Der Otto-Wels-Saal im Berliner Reichstagsgebäude war bis auf den letzten Platz gefüllt. „Das Interesse an der Veranstaltung beweist, dass es an der Zeit ist, der beruflichen Bildung einen Schub zu geben“, SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann in seiner Begrüßung.

In einem waren sich die Anwesenden einig: Das Duale Ausbildungssystem ist einer der zentralen Gründe für Deutschlands wirtschaftliche Stärke. Denn die berufliche Bildung bringt mit Facharbeitern oder Meistern Beschäftigte mit Qualifikationen hervor, die es so in anderen Ländern gar nicht gibt. „Die ganze Welt beneidet uns um unsere Facharbeiter und darum, was sie können“, brachte es SPD-Fraktionschef Oppermann in seiner Begrüßung auf den Punkt. Mit Blick auf die Entwicklung in Richtung Industrie 4.0 würden sie sogar noch wichtiger. „Wir brauchen die Facharbeiter für die Fabrik der Zukunft.“

Zwischen Politik, Gewerkschaften und der Wirtschaft gebe es daher einen breiten Konsens darüber, wie wichtig die betriebliche Ausbildung für die Zukunft des Landes sei, sagte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Matthias Machnig. Gemeinsam mit Wirtschaft und Gewerkschaften arbeite die Bundesregierung in der „Allianz für Aus- und Weiterbildung“ daran, die Ausbildung für die Zukunft fit zu machen. Das Ziel der Allianz sei es, die berufliche Ausbildung attraktiver und sie gleichwertig zur akademischen Ausbildung zu machen.

Kein Grund zur Selbstzufriedenheit

Denn trotz des vielen Lobs ist klar: Bei der Dualen Berufsausbildung ist nicht alles Gold, was glänzt. „Wir haben Grund zur Zufriedenheit, aber keinen Grund zur Selbstzufriedenheit“, sagte SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil. Es gebe einen Widerspruch zwischen der Wahrnehmung von außen und den Befunden über die derzeitige Lage. Das heißt konkret: Die jüngsten Zahlen zum Ausbildungsmarkt geben durchaus Grund zur Beunruhigung. Derzeit stecken 260.000 junge Menschen in Warteschleifen zwischen Schule und Ausbildung fest. Gerade mal zwei Drittel der Ausbildungsinteressierten finden laut DGB-Ausbildungsreport einen Ausbildungsplatz, gleichzeitig klagen viele Unternehmen über unbesetzte Ausbildungsstellen, da sie keine qualifizierten Bewerber finden. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen geht die Ausbildungsquote zurück.

Jammern hilft nicht

In zwei Panels diskutierten die Podiumsgäste deshalb vor allem darüber, wie die berufliche Ausbildung wieder attraktiver werden kann, sowohl für die Auszubildenden als auch für die Betriebe. Dabei ist es für keine der beteiligten Parteien hilfreich, die Schuld bei angeblich nicht ausbildungsreifen Jugendlichen zu suchen. „Jammern hilft nicht, wir müssen die Jugendlichen so nehmen, wie sie aus der Schule kommen“, sagte Peter Clever aus der Hauptgeschäftsführung der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände.
Natürlich müsse man künftig vor allem durch frühkindliche Bildung möglichst früh die richtigen Weichen stellen, damit die Schulabgänger ausbildungsreif seien, sagte Willi Brase, der für die SPD-Fraktion im Bildungsausschuss sitzt. Das helfe den hunderttausenden Jugendlichen, die heute in der Warteschleife hingen, aber auch nicht weiter.

Die Lösung: Mit der Assistierten Ausbildung sollen die Betriebe künftig bei der Ausbildung leistungsschwächerer Jugendlicher durch Bildungsträger unterstützt werden.

Duale Ausbildung: das durchlässigste Bildungssystem

Einigkeit herrschte unter den Teilnehmern auch über ein zweites großes Problem der beruflichen Ausbildung: Sie hat gegenüber der akademischen Ausbildung einen schlechten Ruf. Wer die Möglichkeit hat, macht in der Regel Abitur und beginnt ein Studium.  „Wir haben vergessen, dass das Duale System das durchlässigste Bildungssystem ist, das wir haben“, sagte Rainer Spiering, Mitglied der SPD-Fraktion. Gerade unser technisierter Industriestandort biete unglaubliche Möglichkeiten für erfolgreiche Bildungskarrieren.

Das fängt schon beim Gehalt an: In vielen Bereichen hätten Facharbeiter deutlich höhere Einkommen als Menschen mit akademischen Berufen, erklärte der stellvertretende Geschäftsführer der DIHK Achim Dercks. Hier komme es künftig vor allem auf die richtige Berufsberatung an, die den Schülerinnen und Schülern schon frühzeitig die Vorteile und Bandbreite der beruflichen Bildung klarmacht. Elke Hannack aus dem DGB-Bundesvorstand sagte dazu: „Eine bessere Berufsberatung, vor allem auch in den Gymnasien, kann dazu führen, dass auch Jugendliche mit Abitur eben nicht direkt ein Studium beginnen.“

Wichtig dabei sei aber auch die Perspektive, die die Unternehmen den jungen Leuten bieten können, sagte die Vorsitzende der Jugendvertretung der Robert Bosch GmbH, Jennifer Müller. „Viele Jugendliche beginnen erst gar keine Ausbildung, wenn nicht klar ist, dass es auch eine anschließende Chance auf Übernahme gibt.“

Eines machte der Kongress deutlich: Bei der Frage nach einer guten beruflichen Ausbildung sitzen alle Beteiligten im selben Boot: egal ob Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften – sie alle haben ein Interesse daran, das erfolgreiche Ausbildungssystem zu erhalten und arbeiten in der Allianz für Aus- und Weiterbildung gemeinsam daran. Der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Ernst Dieter Rossmann, kündigte in seinem Schlusswort daher auch weitere Veranstaltungen an. „Was ist gute Berufsorientierung, wie schaffen wir Qualitätssicherheit in der Berufsberatung und Ausbildungsbegleitung?“ Es gebe beim Thema berufliche Bildung noch zahlreiche Fragen, die Gegenstand weiterer Gespräche sein müssten.

Fotos des Bildungskongresses der SPD-Bundestagsfraktion finden Sie hier.

 

Gero Fischer