Die Internationale Grüne Woche ist die Leistungsschau der Land- und Ernährungswirtschaft. Jährlich kommen rund 400.000 Besucherinnen und Besucher, um Lebensmittel aus der Region und aus aller Welt zu verkosten, Tiere zu erleben und sich über die moderne Produktion unserer Nahrungsmittel zu informieren. Mit einer Gesamtwertschöpfung von 161 Milliarden Euro sichere dieser Wirtschaftszweig allein in Deutschland rund 4,6 Millionen Arbeitsplätze, heißt es im Antrag.

Mit ihrem Antrag zur gesunden Ernährung setzen SPD und Union den Koalitionsvertrag um, und sie setzen damit Impulse für eine gesunde Ernährung. Gemeinsam mit ihrem Koalitionspartner will die SPD-Bundestagsfraktion gegen den Anstieg ernährungsbedingter Erkrankungen vorgehen. Im Mittelpunkt des Koalitionsantrags steht dabei die Ernährung von Kindern und Jugendlichen.

Ombudsstelle gegen Preisdumping im Handel einrichten

„Wir wollen und können den Menschen nicht einen bestimmten Lebensstil vorgeben“, sagte SPD-Fraktionsvizin Ute Vogt. Gleichwohl trage die Politik die Verantwortung dafür, dass Lebensmittel sicher sind. „Und zwar unabhängig davon, wo die Lebensmittel gekauft werden“, ergänzte sie. Lebensmittel müssten gesund und bezahlbar sein, so Vogt: „Das ist ein soziales Grundrecht“. Trotzdem gebe es immer wieder Missstände. Erst vor wenigen Tagen sei wieder von zu vielen Antibiotika in Putenfleisch zu lesen gewesen. Außerdem habe einer Studie des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) festgestellt, dass gerade billiges Fleisch besonders häufig mit antibiotikaresistenten Keimen belastet sei. „Wir sind in der Verantwortung, Fehler die im System liegen aufzuheben“, stellte Vogt klar. Dazu gehörten auch die Entlohnung und die Arbeitsbedingungen in der Branche sowie die Frage der Tierhaltung. Die vier großen Konzerne im Lebensmittelhandel rief Vogt dazu auf, den Wert der Lebensmittel nicht durch Preisdruck auf die Lebensmittelhersteller zu diskreditieren. Um gegen dieses Preisdumping „des Oligopols“ vorzugehen, forderte die SPD-Fraktionsvizin eine Ombudsstelle, der derartige Praktiken gemeldet werden können.

Menschen fordern gesunde und sichere Lebensmittel von der Politik

„Alle Menschen müssen essen – klingt banal, ist es aber nicht“, sagte die verbraucherschutzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Elvira Drobinski-Weiß. Ernährung sei ein Politikfeld, das existenziell sei und dies habe eine aktuelle Allensbach-Studie bestätigt: „Die Menschen fordern von der Politik gesunde und sichere Lebensmittel.“ Dafür habe das Parlament zu sorgen, stellte Drobinski-Weiß fest. Das Thema bewege die Menschen. Es sei unstrittig, dass die meisten „sich und ihre Kinder gesund ernähren wollen“. Nur das gelinge nicht immer oder nur unter Mühen und Anstrengungen. „Wir wollen das ändern“, sagte sie. Deshalb greife der Antrag die Ursachen dieser Schwierigkeiten auf: „Es muss für alle Menschen leichter werden, sich gesund zu ernähren. Und zwar unabhängig vom Geldbeutel und Schulabschluss“. Kinder und Eltern würden heute mit Angeboten und Werbung für ungesunde Lebensmittel überflutet: „Diese Flut wollen wir eindämmen“, versprach Drobinski-Weiß. 

