Sie sagen, Angela Merkel ist mit ihrer schwarz-gelben Regierung gescheitert. Woran machen Sie das fest?

Sie macht Politik ohne Zukunft. Sie tut nichts dafür, dass dieses Land noch in zehn Jahren gut dasteht. Angela Merkels Konzept heißt nicht Gipfelpolitik, sondern Gipfel statt Politik. Das liefert schöne Fernsehbilder, ist aber keine Zukunftsvorsorge. Die Reformen des Arbeitsmarkts, der Wirtschaft und der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland sind das Werk von Rot-Grün. Unsere Politik hat dafür gesorgt, dass die Arbeitslosigkeit sinkt, die Sozialkassen wieder in der Balance sind und es den Deutschen besser als anderen um sie herum geht.

Der Titel des schwarz-gelben Koalitionsvertrages lautete „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“. Was wird von dieser Koalition übrig bleiben?

Bei Wachstum nichts, bei Bildung nichts und was den Zusammenhalt betrifft, so ist die Spaltung der Gesellschaft tiefer geworden. Was mich aber wirklich empört ist die Dreistigkeit, mit der Angela Merkel gerade ihren zweiten großen Wahlbetrug vorbereitet. Im Wahlkampf 2009 hat sie 24 Milliarden Euro Steuersenkungen versprochen, gekommen ist davon nichts außer der Dankeschönsteuersenkung für Hotelbesitzer.

Jetzt verspricht sie Wahlgeschenke von über 45 Milliarden Euro ohne auch nur einmal etwas zur Gegenfinanzierung zu sagen. Das ist Wahlbetrug mit Ansage.

Die letzten vier Jahre wurden vor allem bestimmt von der europäischen Krise. Wie lange wird uns dieses Thema noch beschäftigen?

Vier Jahre Krisenmanagement von Angela Merkel haben uns der Lösung der Krise in Europa kein Stück näher gebracht. Im Gegenteil: Die Staatsschulden sind weiter gewachsen, die Arbeitslosigkeit auch, Wachstum ist selbst in Deutschland kaum mehr vorhanden und ob wir das Geld aus all den Rettungspaketen jemals wiedersehen, weiß kein Mensch. Erst wenn es jemanden gibt, der sich ein Herz fasst und mutig in Wachstum und Arbeitsplätze investiert, die Regulierung der Finanzmärkte ernsthaft vorantreibt und klare Regeln für Verschuldung und Rückzahlung aufstellt, werden wir der Lösung der Krise näher kommen. Peer Steinbrück könnte das. Aber dafür brauchen wir eine Mehrheit im September für die SPD. Darum geht es.

Deutschland steht im Vergleich zu seinen europäischen Nachbarn gut da. Wie schwer fällt es da, Oppositionspolitik zu machen?

Überhaupt nicht. Bei den großen Fragen zu Europa habe ich meiner Fraktion oft gesagt: Schaut jetzt nicht auf Merkel. Fragt euch, was ihr tun würdet, wenn wir an der Regierung wären. Es gibt Leute, die sagen: Eine Opposition muss alles ablehnen, was von der Regierung kommt. Eine kleine Partei kann nach diesem Maßstab handeln, die Linke zum Beispiel. Hans-Jochen Vogel hat immer gemahnt: Die SPD sollte sich in der Opposition immer als eine „Regierung im Wartestand“ verstehen.

Die Menschen müssen das berechtigte Gefühl haben, dass sie uns jederzeit das Schicksal des Landes anvertrauen können. Dazu braucht man Haltung. Wenn Sie in der Europa-Politik in wichtigen Fragen die Spur verlassen, kommen sie nur schwer wieder rein.

Ob bei den Themen Mindestlohn, Atomausstieg oder zuletzt Mieten. Angela Merkel kopiert offenbar gerne die Vorschläge der Sozialdemokraten. Ärgert Sie das?

Nein, ich ärgere mich nicht. Wenn uns andere bei den Themen nachlaufen, heißt das, dass wir vorne sind. Unsere Themen bewegen die Menschen, von bezahlbaren Mieten bis hin zu gerechtem Lohn.

Mit ihrem „Projekt Zukunft“ hat die SPD-Fraktion mit Experten und Gesellschaft über die Zukunft des Landes diskutiert und konkrete Vorschläge gemacht. Dabei befi ndet sie sich nur in der Opposition. Wie passt das zusammen?

Das ist meine Idee von guter Oppositionsarbeit. Erstens wollte ich, dass die Fraktion nach vorn schaut und Ideen entwickelt, mit denen wir die Probleme von morgen lösen können. Ich wollte, dass wir uns auf neue Regierungsverantwortung vorbereiten und sich keiner in der Opposition einrichtet. Zweitens ging es mir darum, dass wir den Kontakt zu den wichtigen Gesprächspartnern in der Gesellschaft, zu Sozial- und Wirtschaftsverbänden, Künstlern und Wissenschaftlern, Arbeitnehmern, Auszubildenden, Schülern, Eltern, Kindern, Frauen und Männern nicht verlieren. Ich wollte, dass wir gemeinsam mit ihnen unsere Politik diskutieren und entwickeln. Und drittens wollte ich, dass die Fraktion miteinander gut arbeitet. Dass es am Ende so großartig funktioniert, hätte ich selber nicht gedacht. Aber ich bin natürlich sehr zufrieden damit.

