Die SPD-Bundestagsfraktion hatte aus diesem Grund vor einem Jahr ein Eckpunktepapier zur Reformierung des Geheimdienstes vorgelegt – als einzige Fraktion des Deutschen Bundestages. Die wesentlichen Punkte des Papiers sind nun in einen Gesetzentwurf der Bundesregierung eingeflossen, den der Bundestag jetzt erstmals beraten wird (Drs. 18/9041).
Zunächst ganz grundsätzlich: Sicherheit und Freiheit sind auch in Zeiten schwerster Terroranschläge in Europa keine unauflöslichen Gegensätze, sondern müssen im bestmöglichen Ausgleich zueinander stehen. Zur Gewährleistung unserer inneren und äußeren Sicherheit sind unsere Nachrichtendienste und deren Zusammenarbeit mit Partnerdiensten aus anderen Ländern unverzichtbar. Genauso wichtig sind aber auch rechtsstaatliche Einhegung und Kontrolle, die die Arbeitsfähigkeit des BND nicht beeinträchtigen, sondern im Ergebnis stärken soll.
Das Problem:
Für den BND ist die Auswertung von ausländischer Kommunikation, die tagtäglich über internationale Telefonleitungen, Kabel, Satellit, Richtfunk oder Kurzwelle geführt wird, eine unerlässliche nachrichtendienstliche Erkenntnisquelle. Aber: Bislang ist der wesentliche Arbeitsschwerpunkt „strategische Fernmeldeaufklärung“ gesetzlich ungeregelt. Der BND bediente sich fragwürdiger rechtlicher Konstruktionen, um Kabelzugriffe zu ermöglichen und die Anwendung deutschen Datenschutzrechts zu umgehen.
Nun wird eine externe Kontrolle in Form eines unabhängigen Gremiums aus Richterinnen und Richtern des Bundesgerichtshofes und einer Bundesanwältin oder einem Bundesanwalt verankert. Aber auch die parlamentarische Kontrolle wird gestärkt, indem beispielsweise Kooperationen mit ausländischen Partnern einer detaillierten Kooperationsvereinbarung unterworfen werden, über die das so genannte Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) im Vorfeld informiert werden muss. Mit der Reform wird keineswegs ein rechtswidriges Verhalten im Nachhinein legalisiert, sondern ein bisher ungeregelter Bereich wird für die Zukunft auf eine klare rechtliche Grundlage gestellt.
Die gesetzlichen Regelungen im Detail:
Eine Erhebung von Daten ausländischer Telekommunikation vom Inland aus ist nunmehr nur unter folgenden Voraussetzungen zulässig:
- Sie darf nur zur Gefahrenabwehr und zur Wahrung der staatlichen Handlungsfähigkeit sowie dann vorgenommen werden, wenn es das Auftragsprofil der Bundesregierung (APB) gestattet.
- Suchbegriffe mit EU-Bezug dürfen nur in engen Grenzen verwendet und Deutsche vom BND nur auf Grundlage des bewährten Artikel-10-Gesetzes erfasst werden.
- BND-Spitze und Bundeskanzleramt werden in die Verantwortung genommen: Für jede Erhebung ist eine Anordnung des Bundeskanzleramtes notwendig. Der BND-Präsident muss die Verwendung zulässiger Suchbegriffe mit EU-Bezug gesondert anordnen. Nichtwissen ist keine Entschuldigung mehr.
- Wirtschaftsspionage ist verboten.
- Verkehrsdaten, also die technischen Informationen zu einzelnen Kommunikationsvorgängen, dürfen nicht länger als sechs Monate gespeichert werden. Das ergibt eine sachgerechte Abwägung zwischen den Interessen der ausländischen Betroffenen im Ausland und der Notwendigkeit, nachrichtendienstliche Erkenntnisse zur Gefahrenabwehr zu gewinnen.
- Eine anlasslose Massenspeicherung erhobener Inhaltsdaten ist untersagt. Gespeichert werden dürfen nur nachrichtendienstlich relevante Kommunikationsinhalte, die durch Anwendung konkreter Suchbegriffe ausgefiltert worden sind.
- EU-Bürgerinnen und EU-Bürger werden weitgehend mit Deutschen gleichstellt. „Abhören unter Freunden“ ist dem BND nun grundsätzlich auch gesetzlich verboten.
Bislang war der Geheimdienst der Auffassung, Daten aus Ausland-Ausland-Kommunikation seien uneingeschränkt nutzbar und auch an Partnerdienste übermittelbar.
