Frage: Papst Benedikt XVI. redet im Bundestag, doch viele Abgeordnete auch ihrer Fraktion wollen fern bleiben. Ist der Papst nicht willkommen?

Antwort: Ich als Protestant sage: Das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche ist in Deutschland willkommen. Das wird der Besuch von Gottesdiensten und öffentlichen Veranstaltungen in Berlin, Erfurt und Freiburg zeigen. Der Papst wird eine Rede im Bundestag halten. Der Bundestag wird ihm seinen Respekt erweisen, ganz unabhängig von Konfessionszugehörigkeit und Ansichten zu seinen kirchenpolitischen Positionen.  Wenn aber einzelne Abgeordnete aufgrund ihres persönlichen Glaubens oder ihrer grundsätzlich kirchenkritischen Haltung der Rede nicht beiwohnen wollen, ist das zu respektieren.

Frage: Welche Botschaft erwarten Sie sich vom Papst?

Antwort: Der Papst wird in seiner Rede vor dem Parlament das berühren müssen, was die Menschen sorgt und die Politik umtreibt: Die Zukunft Europas. Papst und Kirche machen keine Politik. Aber die Kirche kann eine Vergewisserung über die Grundbedingung bieten, die uns 60 Jahre Frieden beschert hat, also die europäische Einigung.

Frage: Europa steckt in der Krise, die Währungsunion wackelt. Italiens Kreditwürdigkeit ist herabgestuft worden, Griechenland wäre ohne Hilfen längst pleite. Ist der Euro überhaupt noch zu retten?

Antwort: Die Krise wird nicht schon morgen vorbei sein. Niemand kann garantieren, welches Instrument die schnellste Rettung ermöglicht. Klar ist: Es wird nicht funktionieren, wenn die südeuropäischen Länder ihre Hausaufgaben nicht machen. Griechenland muss die notwendigen Einsparungen nicht nur versprechen, sondern auch durchsetzen.

Die italienische Regierung ist durch das Signal der Finanzmärkte gewarnt. Es mag Silvio Berlusconi gefallen oder nicht: Er muss sich jetzt auf Finanzpolitik konzentrieren. Wir Deutschen müssen uns klar sein, dass wir das größte Interesse daran haben, dass die Währungsunion nicht zerbröselt. Deutschland hat wie kein anderes Land vom Euro profitiert. Unsere Exportüberschüsse, die gute Bilanz am Arbeitsmarkt, unsere stabile Wirtschaft – all das wäre ohne die gemeinsame Währung nicht selbstverständlich.

Frage: Sind die Vereinigten Staaten von Europa mit der Vergemeinschaftung von Schulden die Lösung?

Antwort: Kurzatmiges Krisenmanagement reicht nicht aus. Wir müssen darüber hinaus denken. Im nächsten Schritt brauchen wir einen Zeitplan, eine Roadmap zur Beseitigung der Geburtsfehler der Währungsunion. Die gemeinsame Währung funktioniert nur mit mehr gemeinsamer Politik.

Es darf in Zukunft nicht mehr vorkommen, dass einzelne Mitgliedsstaaten Steuerdumping betreiben und dann, wenn die Kassen leer sind, nach Hilfe der Gemeinschaft rufen. Dafür brauchen wir eine gemeinsame wirtschaftspolitische Steuerung und dafür werden wir auch die europäischen Verträge anpassen müssen.

Das gilt nach meiner Überzeugung auch für die Fälle, in denen Notlagenstaaten europäische Hilfen in Anspruch nehmen. Hier muss es – trotz nationaler Budgethoheit – die Möglichkeit verbinderlicher europäischer Vorgaben geben.

Frage: FDP-Chef Philipp Rösler hat eine geordnete Insolvenz Griechenlands ins Spiel gebracht. Wäre es nicht tatsächlich einfacher, das völlig überschuldete Land pleite gehen zu lassen und den Kern der Währungsunion zu retten?

Antwort: Der Wirtschaftsminister hat den Schuss nicht gehört. Seit eineinhalb Jahren diskutiert ganz Europa über nichts anderes als die Tatsache, dass Griechenland kein Auskommen mit seinem Einkommen hat.
Die späte Erkenntnis von Herrn Rösler ist eine beschämende Banalität. Er benennt aber keine Auswege und Alternativen. Ihm geht es nicht um Europa, Griechenland oder den Euro. Er hat kurz vor der Berlin-Wahl verzweifelt versucht, die FDP über die Fünf-Prozent-Hürde zu bringen. Das ist unverantwortlich und eines Bundeswirtschaftsministers nicht würdig.

Frage: Sie bleiben bei der Forderung nach Entlassung aus dem Kabinett?

Antwort: Die selbsternannte Partei der Leistungsträger FDP ist in Berlin leistungsgerecht entlohnt worden - mit 1,8 Prozent Wählerstimmen. Wie sie damit umgeht, muss sie selbst wissen.

Frage: Richten Sie sich auf ein vorzeitiges Scheitern von Schwarz-Gelb ein?

