Insbesondere die Frage, wie Deutschland mit den steigenden Flüchtlingszahlen umgehen soll, geriet in den Fokus. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann erklärte in seiner Rede vor dem Bundestag: „Die Debatte über abstrakte Obergrenzen führt nicht dazu, dass ein einziger Flüchtling weniger nach Europa kommt.“

Stattdessen plädierte Oppermann für die Einrichtung von Flüchtlings-Kontingenten innerhalb der Europäischen Union. Es gehe um eine „faire Verteilung“ unter den 28 Mitgliedsländern. Mit einer Kontingent-Lösung könne die EU auch die Kontrolle über ihre Außengrenzen zurückgewinnen. Er führte aus: „Nur mit sicheren Außengrenzen können wir verhindern, dass es zu einer Renationalisierung der Binnengrenzen in Europa kommt.“

Wenn die Türkei uns jetzt helfe, die Außengrenzen zu sichern, dann würden viele Flüchtlinge zunächst in der Türkei bleiben. Allerdings bräuchte die Türkei starke Unterstützung. Um ihr Flüchtlinge abzunehmen, seien seiner Meinung nach Kontingente die geeignetste Lösung, denn: „Wir würden die Kontrolle über die Außengrenzen zurückgewinnen und die chaotische Einreise von Flüchtlingen würde in ein geordnetes Verfahren unter Beteiligung des UNHCR überführt“. Außerdem würde, so Oppermann, die Schleuserkriminalität ausgeschaltet, und auch Frauen und Kinder bekämen die Chance, „als Flüchtling in Europa aufgenommen zu werden.“

Oppermann betonte, dass Deutschland fest an der Seite von Frankreich steht. Er kündigte an: „Präsident Hollande hat nach den Attentaten um Beistand gebeten. Selbstverständlich werden auch wir unseren Beitrag leisten.“

Breite Allianz gegen den Terror

Mit Blick auf den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) sagte Oppermann, das Bündnis müsse „breiter angelegt sein als die Nato. Dieser Kampf kann nur erfolgreich sein, wenn auch Russland und Regionalmächte wie Iran und Saudi-Arabien eingebunden werden. Also eine breite Allianz der internationalen Staatengemeinschaft.“

Der Fraktionsvorsitzende zeigte Verständnis für die Menschen, die nach den Anschlägen Angst hätten, mahnte aber zugleich: „Das darf nicht heißen, dass wir jetzt kopflos agieren. Denn genau diese Angst wollen die Terroristen verbreiten. Das dürfen und werden wir nicht zulassen.“

Oppermann dankte Bundesinnenminister de Maizière (CDU) für dessen Einsatz und Beson-nenheit und bekräftigte: „Wir werden mit Maß und Mitte unsere freiheitliche Gesellschaft verteidigen und die Debatte über innere Sicherheit nicht auf dem Rücken der Flüchtlinge austragen.“ Er warnte davor, einen Generalverdacht gegen Flüchtlinge aufzustellen, sie seien potenzielle Gefährder. Schließlich flöhen sie ja gerade vor den IS-Schergen.

Stärkung der Polizei und Sicherheitsdienste

Mit Blick auf die innere Sicherheit betonte Oppermann den Stellenaufbau (3000 zusätzliche Stellen) bei der Bundespolizei und die personelle und finanzielle Stärkung der Nachrichtendienste. Wichtig war für ihn in dem Zusammenhang auch die avisierte Reform des Bundesnachrichtendienstes, also des deutschen Auslandsgeheimdienstes. Hier bedürfe es klarerer Regeln und besserer Kontrolle. Oppermann sagte: „Was wir in diesen Zeiten neben der Polizei dringend brauchen sind effektive Nachrichtendienste, die sich mit ihren Partnern eng austauschen und so die Fundamentalisten und potentielle Gewalttäter im Blick haben.“

Er warb für stärkere Integrationsbemühungen: „Was nicht passieren darf, ist, dass weitere Parallelgesellschaften entstehen, die zu sozialen Brennpunkten werden. Ein Moolenbeek (prekärer Stadtteil von Brüssel - Anm. d. Redaktion) darf es in Deutschland nicht geben – und wenn es dies im Kleinen schon gibt, dann müssen wir etwas gezielt dagegen unternehmen.“ Denn gut integrierte Flüchtlinge seien immun gegen Hassprediger und Salafisten.

Integration größte Herausforderung des Jahrzehnts

Für den Fraktionschef ist die Integration die innenpolitische Herausforderung des Jahrzehnts. Oppermann: „Sprache, Kita, Schule, Ausbildung, Arbeitsmarkt, Wohnung, Werte und Regeln, das ist das ABC der Integration. Und dieses ABC muss jetzt auf allen Stufen durchbuchstabiert werden. Nicht kleckern, sondern klotzen, heißt die Devise.“

Er forderte ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht für Flüchtlinge, die sich in Deutschland gut integriert haben. „Wir müssen auch mehr Anreize schaffen, damit sich Integration lohnt", sagte Oppermann. Wer es in drei Jahren schaffe, die Sprache zu erlernen, eine Ausbildung zu machen und seinen Lebensunterhalt zu sichern, „der muss eine dauerhafte Perspektive unabhängig von seinem Flüchtlingsstatus bekommen“. Wer das nicht schaffe oder nicht wolle, müsse sich auf eine Rückkehr in sein Herkunftsland einstellen, wenn dort wieder sichere Verhältnisse herrschten.

Johannes Kahrs, haushaltspolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, lobte in der Debatte die gute Zusammenarbeit mit den Haushaltspolitikern der Union bei den Verhandlungen über den Haushaltsentwurf 2016 und sprach von einer „Kampfwertsteigerung“ gegenüber dem Regierungsentwurf. Mit dem Haushalt 2016 habe die Koalition „Vorkehrungen getroffen“ und solide gearbeitet. Er zeige, es würden keine Gruppen vernachlässigt. Auch den kommenden Entwurf im nächsten Jahr wolle man ohne neue Schulden abschließen.

Die SPD-Abgeordnete Sonja Steffen lobte den Haushalt als „nachhaltig und sozial gerecht“. Er betone dankenswerterweise auch die große Bedeutung von Regionalisierungsmitteln für Ostdeutschland.

Alexander Linden

 

Plenarrede von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann (25.11.2015):

[rede:6210756]