Die Wirtschaft wandelt sich rasant. Ganze Volkswirtschaften stehen im Zeitalter der Digitalisierung und Vernetzung vor großen Herausforderungen. Es geht um Informatisierung, Ressourceneffizienz, intelligente Fabriken und Individualisierung von Produkten. Kurz: eine vierte industrielle Revolution (nach Dampfmaschine, Fließbändern und Automatisierung). Diese Entwicklung wird unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst.

Dahinter verbirgt sich eine Hightech-Strategie, Techniken dem digitalen Zeitalter vollständig anzupassen und alle Firmenbereiche (etwa Produktentwicklung, Produktion, Logistik, Kundenmanagement) internetbasiert zu vernetzen. Auf der anderen Seite wird die Frage diskutiert, welche Rolle Arbeitnehmer bzw. „menschliche“ Arbeitsplätze künftig einnehmen.

SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil lud zu einem Pressegespräch, um die Vorstellungen der SPD-Bundestagsfraktion in Bezug auf Industrie 4.0 zu erläutern.
Heil sagte, mit der Strategie Industrie 4.0 betrete Deutschland zwar kein Neuland, dennoch gebe es „unkartierte Bereiche“. Deshalb müsse die Wirtschaft mit der Forschung, der Politik und den Gewerkschaften über drei wesentliche Dinge diskutieren: ökonomische Rahmenbedingungen, Gestaltung der Arbeitswelt und IT-Sicherheit.

Welche Rolle spielt der Mensch künftig?

Bei der Digitalisierung existiere Aufholbedarf, so Heil. Insbesondere die Existenzgründung müsse erleichtert werden, dazu gehöre die Bereitstellung von Wagniskapital. „Wir wollen, dass die Regierung Rahmenbedingungen für Gründungs- und Wachstumsfinanzierung verbessert“, sagte Heil. IT-Startups müssten leichter an Wagniskapital herankommen und von bürokratischen Lasten befreit werden.

Welche Rolle spielt künftig der Mensch, wenn Maschinen immer besser miteinander kommunizieren? Wie entwickeln sich Berufsbilder? Solche Fragen gelte es zu erörtern bei der vierten industriellen Revolution und ihrer Arbeitswelt.

Die IT-Sicherheit schließlich sei eines der wichtigsten Anliegen. „Big Data ist ein großes The-ma“, sagte Heil. Hier bedürfe es einer Regulierung, die den Spagat finde zwischen Daten-schutz auf der einen Seite und Innovationsmöglichkeiten von Firmen, deren Geschäftsmodelle auf Dateninformation beruhen, auf der anderen. Flexibilität und Sicherheit „müssen neu vermessen werden“, forderte der SPD-Fraktionsvize.

Die Sorge der Wirtschaft vor Datenspionage sei groß. Es gehe um Geschäftsgeheimnisse, denn: „Daten sind die Währung der Zukunft“, so Heil. Um die Wirtschaftsspionage erfolgreich abwehren zu können, müsste die Industrie auch technisch gut gerüstet sein.

Standortvorteile Deutschlands nutzen

Insgesamt, bilanzierte Hubertus Heil, müssten Wirtschaft, Politik und Gewerkschaften weiter denken. Als Beispiel für die Notwendigkeit der Weiterentwicklung nannte er den IT-Anteil bei der Wertschöpfung eines Autos. Der liege im Moment bei 30, künftig jedoch bei 60 Prozent.

Im Dialog sollten nun Instrumente entwickelt werden, die den Standortvorteilen Deutschlands – industrielle Wertschöpfung und innovativer Mittelstand – weiterhin gerecht werden. Dazu zählten der stärkere Breitbandausbau und ein massiver Einbezug der Forschung. „Hier müssen mehr Cluster gebildet werden“, sagte Heil. Es gehe einerseits darum, Ängste zu nehmen, und andererseits, eine strategische digitale Industriepolitik zu kreieren. Um vor allem den Mittelstand dabei zu unterstützen, müssten mehr Wachstumsfinanzierungen angeschoben werden, zum Beispiel durch die Förderprogramme der KfW-Bankengruppe. Eher kritisch sieht Heil Maßnahmen wie crowdlanding (Geld verleihen). Das sei noch ziemlich unreguliert, Stichwort grauer Kapitalmarkt.

Bessere Abschreibungsmöglichkeiten?

Heil brachte als weitere Möglichkeit zur Mobilisierung von mehr privaten Investitionen bessere Abschreibungsbedingungen für die Unternehmen ins Gespräch. „Ich finde, dass wir die Debatte darüber mit offenem Visier führen sollten.“ Man könne die Abschreibungen auf Ausrüstungsinvestitionen generell verbessern oder diese Vergünstigungen etwa auf Investitionen in der Informationstechnik konzentrieren.

Derzeit hält Heil bessere Abschreibungsmöglichkeiten vor allem wegen der Investitions-schwäche in Deutschland für überlegenswert. Es könne aber auch eine Lage eintreten, wo die konjunkturelle Entwicklung das erfordern könnte. Allerdings sehe er derzeit zwar eine schwächere Wachstumsentwicklung, aber noch keine Rezession heraufziehen. Es bestehe kein Anlass zu Angst und Panik, sagte er.

Bei ihrer Hightech-Strategie Industrie 4.0 will die SPD-Bundestagsfraktion die Regierung unterstützen. An diesem Montag lädt die Fraktion zu ihrem alljährlichen Wirtschaftsempfang. 800 Teilnehmerinnen und Teilnehmer haben sich angekündigt, um in verschiedenen Panels zu diskutieren. Dazu zählen die Konzepte Industrie 4.0, Arbeit 4.0 und Rahmensetzung 4.0. Am Abend wird der Vorstandsvorsitzende von Siemens, Joe Kaeser, ein Grußwort halten. Ebenso reden werden der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann sowie Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel.

Hier geht es zur Plattform Industrie 4.0.

Hier findet sich die Strategie zu Industrie 4.0 der Bundesregierung.

 

Alexander Linden