Dr. Sascha Raabe (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Hänsel, Ihre Angst kann ich Ihnen nehmen. Auch Sie wissen, dass wir Sozialdemo­kratinnen und Sozialdemokraten uns natürlich immer für eine starke Parlamentsbeteiligung einsetzen.

(Dr. Andre Hahn [DIE LINKE]: Und deshalb stimmen Sie zu?)

Sie wissen, wie der vorliegende Antrag und die heu­tige Debatte zustande gekommen sind—wir beide sind ja im selben Ausschuss —: Ich habe bereits im Oktober letz­ten Jahres beim Entwicklungsministerium schriftlich an­gefragt, ob das Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der Westafrikanischen Wirtschaftsunion, wenn es von der EU als gemischtes Abkommen eingestuft wird, dem Parlament zur Ratifikation vorgelegt wird. Daraufhin hat mir im Oktober 2014, Herr Staatssekretär Fuchtel, das Ministerium schriftlich versichert: Wenn es ein gemisch­tes Abkommen ist, wird es dem Parlament zur Ratifika­tion vorgelegt.

Ich glaube, wir alle im Entwicklungsausschuss waren überrascht, als Staatssekretär Silberhorn wenige Wochen später sagte: Ja, dieses Abkommen ist zwar als gemischt eingestuft; aber nur die Bundesregierung wird es ratifi­zieren. — Ich betreibe hier im Bundestag seit 2002 auch Handelspolitik: Ich wusste gar nicht, dass es diese Mög­lichkeit gibt. Und deswegen habe ich daraufhin den Wis­senschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages ge­beten, ein Gutachten zu erstellen, das klärt, ob eine solche Ratifizierung möglich ist. Der Antrag von Grünen und Linken bezieht sich auf das Gutachten, das ich in Auftrag gegeben habe. Insofern können Sie mir abneh­men, dass auch wir von der SPD diese Frage sehr ernst nehmen.

Dieses Gutachten kommt zu dem Schluss — er ent­spricht eigentlich auch meiner Überzeugung —, dass Ar­tikel 59 Absatz 2 Grundgesetz recht eindeutig in der Frage ist, ob Verträge, die politische Beziehungen regeln, der Ratifikation durch ein Bundesgesetz bedürfen.

Ein Bundesgesetz kann natürlich nur der Gesetzgeber, das Parlament, und nicht die Regierung erlassen.

Auch ich habe in den letzten Wochen und Monaten gemeinsam mit Kollegen meiner Fraktion Gespräche mit zwei Verfassungsjuristen geführt, die uns beraten. Sie sind im Kern zu dem gleichen Ergebnis wie ich gekom­men. Handelsverträge können heute nämlich nicht mehr als rein gemeinschaftliche Politik betrachtet werden. Aufgrund der politischen Bedeutung muss trotz der Übertragung auf die EU-Ebene im Parlament beraten und beschlossen werden.

Ich kann Ihnen, Herr Kekeritz, aber eine gute Nach­richt übermitteln. Ich habe viele Gespräche mit unseren Ministern geführt. Ich habe am Dienstag dieser Woche von Sigmar Gabriel ein Schreiben bekommen, in dem er sich persönlich dafür einsetzt, dass der Bundestag auf je­den Fall einen Beschluss darüber fassen soll, der die Re­gierung bindet, ob sie ratifiziert oder nicht. Ich fmde, das ist schon einmal ein erster wichtiger Schritt, weil wir da­mit hier im Bundestag eine Debatte verbunden mit ei­nem Votum, das die Regierung bindet, führen würden. Eine solche Debatte wünschen Sie zu Recht.

Ein Wermutstropfen ist dabei gleichwohl, dass das Grundgesetz so eine Lösung aus meiner Sicht leider nicht vorsieht. Dort steht nämlich, dass die Ratifikation in Form eines Bundesgesetzes erfolgen muss und nicht durch einen einfachen Beschluss des Bundestages. Ein solcher Beschluss wäre auch deshalb eine schwächere Lösung, weil der Bundesrat nur durch die Verabschie­dung eines Gesetzes beteiligt wird. Es tut mir leid, wenn das Ganze jetzt ein bisschen fachjuristisch daherkommt. Aber wenn wir diesen Antrag ernst nehmen, dann müs­sen wir diese Feinheiten hier diskutieren.

Richtig ist aber auch, dass die Regierung ihre Auffas­sung natürlich nicht aus Boshaftigkeit vertritt; vielmehr gibt es Verfassungsressorts, in denen Beamte mit einer anderen rechtlichen Auffassung arbeiten. Ich sage wohl­gemerkt: eine andere Auffassung, als ich persönlich sie habe. Ich würde mir wünschen, Herr Staatssekretär Fuchtel, dass Sie mit dem federführenden Minister, mit Herrn Müller, noch einmal sprechen, dass wir uns noch einmal zusammensetzen, bevor dieser Antrag im Aus­schuss beraten wird und bevor er im Plenum zum zwei­ten Mal behandelt wird. Wir sollten auch noch einmal mit dem Justizministerium reden.

