Die Anforderungen an Medienschaffende wachsen durch zunehmenden Populismus, Fake-News und Veränderungen aufgrund der Digitalisierung. Um eine freie und unabhängige journalistische Berichterstattung zu bewahren, will die SPD-Bundestagsfraktion die Rahmenbedingungen für den Journalismus ausbauen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat daher am 4. Juni 2019 ein Aktionsprogramm für freie und unabhängige Medien mit erweiterten Auskunfts- und Schutzrechten für Journalistinnen und Journalisten beschlossen.

Podiumsgast Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verband (DJV) und Professor an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln sowie freier Journalist, begrüßte mit Blick auf die Unwägbarkeiten und Schwierigkeiten im Alltag von Journalistinnen und Journalisten das Aktionsprogramm. Transparenz helfe gegen Korruption und sei Teil der Demokratie. Journalismus sei eine Dienstleistung der Demokratie und biete die Grundlage für einen gesellschaftlichen Diskurs.

Tina Groll, Bundesvorsitzende der deutschen Journalistinnen und Journalisten (DJU), Mitglied im Bundesvorstand der Fachgruppe Medien bei Ver.di sowie Redakteurin bei ZEIT ONLINE begrüßte ebenfalls das Aktionsprogramm und warb dafür, in Zeiten der Transformation gerechtere Arbeitsbedingungen für den Journalismus und verwandte Berufsgruppen wie etwa Datenanalytikerinnen und -analytiker zu schaffen. Statt der Einsparungen aufgrund einer vielzitierten aber nicht erkennbaren Medienkrise, bedürfe es des Ausbaus von Know-How und einer Verbreitung von Qualitätsmedien inklusive Förderung des lokalen Journalismus.

Jost Müller-Neuhof, rechtspolitischer Korrespondent des Tagesspiegels und Lehrbeauftragter für Rechtskommunikation im Fachbereich Rechtswissenschaft an der Freien Universität Berlin unterstützte ebenfalls die Ziele und Maßnahmen des Aktionsprogrammes und erläuterte die rechtlichen Möglichkeiten von Journalistinnen und Journalisten. Auskunft- und Transparenzpflicht von Behörden seien ein zu wenig beachtetes Element der Demokratie.

Martin Rabanus, erläuterte die große Bedeutung der freien Medien, so sei im Koalitionsvertrag verankert: „Demokratie braucht eine informierte und vielfältige Öffentlichkeit. Presse- und Medienfreiheit, Medienvielfalt und -qualität sind für uns grundlegende Werte, die wir insbesondere im digitalen Zeitalter stärken müssen. Nur ein freier Zugang zu Medien und Informationen, qualitativ hochwertige journalistisch-redaktionelle Angebote und die notwendige Medienkompetenz ermöglichen kommunikative Chancenfreiheit“.

Kern des Aktionsprogrammes seien:

  1. ein Gesetz zur Informationspflicht von Behörden des Bundes gegenüber den Medien (Medieninformationszugangs- und -auskunftsgesetz). Die derzeitige Rechtsunsicherheit für Journalistinnen und Journalisten sei nicht tragbar, deshalb wolle die SPD-Fraktion einen gesetzlich fixierten Anspruch der Vertreterinnen und Vertreter der Medien gegenüber den Behörden des Bundes auf Informationszugang. Die Behörden des Bundes sollten verpflichtet werden, den Vertreterinnen und Vertretern der Medien die zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgabe dienenden Informationen kostenlos, vollständig und sofort zu erteilen. Ein Entwurf der SPD-Bundestagsfraktion vom Februar sei derzeit noch in der Abstimmung mit der Union. Martin Rabanus betonte die Wichtigkeit des Gesetzes aus Sicht der SPD.
     
  2. Gesetz zur Stärkung der Presse- und Medienfreiheit zur Wahrung des Berufsgeheimnis- und des Informantenschutzes. Ziel der SPD sei es, in allen Prozessordnungen den gleichen hohen Berufsgeheimnisschutz sicherzustellen. Für Journalistinnen und Journalisten sowie andere Medienschaffende greife nach § 160a Absatz 2 StPO nur ein relatives Erhebungs- und Verwertungsverbot nach Maßgabe einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Die SPD-Bundestagsfraktion erarbeite daher aufgrund des Gesetzentwurfes der SPD zur „Stärkung der Pressefreiheit“ aus der 17. Legislaturperiode einen neuen Gesetzentwurf.
     
  3. Unterstützung/Förderung des freien investigativen Qualitätsjournalismus durch Instrumente wie neue Finanzierungsmodelle oder indirekte Fördermaßnahmen. Die SPD-Bundestagsfraktion prüfe unterschiedliche Maßnahmen zur Förderung des Journalismus mit dem Leitmotiv der Förderung freier und unabhängiger Medien sowie der Vielfaltssicherung. Bei der Wahl der Förderinstrumente wie etwa einem Stiftungs- oder Zustiftungsmodell sei klar, dass für Presse- und Medienangelegenheiten grundsätzlich die Länder zuständig seien und die notwendige Staatsferne sichergestellt sein müsse. Die Sozialen Bedingungen wie etwa mehr Schutz in den Sozialversicherungen bei Krankheit, in Zeiten ohne Arbeit und im Alter wolle die SPD-Bundestagsfraktion weiter verbessern, dazu gehöre auch die Künstlersozialversicherung.
     
