Interview zum SPD-Positionspapier zum Urheberrecht

Journalist Thomas Steiger über das Urheberrecht

In der Öffentlichkeit herrscht eine engagierte Debatte um das Urheberrecht. Neben Forderungen nach einer Kulturflatrate gibt es auch die Erwartung, alles im Netz kostenfrei zu machen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat in Form von zwölf Thesen Stellung bezogen zu den offenen Streitpunkten und sucht nun mit Nutzern Urhebern und Verwertern im Dialog nach fairen Lösungen. In einer Reihe kommen auf spdfraktion.de Protagonisten aus allen beteiligten Bereichen zu Wort, für die das Urheberrecht eine wichtige Rolle in ihrem Schaffen spielt und die sich kritisch mit den SPD-Thesen auseinandergesetzt haben. Diese Woche nimmt der Film- und Fernseh-Fachjournalist Thomas Steiger Stellung zu den zwölf Thesen der SPD-Fraktion.

Film-Fachjournalist Thomas Steiger
(Foto: Sabine Felber)

Sollte im Internet alles kostenfrei für jedermann verfügbar sein, wie es einige vorschlagen?

Keinesfalls. Die Entscheidung, etwas kostenfrei anzubieten, sollte jedoch beim Einzelnen liegen. Dabei sollte klar sein, dass Wettbewerber, die etwas kostenpflichtig anbieten, dadurch einen Wettbewerbsnachteil haben, der nur durch ein besseres Angebot ausgeglichen werden kann. Aber das ist der Preis einer freien Marktwirtschaft weshalb hier meines Erachtens kein Regelungsbedarf besteht.

Die SPD-Fraktion will den Urheber im Verhältnis zum Verwerter stärken und das Einkommen des Urhebers fair und angemessen gestalten. Wie kann das am besten geschehen, und wie könnte ein angemessenes Einkommen des Urhebers aussehen?

Ein angemessenes Einkommen ist ein Einkommen, das einerseits dem durchschnittlichen Lebensstandard der Branche, in der es erworben wird, entspricht. Es muss aber vielmehr auch den Wert widerspiegeln, dem die Leistung entspricht. Das ist bei immateriellen Gütern schwer zu beurteilen. Ein Hit ist naturgemäß mehr wert als ein Flop. Auch müsste man hier einen Unterschied machen, wer wie ins Risiko geht, was wiederum gegen die kreative Leistungskraft gestellt werden muss. Denn es ist bei weitem nicht so, dass erfolgreiche kreative Leistungen von anderen ebenfalls hätten gemacht werden können. Und wie sieht es mit journalistischen/wissenschaftlichen Beiträgen aus, die nur wenige lesen, die aber einen großen Wert für die haben, die die darin ausgearbeiteten Inhalte nutzen können?!
Auf jeden Fall muss der Urheber gegenüber dem Verwerter gestärkt werden. Das Urheberrecht hat für den Inhaber aufgrund von Abtretungsverträgen keinen Nutzen von seinem Recht. Es nutzt nur dem Verwerter. Erhält der Verwerter durch Regelungen wie das Leistungsschutzrecht eine bessere Position, muss sich dies zwingend in einem finanziellen Vorteil für den Urheber niederschlagen. Zudem muss der Urheber freier über sein Werk verfügen können – auch gegen die Interessen des Verwerters. Im TV-Bereich erhalten die Produzenten die Verfügung über ihre Produktionen nach sieben Jahren von den Sendern zurück. Der Urheber hat nichts davon. Der Urheber muss automatisch von den Verwertern Geld erhalten, wenn sie an seiner Kreativität verdienen. Außerdem muss das Verwertungsrecht nach einer gewissen Zeit automatisch an den Urheber zurückfallen (Bei Gemeinschaftswerken wie Film muss eine andere Regelung gefunden werden, um zu garantieren, dass andere ihre Interessen weiter ausüben können, etwa indem eine temporäre Zwangslizenz vergeben wird).

Die SPD-Fraktion lehnt eine Kulturflatrate als allgemeine Pauschale für jedermann ab, kann sich aber pauschale Vergütungsmodelle in Teilbereichen wie bspw. Musik und Film vorstellen. Wie ist Ihre Meinung dazu?