Die SPD-Fraktion hat im letzten Jahr auch viele Zukunftsforen in den Regionen gemacht. Welche Bilanz ziehen Sie insgesamt zum „Projekt Zukunft – Deutschland 2020“?

Die Resonanz war sehr gut. Wir haben bewiesen, dass Opposition nicht heißt, zur Untätigkeit verdammt zu sein. Wir haben unseren Gestaltungsanspruch überall im Land gezeigt.

Das Wahlprogramm der Union geizt nicht mit Versprechen für die Bürger. Sind sie einzuhalten?

Nein. Frau Merkel hat jetzt vier Jahre lang gezeigt, dass sie es nicht kann. Sie hatte die Gelegenheit all die Dinge, die sie jetzt verspricht schon längst umzusetzen. Manches, wie die Mütterrente, stand schon vor vier Jahren in ihrem Programm. Sie hat es nicht gemacht. Jetzt schreibt sie es einfach wieder rein. Sie hat kein einziges zentrales Wahlversprechen eingelöst und jetzt verspricht sie schon wieder Wahlgeschenke von über 45 Milliarden Euro ohne einen einzigen Satz, wie sie das bezahlen will. Sie mag die Wähler für dumm halten – wir tun es nicht. Die SPD hat in elf Jahren Regierungszeit dem Land viel gegeben. Dank unserer Reformen ist Deutschland vom letzten auf den ersten Platz des Wirtschaftswachstums geklettert.

Unter Merkel ist nicht eine einzige Entscheidung gefallen, die unser Land auf Zeiten vorbereitet, in denen der Gegenwind wieder spürbar wird. Die leben in den Tag hinein und verfrühstücken den Reformvorsprung, für den wir im letzten Jahrzehnt geackert und gestritten haben. Unser Land braucht Zukunft. Die gewinnen wir nicht mit dem 46. und 47. Gipfel von Frau Merkel, sondern mit Mut und Entscheidungsfähigkeit und beides hat die SPD bewiesen.

Auch die SPD-Fraktion macht viele Vorschläge, die Geld kosten werden, z. B. der Ausbau der Ganztagsschulen oder eine flächendeckende Kita-Betreuung. Woher soll das Geld dafür kommen?

Wenn wir uns darüber einig sind, dass die Politik der Neuverschuldung ein Ende haben muss. Wenn wir uns einig sind, dass Investitionen in Bildung und Infrastruktur zentral für die erfolgreiche Zukunft unseres Landes sind: Dann kann und darf der Spitzensteuersatz kein politisches Tabu sein. Wir sagen: solide Finanzen müssen sein. Und dabei müssen starke Schultern mehr tragen als schwache.

Was werden die bestimmenden Themen in den nächsten vier Jahren sein?

Es wird erstens um gute Arbeit gehen. Es kann doch nicht sein, dass es in einem der reichsten Länder dieser Erde nach wie vor Menschen gibt, die einen Vollzeitjob haben und davon am Ende des Tages nicht leben können. Deshalb hat Peer Steinbrück angekündigt, dass der Mindestlohn das erste Gesetz einer Regierung Steinbrück sein wird. Es kann auch nicht sein, dass Unternehmen große Teile ihrer Stammbelegschaften durch Leiharbeiter ersetzen und dabei Dumpinglöhne zahlen. Es kann nicht sein, dass die Tarifeinheit gekippt und Gewerkschaften geschwächt werden. Das alles muss man korrigieren. Da gibt es viel, was wir in Ordnung bringen müssen.

Es wird zweitens auch um ein würdevolles Leben im Alter gehen. Wir wollen, dass alle, die ein Leben lang gearbeitet haben im Alter auch damit zu Recht kommen. Deshalb wollen wir die Solidarrente von mindestens 850,– Euro einführen. Und wir wollen die Leistungen der Pflegeversicherung verbessern, damit alte Menschen wirklich zu ihrem Recht kommen.

Und zuletzt geht es natürlich auch um die Zukunft unserer Kinder. Wir wollen, dass alle Kinder mit fairen Chancen ins Leben starten. Wir wollen verlässliche und gute Betreuung. Wir wollen, dass Eltern – Mütter und Väter – Arbeit und Familie vereinbaren können. Deshalb wollen wir auf absehbare Zeit flächendeckend gebührenfreie Bildung und Betreuung erreichen. Wir haben viel zu tun in den nächsten Jahren. Es lohnt sich dafür zu kämpfen.