Sie sind jetzt seit einem Jahr Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion.
Wie haben Sie dieses Jahr erlebt?
2014 war kein langweiliges Jahr – so viel steht fest. Ich hätte nie damit gerechnet, dass die SPD-Fraktion in einer Großen Koalition in so kurzer Zeit so viel umsetzen kann.
Als Erster Parlamentarischer Geschäftsführer sind Sie gerne mal in
die Offensive gegangen und haben den politischen Gegner attackiert.
Fiel Ihnen die Umstellung zum Fraktionsvorsitzenden schwer?
Die Arbeit in der Regierungsverantwortung verlangt andere Fähigkeiten
als die in der Opposition. In einer Koalition ist die Abteilung Attacke weniger
gefordert. Als Fraktionsvorsitzender geht es vielmehr um Ausgleich und
Moderation – nach innen wie nach außen. Insoweit bedeutet die neue
Aufgabe für mich sicherlich eine Umstellung. Aber ich kann Ihnen sagen:
Inhalte umsetzen ist noch schöner, alsnur drüber zu reden.
Stichwort Inhalte: Wie beurteilen Sie die Arbeit der SPD-Bundestagsfraktion im letzten Jahr?
Die Fraktion hat von Anfang der Legislaturperiode an gut und vor allem konstruktiv
gearbeitet. Das ist eine tolle Leistung, besonders der vielen neuen
Abgeordneten, die den Parlamentsbetrieb und seine Eigenheiten vorher
nicht kannten. Wir haben die Arbeit der Bundesregierung dabei immer kritisch
begleitet und häufig auch korrigierend eingegriffen. Denn am Ende
gilt nach wie vor das Strucksche Gesetz: Kein Gesetz verlässt den Bundestag
so, wie es hereingekommen ist.
Gibt es etwas, das aus Ihrer Sicht hätte besser laufen können?
Mehr geht immer. Ich bin aber sehr zufrieden
mit unserer Arbeit.
Die Koalition hat schon einige Vorhaben
aus dem Koalitionsvertrag beschlossen. Welche sind die bedeutendsten?
Wir haben bereits entscheidende Punkte aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt,
die dort auf Betreiben der SPDFraktion enthalten sind. An vorderster
Stelle sehe ich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns, die Verabredungen
zur abschlagsfreien Rente nach 45 Beschäftigungsjahren, die Reform
des EEG, die Mietpreisbremse und das ElterngeldPlus. Mit der Frauenquote
wird die Gleichberechtigung in den Vorstandsetagen und Aufsichtsräten
der Unternehmen einen gewaltigen Sprung nach vorne machen. Mit
der Übernahme des BAföGs durch den Bund sichern wir diese sozialdemokratische
Errungenschaft auf Dauer. Schaut man sich unsere Bilanz des letzten
Jahres an, wird klar: Wir regieren und verändern das Land.
Welche Rolle spielt die SPD-Bundestagsfraktion
mit ihren Mitgliedern generell für die Arbeit von Koalition und Regierung?
Die SPD-Fraktion versteht sich als treibende
Kraft in dieser Regierung. Wir arbeiten gemeinsam mit unserem Koalitionspartner an der Umsetzung des Koalitionsvertrages. Gleichzeitig ist die
Fraktion aber auch streitbar und diskussionsfreudig. Das ist wichtig, um
neue Ideen und alternative Lösungsansätze zu entwickeln.
Auffällig ist, dass die Große Koalition wesentlich geräuschloser arbeitet
als die Vorgängerkoalition. Woran liegt das, gibt es weniger
Streitpunkte?
Mit dem Koalitionsvertrag haben wir eine solide Basis für unser Regierungshandeln
geschaffen. Das ist ein entscheidender Unterschied zur schwarzgelben
Vorgängerregierung, die schon konzept- und planlos gestartet ist.
Dass der Koalitionsvertrag eine eindeutig sozialdemokratische Handschrift
trägt, macht seine Umsetzung für uns umso leichter. Das heißt natürlich
nicht, dass wir über manche Themen und Vorhaben nicht auch engagiert
mit unserem Koalitionspartner diskutieren und manchmal auch streiten. Wichtig ist am Ende nur, dass wir gemeinsam vertreten, was wir beschlossen haben.
Beschlossen sind bereits die Gesetze
zum Mindestlohn oder die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren.
Trotzdem stehen sie immer wieder in der Kritik, weil sie angeblich der Wirtschaft schaden. Ist die Kritik berechtigt?
Das ist Unfug. Im Gegenteil: Der Mindestlohn
wird die Kaufkraft deutlich anheben. Millionen von Arbeitnehmerinnen
und Arbeitnehmern erhalten die größte Lohnerhöhung ihres Lebens.
Gleichzeitig geben wir den Menschen das Gefühl, dass ihre Arbeit
einen Wert hat. Durch das Zahlen von Dumping-Löhnen bekommt man keine
guten und motivierten Mitarbeiter. Allein das wird sich positiv auswirken.
Mit der Rente ab 63 erkennen wir die Lebensleistung von langjährigen Beschäftigten
an und schließen bestehende Gerechtigkeitslücken. Missbrauch
durch Frühverrentung schließen wir dabei ausdrücklich aus.
Ich halte nichts davon, Gerechtigkeitsfragen und wirtschaftspolitische Erwägungen
gegeneinander auszuspielen.
Welche Themen und Vorhaben stehen für die SPD-Fraktion in den
nächsten Jahren im Vordergrund?
Wir haben schon viel geschafft, abernoch mehr vor. So stehen jetzt etwa
Maßnahmen zum Bürokratieabbau und die Fortschreibung der Energiewende,
insbesondere bei der Regulierung der Strommärkte, an.
Mit dem ersten ausgeglichenen Haushalt seit 46 Jahren haben wir Historisches
geleistet. Gleichwohl stellt sich die drängende Frage nach mehr öffentlichen
und privaten Investitionen, um auch in Zukunft unsere Wettbewerbsfähigkeit
zu erhalten. Der Bund wird in den nächsten Jahren zusätzlich 10 Milliarden
Euro investieren. Das ist zugleich ein wichtiges Signal und ein
substanzieller Beitrag.
Der Mindestlohn tritt am 1. Januar in Kraft. Welche weiteren Herausforderungen sehen Sie auf dem Feld der Arbeitsmarktpolitik?
Die gute Lage am Arbeitsmarkt darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass
auch weiterhin Reform- und Regulierungsbedarf besteht. Wir werden entschieden
gegen den Missbrauch von Werkverträgen und Leiharbeit vorgehen.
Aber auch die gleichbleibend hohe Zahl von Menschen, die länger als
ein Jahr keine Arbeit haben, darf nicht ignoriert werden. Ich finde, dass Arbeitsministerin Andrea Nahles gute
Konzepte vorgestellt hat, wie Langzeitarbeitslosigkeit bekämpft werden
kann. Ein wichtiges weiteres Thema wird
das anstehende Gesetzesvorhaben zur Wiederherstellung der Tarifeinheit sein. Damit werden Möglichkeiten zurKonfliktlösung zwischen Gewerkschaften
und in den Unternehmen geschaffen in Fällen, in denen
Tarifverträge unterschiedlicher Gewerkschaften
aufeinanderstoßen. Auf diese Weise stärken wir die Tarifautonomie,
ohne in das Streikrecht einzugreifen.
Hier ist die gesamte Ausgabe der Arbeitnehmerzeitung Gute Arbeit zum Downloaden zu finden.
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