Das kann ich mir auch vorstellen, vor allem deshalb, weil es das schon gibt. Es nennt sich GEMA, VG Wort, VG Bild, GEZ bzw. bald Haushaltsabgabe sowie Filmförderung. Gegebenenfalls müssen sie jedoch einen 'gerechteren' Verteilungsschlüssel erarbeiten bzw. anders bzw. mehr Abgaben erheben (die GEMA geht da ja im Augenblick voran).
Fernsehproduktionen der ARD und des ZDF werden zu 100 Prozent von den Zuschauern gezahlt, weshalb es zu diesen Produktionen einen uneingeschränkten Zugang ohne weitere Kosten ab Erstausstrahlung geben sollte (ergo: Abschaffung der 7-Tage-Regelung). Für mit Steuergeldern geförderte Filme sollte ab einem bestimmten Punkt ebenfalls eine totale Freigabe erfolgen. Die skandinavischen Filmförderer denken da inzwischen schon drüber nach.

Eine Sperrung eines Internetanschlusses bei einer – bewusst oder unbewusst – begangenen Urheberrechtsverletzung betrachtet die SPD-Fraktion als nicht verhältnismäßig. Wie könnten Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums im Netz aussehen, ohne jedoch Kontrollmechanismen und -strukturen zu etablieren?

Für eine Antwort reichen meine technischen Kenntnisse in diesem Bereich nicht aus. Zudem lässt sich jede Maßnahme früher oder später umgehen, so wie die Sperrung von YouTube-Videos durch die GEMA mit Hilfe des Add-Ons 'Stealth'.

Die Erfahrungen mit den Sharehostern kino.to und megaupload.com zeigen, dass Plattformbetreiber, deren Geschäftsmodelle auf die massenhafte Verletzung geistigen Eigentums ausgerichtet sind, schon heute wirksam bekämpft werden können. Wie sollten dennoch die Regelungen zur Verantwortlichkeit von Hostprovidern neu justiert werden? Sollten die inkriminierten Inhalte entfernt werden?

Illegale Inhalten sollten entfernt werden. Sie tauchen zwar woanders wieder auf, aber einerseits verlangsamt es die Verbreitung und es setzt ein Zeichen. Bei der Verantwortlichkeit bin ich gespalten. Natürlich ist deren Auskunft sehr hilfreich. Aber so wie es das Postgeheimnis für Briefe und Telefon gibt, muss es auch ein Datengeheimnis geben, das in meinen Augen die logische Fortsetzung des Postgeheimnisses in der digitalen Welt ist. Daher darf es keine Providerauskunft geben. Außerdem sind die Zuordnung von IP-Adressen nicht akkurat, und sie lassen sich über VPNs verschleiern. Betroffen sind dann wieder nur die ‚Kleinen und Doofen‘.

Wie ist Ihre Meinung zu dem Papier „Zwölf Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht“ der SPD-Fraktion insgesamt? Haben Sie darüber hinaus Anregungen?

Ich habe das Papier mit Interesse gelesen und stimme den Thesen zu. Insbesondere die Punkte 11 und 12 finde ich wichtig. Sie sollten mit Priorität behandelt werden. Damit einher geht auch eine Verkürzung des UR nach dem Tod. Erben ist zwar schön, aber irgendwie sollte es eine Vergütung doch nur für eine (eigene) Leistung geben. Zehn Jahre erscheinen mir da als genug.
Viele Urheberrechtsprobleme im Film und TV-Bereich gibt es aufgrund von Vertriebsstrukturen und dem Schutz derselben. Wäre etwa eine US-Serie zu einem akzeptablen Preis zeitgleich zur Erstausstrahlung erhältlich, oder würde die Fensterregelung im Kinobereich flexibler gehandhabt, würden viele nicht unbedingt auf den einzigen Weg zugreifen, der diese Inhalte überhaupt erhältlich macht: illegale Downloads. Hier Abhilfe zu schaffen, ist Sache der Industrie. Die Politik kann aber flankierend klar machen, dass sie nicht bereit ist, überholte Geschäftsmodelle zu schützen.

www.thomas-steiger.com

Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, und Burkhard Lischka, rechtspolitischer Sprecher, erläutern die wichtigsten Forderungen der SPD zum Streit um das Urheberrecht.

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