die Vermutung heraus, dass man ihnen nicht genügend Wertschätzung entgegenbringt.
Ich will Ihnen ganz offen sagen: Ich hatte noch nie eine Antwort auf diese dritte Frage. Mich hat jedoch das Versprechen bewegt, das ich gegeben habe: Genau um
diese Herausforderung will ich mich kümmern. Heute tun wir das gemeinsam als Parlament, wir kümmern uns. Ich bin dankbar dafür, dass wir einen fraktionsübergreifenden Antrag auf den Weg bringen, der die Kommunikationsmöglichkeiten der Soldatinnen und Soldaten im Einsatz verbessern soll.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Antrag ist ein starkes Signal des Parlaments. Er ist ein Signal an die Soldatinnen und Soldaten, dass wir als Parlamentarier ihre Arbeit wertschätzen und ihnen Anerkennung zollen für das, was sie tun. Er ist zugleich ein starkes Signal an die Bundesregierung, endlich für Kommunikationsmöglichkeiten
zu sorgen, die sich auf der Höhe der Zeit befinden. Noch einmal: Hier senden wir ein starkes Signal.
Die SPD hat bei vorangegangenen Haushaltsberatungen gefordert, erstens das kostenfreie Telefonieren zu ermöglichen und zweitens die Kapazitäten für Internettelefonie auszubauen. Leider sind diese Anträge abgelehnt worden. Es ist aber richtig, dass wir nicht zurückblicken, sondern dass wir uns zusammen auf den Weg gemacht haben und heute diesen gemeinsamen Antrag verabschieden.
Der Kollege Brandl hat es gerade angesprochen, und ich kann es bestätigen: Wenn ich etwa in meiner Heimatstadt Munster, wo es viele Soldaten gibt, die gerade in Afghanistan waren, Gespräche geführt habe, dann waren wir in den Diskussionen immer sehr schnell beim Thema Betreuungskommunikation. Dabei ist es gar nicht viel, was die Soldatinnen und Soldaten erwarten. Es geht gar nicht um Standards, wie wir sie in deutschen Großstädten erleben. Die Soldatinnen und Soldaten sind sehr bescheiden, aber sie fragen: Warum ist es nicht möglich, dass ich in meinem Unterkunftsgebäude meinen Laptop aufklappen und mit meiner Familie skypen kann? Sie fragen: Warum ist es nicht möglich, dass ich mit meiner Freundin auch einmal länger als 30 Minuten kostenfrei telefonieren kann? – Wenn man sieht, dass das in anderen Nationen möglich ist, dann ist es umso notwendiger, dass wir diesen Antrag heute auf den Weg bringen.
Wir sind seit zehn Jahren in Afghanistan, und wir alle müssen uns fragen, ob wir mit diesem Antrag nicht ein bisschen spät dran sind. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu. Der technische Fortschritt hat uns aber auch neue Möglichkeiten eröffnet. Wir müssen uns als Politiker kritisch fragen, ob wir bei vorangegangenen Vertragsverhandlungen mit unseren Forderungen überhaupt auf die richtigen technischen Standards gesetzt haben.
Der Deutsche Bundestag definiert heute, was er im Hinblick auf die Betreuungskommunikation und die technischen Möglichkeiten für wichtig hält. Damit setzen wir Standards für künftige Einsätze, die kommen können. Es darf keinen Einsatz der Bundeswehr mehr geben, der nicht auf diese Standards zurückgreift, die wir heute in dem Antrag definieren. Die in den nächsten Wochen anstehenden Verhandlungen mit dem Ministerium versprechen spannend zu werden.
Der Kollege Schnurr hat bei einer Pressekonferenz, die wir mit den Initiatoren des Antrags abgehalten haben, gesagt: Unser Motto lautet: „Geht nicht“ gibt’s nicht. Das muss, glaube ich, in den kommenden Wochen die Leitlinie für das Parlament sein.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich will nicht verhehlen, dass ich mir gewünscht hätte, diesen Antrag gemeinsam mit allen Fraktionen auf den Weg bringen zu können. Die Streitereien und Differenzen zwischen Union und Linken können wir als Sozialdemokraten an dieser Stelle aber nicht befriedigen.
Vielleicht kommen wir irgendwann zu dem Punkt, dass wir in diesem Hohen Hause Anträge, die die Bundeswehr betreffen, auch gemeinsam verabschieden können.
(Wolfgang Gehrcke [DIE LINKE]: Das glaube ich eher nicht!)
Dieser Antrag sieht im Detail vor, in den Unterkunftsgebäuden eine Technologie vorzuhalten, die Videotelefonie ermöglicht. Dieser Antrag fordert die Bundesregierung
auf, ein Finanzierungskonzept vorzulegen, um das Ganze für die Soldatinnen und Soldaten kostenfrei bereitzustellen. Wir fordern auch die Aufhebung der 30-Freiminuten-
Regelung. Vor allem drängen wir darauf, dass die Möglichkeit auf ausreichende Privatsphäre bei der Kommunikation gewährleistet wird.
Ich sage Ihnen: Es geht bei diesem Antrag nicht nur um die Frage der Kommunikation. Bei diesem Antrag geht es auch um die die Frage nach der Attraktivität des Soldatenberufs. Wir alle wissen doch, wie schwierig es in den kommenden Monaten und Jahren wird, ausreichend Nachwuchs für die Bundeswehr zu bekommen.
Diejenigen, die bei der Bundeswehr ausscheiden, und diejenigen, die aus dem Auslandseinsatz zurückkommen, sind die wichtigsten Personen, wenn es darum
geht, Nachwuchswerbung für die Bundeswehr zu betreiben. Deswegen müssen wir erreichen, dass diese Soldatinnen und Soldaten sagen: Die Politik hat sich um uns
gekümmert. Die Politik nimmt uns ernst. – Wir setzen heute mit diesem Antrag ein wichtiges Zeichen.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist egal, ob jemand in den ersten Einsatz geht oder in den fünften, es ist egal, ob jemand nach Afghanistan oder in den Kosovo geht, es ist egal, ob wir von einem Mannschaftsdienstgrad oder von einem Offizier reden: Für alle diese Menschen ist die Trennung von Familie und Freunden eine große Herausforderung. Wir haben uns deswegen darum zu kümmern, dass es eine angemessene, umfangreiche und moderne Betreuungskommunikation gibt.
Ich will mich dem Dank anschließen, der von meinem Vorredner formuliert wurde. Ich will hier Herrn Brandl, Frau Brugger und Herrn Schnurr erwähnen, aber auch Herrn Koch, der an den Beratungen beteiligt war, die wir durchgeführt haben. Ich will mich beim Wehrbeauftragten bedanken, der, wie sein Vorgänger, immer wieder auf dieses Thema hingewiesen hat. Ich will mich auch beim BundeswehrVerband bedanken – ich sehe Vertreter des Verbandes oben auf der Tribüne –, der auch immer sehr aktiv war, wenn es darum ging, die Betreuungskommunikation zu verbessern.
Wir senden heute als Parlament einen Appell an die Regierung. Unser neuer Bundespräsident hat am Sonntag hier geredet und gesagt: „Was für ein schöner Sonntag!“ Ich glaube, dies kann ein schöner Donnerstag werden. Herr de Maizière, Sie haben es jetzt in der Hand, unsere Vorschläge umzusetzen. Wir wünschen Ihnen
dabei viel Kraft. Auf unsere Unterstützung können Sie sich verlassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich habe ich noch eine Minute Redezeit; aber ich glaube, zu diesem Thema ist alles gesagt. Es wird Zeit, dass wir handeln. Vielen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Harald Koch [DIE LINKE])