Nahrungsmittel werden in Deutschland nicht mehr wertgeschätzt

Jeannine Pflugradt, zuständige Berichterstatterin der SPD-Fraktion im Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft, stellte heraus, dass sich „heutzutage die Menschen weniger Zeit für ihre Mahlzeiten nehmen“. Essen sei kein Erlebnis mehr, sondern reine Nahrungsaufnahme. „Selten werde regelmäßig im Familienverband Essen genossen“, so Pflugradt. Die ständige Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln in Deutschland führe vielmehr dazu, dass  „wir uns über die Werte des Essens und Trinkens zu wenig Gedanken machen“. Nahrungsmittel würden nicht mehr richtig wertgeschätzt.

86 Prozent der vorzeitigen Todesfälle sind Folge falscher Ernährung

„Gesunde Ernährung ist die Grundlage für körperliche Gesundheit“, unterstrich die Patientenbeauftragte der SPD-Fraktion, Helga Kühn-Mengel. Für immer mehr Menschen entwickle sich die Ernährungssituation zum Risikobereich. „Über die Hälfte der Erwachsenen und etwa 15 Prozent der Drei- bis Siebzehnjährigen sind übergewichtig“, berichtete sie. Dies führe laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) dazu, dass die Folgeerkrankungen deutlich zunehmen. „In Europa verursacht dies 86 Prozent vorzeitige Todesfälle und 77 Prozent der Krankheitslast“, machte  Kühn-Mengel deutlich. Letzteres habe die Deutsche Allianz gegen Nichtübertragbare Krankheiten (NCD Allianz) erst kürzlich dargestellt. Die Folgekosten für das Gesundheitssystem seien erheblich.

Die Ziele der Koalition in der Ernährunrgspolitik

SPD und Union wollen zu einem gesunden Lebensstil motivieren und darauf hinwirken, dass im Rahmen der nationalen Präventionsstrategie (Bestandteil des geplanten Präventionsgesetzes) die ausgewogene Ernährung ein zentraler Schwerpunkt wird. An Kindertagesstätten (Kitas) und Schulen sollen alle Kinder und Jugendlichen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern an einer den Standards der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) entsprechend gesunden Verpflegung teilhaben können. Denn vor allem Kinder aus bildungs- und einkommensschwachen Familien seien häufiger von Fehlernährung betroffen, heißt es im Antrag. Ziel der Koalition ist es: Allen Kindern die Chance auf ein gesundes Leben zu geben. Dazu solle in Kitas und Schulen für ihre Teilhabe an gesunder Ernährung gesorgt werden. Außerdem seien sie vor ungesundem Ernährungsverhalten zu schützen - unabhängig von Herkunft, Bildung und Einkommen.

Die Forderungen an die Bundesregierung

Die Koalition fordert die Bundesregierung unter anderem auf, bei der Entwicklung einer Präventionsstrategie darauf hinzuwirken, dass die gesundheitlichen Risikofaktoren unausgewogene Ernährung und Bewegungsmangel angemessen berücksichtigt werden. Auf EU-Ebene solle sich die Regierung dafür einsetzen, die Programme für Schulobst und Schulgemüse sowie für Schulmilch zusammenzuführen und so auszugestalten, dass eine Teilnahme der Bundesländer erleichtert wird. Die Qualität der Verpflegung in Kitas, Schulen und öffentlichen Kantinen soll zum Beispiel durch einen Ernährungs-TÜV und eine stärkere Verpflichtung der Anbieter auf Qualitätsstandards verbessert werden. Dies soll ein nationales Qualitätszentrum zukünftig kontrollieren.

Vorschlagen wird zudem, den Erwerb eines „Ernährungsführerscheins" für Grundschulkinder weiterhin zu ermöglichen und in weiterführenden Schulen auszubauen. Empfohlen wird auch eine Strategie für die Verringerung von Zucker, Fetten und Salz in Fertigprodukten. In Supermärkten soll es „quengelfreie" (süßigkeitenfreie) Kassen geben. Ebenso soll ein Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel in Grundschulen und Kitas gelten und die Ernährungsbildung an Schulen ausgebaut werden.

Anja Linnekugel