Herr Oppermann, wo steht Deutschland zwei Jahre nach dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise?
Oppermann: Die Situation in Deutschland ist entspannter, aber die Probleme sind nicht gelöst. Die Balkanroute ist weitgehend dicht. Nun wählen die kriminellen Schlepper den todbringenden Weg über die Sahara und das Mittelmeer. Dieses menschliche Drama müssen wir beenden..
Wie wollen Sie das erreichen?
Oppermann: Die internationale Gemeinschaft darf nicht zuschauen, wenn in Libyen zehntausende Menschen von Schleppern eingepfercht werden. Wir müssen zwischen die Flüchtlinge und die Schlepper kommen.
Wollen Sie Auffangzentren in Libyen wie ihr SPD-Kollege Boris Pistorius?
Oppermann: Wir müssen schon vor Libyen sichere Orte in den stabileren Ländern wie Mali, Niger und Ägypten schaffen, damit Flüchtlinge gar nicht erst in die Hände der Schlepper geraten oder sich von ihnen lösen können. Dort müssen diese Menschen versorgt und über ihre Möglichkeiten beraten werden, auch über Alternativen zur Flucht nach Europa.
Wie wollen Sie diesen Menschen Alternativen schmackhaft machen?
Oppermann: Die Menschen aus Westafrika suchen vor allem ein besseres Leben. Deswegen müssen wir Fluchtursachen stärker bekämpfen und in humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit investieren. Für Arbeitsmigranten aus der Region brauchen wir endlich ein Einwanderungsgesetz, damit wir ein einfaches und transparentes System schaffen, das die Einwanderung kontrolliert steuert. Leider blockiert das die Union. Das gehört zu einem umfassenden Ansatz in der Flüchtlingspolitik, der in Europa auch sichere Außengrenzen garantiert. Wir müssen über verabredete Kontingente die Flüchtlinge in Europa fair verteilen. Wer kein Asylrecht hat, muss schnell zurückgebracht werden.
Viele Länder in Europa machen dabei nicht mit. Wie wollen Sie diese Länder überzeugen, doch Flüchtlinge aufzunehmen?
Oppermann: Einige Länder weigern sich kategorisch, Flüchtlinge aufzunehmen. Das können wir nicht akzeptieren. Einige glauben, dass es selbstverständlich ist, aus den EU-Fonds Milliardenhilfen zu bekommen. Das ist ein Irrtum. Solidarität ist keine Einbahnstraße. Darüber werden wir bei den nächsten Haushaltsverhandlungen reden.
Wollen Sie Mittel streichen?
Oppermann: Deutschland hat Einfluss auf die Verteilung der Mittel. Länder, die keine Flüchtlinge aus Griechenland und Italien aufnehmen wollen werden deutlich weniger Geld bekommen. Die eingesparten Mittel kann die Europäische Union zur Fluchtursachenbekämpfung und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Afrika investieren.
Viele Flüchtlinge kommen auch aus Afghanistan. US-Präsident Trump will nun wieder mehr Soldaten schicken. Muss Deutschland das auch tun?
Oppermann: Dazu sehe ich keine Veranlassung. Donald Trump hat eine Entscheidung getroffen, die nicht mit den Partnerländern abgestimmt war. Ich sehe momentan kein Konzept, das uns dazu bringen könnte, mehr Soldaten zu schicken.
Trump will, dass Deutschland endlich Zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgibt. Sie sind dagegen. Hätten Sie sich das nicht schon 2014 überlegen sollen, als die SPD in der Ziel unterstützt hat?
Oppermann: Beim Nato-Gipfel 2014 in Wales hat Deutschland vor allem eine Trendwende bei den Militärausgaben mitbeschlossen. Das war richtig. Die Bundeswehr und die Armeen der Partner sollten nicht weiter kaputtgespart werden. Deswegen unterstützen wir den jetzt steigenden Bundeswehretat. Das Zwei-Prozent-Ziel, das jetzt Donald Trump und auch Frau von der Leyen verfolgen, läuft auf plus 30 Milliarden Euro für Rüstung hinaus. Das hat der Bundestag nie beschlossen und wird es auch nicht tun. Eine Verdopplung der Militärausgaben würde eine neue Rüstungsspirale auslösen. Das lehne ich ab. Natürlich braucht die Bundeswehr mehr Mittel, aber das richtige Motto lautet: bestmögliche Ausrüstung und nicht: größtmögliche Aufrüstung.
Dies ist ein Auszug des Interviews; das vollständige Interview ist heute u. a. in der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung nachzulesen.