Es geht hier ja nicht um die Frage, ob wir für oder ge­gen dieses Abkommen sind; diese Frage behandeln wir später. Ich denke, in dieser Frage kann man je nach Par­teizugehörigkeit zu Recht verschiedene Positionen ver­treten. Aber wir alle als Parlamentarier müssten ja, ob wir der CDU, der CSU, der Linken, den Grünen oder der SPD angehören, ein Interesse daran haben, dass die Par­lamentsrechte stark bleiben.

Wir schaffen womöglich ein Präjudiz für die Zukunft;

(Uwe Kekeritz [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

denn wir betreten Neuland. Wenn wir als Parlament erst­mals zulassen würden, dass die Ratifikation eines ge­mischten Handelsabkommens nur auf Regierungsebene erfolgt, kann es passieren, dass bei späteren Abkommen eine ähnliche Einstufung vorgenommen wird. Das kön­nen wir alle nicht wollen.

Ich sage aber auch ganz klar: Die Angst, was CETA und TTIP betrifft, kann man sicherlich nehmen. CETA und TTIP — das haben die Regierung und der federfüh­rende Minister Sigmar Gabriel ganz klar gesagt — wer­den ganz sicher dem Bundestag zur Ratifikation vorge­legt.

(Christine Buchholz [DIE LINKE]: Das heißt gar nichts! Das sollten wir am besten gar nicht beschließen!)

Ich bin Sigmar Gabriel auch dankbar — Sie wissen, dass ich nicht immer einer Meinung mit meinem Wirt­schaftsminister bin, auch wenn ich der SPD angehöre —, dass er in Brüssel als einer der wenigen Minister einer europäischen Regierung ganz klar sagt: Ich möchte, dass diese Abkommen in Brüssel als gemischte Abkommen eingestuft werden. Ich möchte, dass das Parlament da­rüber debattiert und beschließt. — Da brauchen wir, glaube ich, keine Angst zu haben. Aber wir dürfen nicht nur an CETA und TTIP denken, sondern wir müssen auch an die anderen Abkommen denken. Deswegen ist es, glaube ich, richtig und wichtig, dass wir im Kern am Ende parteiübergreifend zu einer Lösung kommen und die Verfassungsressorts überzeugen, dass die Ratifikation möglichst hier im Bundestag erfolgen soll. Ich denke, Parlamentsrechte sollen stark bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Christine Buchholz [DIE LINKE] und Dr. Frithjof Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich glaube, es ist gut, dass wir uns hier auch generell über Handelsabkommen beraten. Als Entwicklungspoli­tiker wissen wir, dass Entwicklung nur durch fairen und gerechten Handel möglich ist. Deswegen werden wir hier sicherlich auch noch die Debatte fuhren, ob das Ab­kommen mit der Westafrikanischen Wirtschaftsunion in der jetzigen Form geeignet ist oder nicht und wie man es gegebenenfalls verbessern kann. Im Prozess ist es im Augenblick so, dass ja noch nicht einmal alle Vertrags­partner unterzeichnet haben. Erst wenn das geschieht, kommt es ins Europäische Parlament und danach zu uns, sodass durchaus noch ein bisschen Zeit wäre.

Ich möchte aber an der Stelle noch eine Sache anmer­ken, Herr Staatssekretär: Es gibt bereits das Abkommen mit den karibischen Staaten. Das ist seit sechs Jahren noch nicht ratifiziert, weil man wohl immer gewartet hat, bis die Abkommen mit den afrikanischen Staaten ver­handelt sind. Ich möchte Sie bitten, dass da jetzt keine Fakten geschaffen werden und keine Ratifikation durch die Regierung erfolgt, bevor wir die Grundsatzfrage ge­klärt haben. Ich glaube, dass wir dann auf einem ver­nünftigen Weg sind, wenn wir das hier ganz sachlich miteinander bereden.

In diesem Sinne bin ich auch dankbar, dass der Antrag uns die Gelegenheit gibt, darüber zu beraten. Die SPD wird dann als Gesamtfraktion, nachdem wir das noch einmal juristisch geprüft und bewertet haben, ent­scheiden müssen, wie wir zu dem Antrag stehen. Ich hoffe, dass er dann durch Regierungshandeln erledigt sein wird und die Ratifikation bei gemischten Abkom­men generell hier im Bundestag stattfindet, so wie das Artikel 59 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz aus meiner Sicht vorsieht.

Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)