Antwort: Der Vorrat an Gemeinsamkeiten ist aufgebraucht. Die Beteiligten haben sich nichts mehr zu sagen. Nur aus Angst vor dem Machtverlust wird die Koalition am 29. September bei der Abstimmung über die Erweiterung des Rettungsschirms irgendwie eine Regierungsmehrheit zustande bringen. Schwarz-Gelb quält sich dahin. Regiert wird nicht. Es drohen zwei Jahre Agonie.

Frage: Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hält es für unproblematisch, wenn die Regierung bei der EFSF-Abstimmung keine eigene Mehrheit hat.

Antwort: Vielleicht hat Wolfgang Schäuble Hinweise, dass die Koalition die Kanzlermehrheit nicht zustande bekommt und stapelt deshalb tief. Das wird aber nicht helfen. Denn unabhängig davon, wie SPD und Grüne abstimmen, ist eins ganz klar: Frau Merkel braucht die Kanzlermehrheit von 311 Stimmen. Sonst ist sie politisch gescheitert.

Frage: Ihre Partei fordert Neuwahlen. Warum bieten Sie der Kanzlerin nicht an, in einer Großen Koalition Verantwortung zu übernehmen?

Antwort: Wir können Neuwahlen nicht einfach herbeiführen. Das Grundgesetz zieht enge Grenzen. Die Regierung ist materiell am Ende. Wann sie formell endet, haben die Regierungsparteien in der Hand. Eins steht fest: Die SPD wird nicht der Ersatzspieler für eine FDP im Selbstzerstörungsprozess sein. Wenn das selbsterklärte Traumpaar Schwarz-Gelb in Scheidung geht, wird es nicht in Großer Koalition weitergehen. Wir sind nicht der Rote-Kreuz-Zug für die Union. Neue Mehrheiten gibt es nur durch Neuwahlen.

Frage: Bei der Euro-Rettung haben Sie der Kanzlerin doch schon Unterstützung zugesagt.

Antwort: Wir haben heftige Kritik an der Europapolitik der Bundesregierung geübt. Eine Politik ohne Linie, die ständig schwankt zwischen populistischer Attitüde und der Erinnerung an unsere Rolle in der europäischen Integration. Was die Bundesregierung jetzt dem Parlament vorlegt, ist in keinster Weise ausreichend, aber es ist das minimal notwendige. Deshalb haben Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel und ich im Sommer signalisiert, dem Rettungsmechanismus EFSF in der nächsten Woche zuzustimmen. Wir stehlen uns nicht billig aus der Verantwortung, die auch eine Opposition in Deutschland für Europa hat.

Frage: Falls die Regierung vorzeitig scheitern sollte, fehlt der SPD noch der Kanzlerkandidat. Sind Sie vorbereitet?

Antwort: Ich war immer der Überzeugung: Die SPD im Bund darf sich nicht auf Daueropposition einrichten. Seit 2009 sind wir weit gekommen. Wir bereiten uns auf Regierungsverantwortung vor. Und seien Sie sicher: Wir sind jederzeit aus dem Stand entscheidungsfähig, auch was die Person des Kanzlerkandidaten angeht.

Frage: Zählt Klaus Wowereit nach der Berlin-Wahl nicht zum Kreis der Anwärter?

Antwort: Klaus Wowereit hat es geschafft zum dritten Mal eine Landtagswahl zu gewinnen. Das ist eine großartige Leistung, ich finde das Klasse! Jetzt wird er an einer Koalition für seine dritte Amtsperiode als Regierender Bürgermeister arbeiten. Dabei helfe ich ihm nicht, wenn ich mit ihnen über Alternativen spekuliere.

Frage: Haben Sie mit Parteichef Gabriel und Peer Steinbrück nicht längst die Kandidatenfrage vorentschieden?

Antwort: Unsinn. Wir untereinander reden wesentlich weniger über die Kanzlerkandidatur als Journalisten. Wir haben einen Zeitplan und ein Verfahren. Die SPD wird frühestens im nächsten Herbst entscheiden - es sei denn, die Entscheidung wird wegen einer Insolvenz von Schwarz-Gelb früher notwendig.

Frage: Wird die Piratenpartei nach ihrem Sensationserfolg in Berlin zur Gefahr auch im Bund?

Antwort: Das sehe ich nicht. Aber ein Wahlergebnis von 8,9 Prozent in Berlin müssen wir ernst nehmen. Viele junge Leute sehen ihre Lebensrealität, die vom Umgang im und mit dem Internet geprägt ist, nicht genügend durch andere Parteien repräsentiert. Piraten zu wählen, ist aber auch ein Protest gegen die etablierten Parteien. Zu denen zählen jetzt auch die Grünen.

Frage: Deutschland und die Schweiz haben ein Steuerabkommen abgeschlossen – wird die SPD das Programm  stoppen?

Antwort: Herr Schäuble wird nachverhandeln müssen. Für dieses Abkommen bekommt er keine Mehrheit im Bundesrat. Es kann doch nicht sein, dass die Steuerflüchtlinge anonym bleiben und wir uns auch vertraglich verpflichten, Hinweisen nicht nachzugehen.