  4. Mehr Hilfe und Schutz für Medienschaffende durch die Sicherheitsbehörden. Die Arbeit von Medienschaffenden sei gefährlicher geworden, sie würden mehr behindert, wie nicht nur der Fall des „Hutbürgers“ gegen ein Kamerateam des ZDF in Sachsen zeige. Es gehe nun darum, die Arbeit von Journalistinnen und Journalisten besonders zu unterstützen, z.B. durch die Ergänzung des bundeseinheitlichen Presseausweises.

Zudem schilderte Martin Rabanus zwei parlamentarische Initiativen im Bereich Medien: Der Geschäftsgeheimnisschutz vom März 2019 sei nach langen parlamentarischen Beratungen verbessert worden, indem der Schutz von Geschäftsgeheimnissen gesichert worden sei, ohne den verfassungsrechtlichen Auftrag der Medien zu beschneiden oder den Hinweisgeberschutz einzuschränken.

Am 27. Juni sei die Beratung des Datenschutzanpassungsgesetzes zur Umsetzung von Artikel 85 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf der Tagesordnung des Plenums. Ziel sei es, Datenschutz und Kommunikationsfreiheit in Einklang bringen. Auf Initiative der SPD‑Bundestagsfraktion sei die Bundesregierung nun über einen Entschließungsantrag aufgefordert, Artikel 85 auch für die Bereiche auszugestalten, die nicht Gegenstand der Mediengesetze der Länder sind.

In der anschließenden Diskussion stellte Frank Überall mit Blick auf Informationsfreiheiten fest, dass sich die Bundesbehörden bei einer erbetenen Auskunft zu oft „wegducken“ würden, was ein Skandal sei. Deshalb sei ein Gesetz zur Informationspflicht von Behörden des Bundes der richtige Weg. Journalistinnen und Journalisten seien auf Daten wie etwa des Inlandsnachrichtendienstes angewiesen, um aufklären zu können. Bereits jetzt sei es bei Landesbehörden nicht einfach, an klassifizierte Unterlagen heranzukommen, dies zeige die in Hessen ursprünglich geplante Frist von 120 Jahren (!) für die Herausgabe von NSU-Kontakten im Mordfall Lübcke.

Müller-Neuhof ermutigte zudem Journalistinnen und Journalisten, ihre Rechte auf Auskunft konsequent einzuklagen. Oftmals seien die Gründe von Behörden, Auskünfte nicht zu erteilen und somit Informationspflichten zu verweigern, wenig nachvollziehbar. Er halte es für einen Skandal wenn etwa eine Bundespressekonferenz antworte „Dazu geben wir grundsätzlich keine Auskunft“, denn dies sei in jedem konkreten Einzelfall begründungsbedürftig.

Groll ergänzte, dass wohl nur eine Minderheit privilegiert sei, das Presseauskunftsrecht zu nutzen, teilweise seien die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten „unterirdisch“, es gehe um grundlegende Unterstützungsformen.

Eine Initiative, die in der anschließenden Diskussion immer wieder angesprochen wurde, war die Bundesratsinitiative aus NRW zur „Änderung der Abgabenordnung zwecks Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Journalismus“ vom 29. Mai 2019. Ziel des Gesetzesantrages ist, die Förderung des Journalismus in den Katalog der gemeinnützigen Zwecke in die Abgabenordnung aufzunehmen, wobei nur nichtkommerzieller („gewinnzweckfreier“) Journalismus begünstigt werden kann. Eine solche Förderung der Gemeinnützigkeit sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung und stärke Vereine und Netzwerke wie Correctiv. Sie biete Chancen für den lokalen Journalismus, allerdings dürften dadurch nicht andere Geschäftsmodelle oder Arbeitsplätze gefährdet werden.

Berichte aus der Praxis und Vorschläge zur Förderung des (lokalen) Journalismus kamen beispielsweise von den Freischreibern, CORRECTIV, Investigate Europe, Stiftungsvertreterinnen und -vertretern wie der Rudolf-Augstein-Stiftung, dem Netzwerk Recherche sowie von VAUNET und der Medienanstalt Berlin-Brandenburg. Einigkeit gab es, dass auch andere Förderungen folgen müssten, wie etwa der verringerte MwSt.-Satz für digitale Medien, der Ausbau der sozialen Rahmenbedingungen und bessere Arbeitsbedingungen in der Branche (faire Vergütungsmodelle, angemessene Honorare, starke Urheberrechte etc.), Abgabepflichten für UTube & Co, Vertriebshilfen und natürlich der Ausbau der Medienkompetenz.

Die Diskussion zeigte die Vielseitigkeit des Themas, und Martin Rabanus dankte den Gästen ausdrücklich für die rege Beteiligung und die konstruktiven Vorschläge. Der nächste Medienpolitische Dialog ist im Oktober 2019 zu den Arbeitsbedingungen von Festen Freien Mitarbeitenden im Rundfunk geplant.