- Es wird nun gesetzlich festgeschrieben, dass für die Verarbeitung und Nutzung dieser Daten durch den BND im Inland – unabhängig davon, wo und durch wen sie erhoben wurden, – die gleichen Vorgaben gelten wie für Daten, die durch den BND im Inland erhoben werden. Auch die Datenschutz-Regeln des BND-Gesetzes gelten für diese Daten gleichermaßen.
- Es werden zudem klare Speicherfristen und Löschverpflichtungen festgelegt.
- Im Rahmen einer Kooperation mit einem ausländischen Partner sind Erhebung und automatisierte Übermittlung an Partnerdienste nur unter strengen Voraussetzungen zulässig: Vorab muss mit dem Partner eine detaillierte Kooperationsvereinbarung mit Ziel und Gegenstand der Zusammenarbeit sowie Datenschutzvereinbarungen geschlossen werden, über die auch die Mitglieder des PKGr im Vorfeld informiert werden müssen.
- Gemeinsame Dateien, die der BND zum Teil bereits jetzt nutzt, bedürfen einer detaillierten Dateianordnung, die vom Bundeskanzleramt genehmigt werden muss.
Das neue Gremium:
Weiterhin wird – in Ergänzung zum PKGr – ein originäres Kontrollorgan, das „Unabhängige Gremium“, gesetzlich verankert, das allein für die Fernmeldeaufklärung von Ausland-Ausland-Verkehren durch den BND zuständig ist.
Das Unabhängige Gremium, bestehend aus zwei Bundesrichterinnen oder -richtern und einer Bundesanwältin oder einem Bundesanwalt, gewährleistet die notwendige Kontrolle. Das Vorschlagsrecht liegt dabei bei der Präsidentin des BGH bzw. beim Generalbundesanwalt.
- Das Gremium muss grundsätzlich sämtliche Anordnungen im Vorfeld genehmigen. Ohne Anordnung ist dem BND keine Maßnahme im Inland erlaubt. Bestimmte Suchbegriffe mit EU-Bezügen müssen ebenfalls durch das Gremium in jedem Einzelfall genehmigt werden. Das Gremium prüft dabei die rechtliche Zulässigkeit, aber auch die Notwendigkeit der Anordnung. Es kann also Maßnahmen oder Suchbegriffe auch ablehnen, wenn es Zweifel an deren Erforderlichkeit hat.
- Das Gremium muss vom BND und vom Bundeskanzleramt unterrichtet werden, wenn unzulässige Erfassungen erkannt worden sein sollten. Zudem darf das Gremium die Einhaltung der Vorgaben jederzeit durch Stichproben kontrollieren.
- Die Kontrollbefugnis des PKGr, das halbjährlich durch das Unabhängige Gremium über seine Tätigkeit unterrichtet werden muss, bleibt dabei ausdrücklich unberührt. Es ist von der Kontrolle nicht ausgeschlossen, sondern aufgerufen, die Fernmeldeaufklärung des BND ebenfalls zu kontrollieren.
Der Bundesnachrichtendient wird in seiner Arbeit nicht behindert. Der Mehraufwand, der nunmehr erforderlich ist, wird sich auszahlen: Die Kontrollen verhindern unnötige oder gar rechtwidrige Erhebungen. Die SPD-Bundestagsfraktion bekennt sich hierbei zum deutschen Auslandsnachrichtendienst und hat deshalb seine aktuelle personelle und qualitative Stärkung vorangetrieben. Der BND bekommt nun eine klare rechtliche Grundlage und Regeln, die ihm mehr Rechtssicherheit geben und eine effektive Kontrolle – auch und gerade der Abteilung „Technische Aufklärung“ – gewährleisten.
Eva Högl, stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende, erwartet: "Der neue Präsident des BND Bruno Kahl muss sich diese Reform zu eigen machen und sich an die Spitze der Bewegung setzen".
Das Wichtigste zusammengefasst:
Das BND-Gesetz wird grundlegend reformiert und damit aktuellen Herausforderungen angepasst. Dadurch wird die Arbeit des Bundenachrichtendienstes rechtlich auf eine klare Grundlage gestellt und gesetzlich definiert, was der Geheimdienst darf und was nicht. Zudem soll ein weiteres Kontrollgremium eingesetzt werden. Die Maßnahmen gehen auf Konzepte der SPD-Fraktion zurück.
Alexander Linden