Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Francois Hollande haben in Kiew und Moskau einen neuen Friedensplan vorgelegt. Ein Durchbruch für eine dauerhafte Waffenruhe?

Oppermann: Ich hoffe das sehr. Tausendmal verhandeln ist besser als einmal schießen. So hat es Helmut Schmidt einmal gesagt. Deshalb war es gut, dass Angela Merkel und Francois Hollande nach Kiew und Moskau gereist sind. Die Situation der Ostukraine ist so brenzlig, dass es höchste Zeit war für eine solche diplomatische Initiative. Es müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um Russlands Präsident Putin wieder zu einem verlässlichen Partner zu machen.

In Washington denkt man inzwischen sogar über Waffenlieferungen an die Ukraine nach…

Waffenlieferungen wären die vollkommen falsche Entscheidung. Das würde den militärischen Konflikt weiter verschärfen. Gut, dass sich US-Präsident Barack Obama gegen Waffenlieferungen entschieden hat. Der politische Einfluss aus Deutschland und Europa hat hier eine maßgebliche Rolle gespielt.

Die Europäische Union droht unterdessen mit weiteren Sanktionen gegen Russland. Wäre das nicht kontraproduktiv?

Auf Waffenlieferungen muss verzichtet werden. Auf Sanktionen können wir leider nicht verzichten. Die EU muss geschlossen zeigen, dass sie nicht akzeptiert, wenn Grenzen gewaltsam verändert und kriegerische Konflikte entfacht werden. Wir müssen zurück zur europäischen Friedensordnung. Es gibt für Russland viel bessere Alternativen als die auf militärische Macht gegründete Destabilisierungspolitik gegenüber den Nachbarn. Das Angebot einer Freihandelszone mit Europa steht, Sigmar Gabriel und Angela Merkel haben das deutlich gemacht. Präsident Putin sollte darauf eingehen.

Thema Zuwanderung: Sie fordern ein Einwanderungsgesetz für Deutschland nach kanadischem Vorbild mit einem Punktesystem. Weshalb braucht Deutschland solch eine Regelung?

Wir brauchen in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren dringend deutlich mehr qualifizierte Einwanderer. In den vergangenen Jahren hatten wir großes Glück, weil viele Arbeitnehmer aus Süd- und Osteuropa zum Arbeiten nach Deutschland gekommen sind. Ohne sie hätten wir kein Wachstum und keinen Überschuss in den Sozialversicherungssystemen gehabt. Es besteht die Gefahr, dass sie uns wieder verlassen, wenn es den Herkunftsländern wieder besser geht. Wir verlieren zudem in den nächsten zehn Jahren 6,7 Millionen Erwerbstätige. Uns droht eine gewaltige Fachkräftelücke. Sie wäre eine Gefahr für unseren Wohlstand und die sozialen Sicherungssysteme.

Der Präsident des Bundesamtes für Migration, Manfred Schmidt, sagt, das Aufenthaltsgesetz würde bereits alle Möglichkeiten bieten, um Zuwanderung in den deutschen Arbeitsmarkt zu steuern. Warum dann ein neues Gesetz?

Wir haben viele gute Vorschriften, aber das Einwanderungsrecht ist immer noch extrem zersplittert. Es gibt 50 verschiedene Aufenthaltstitel. Ich plädiere für ein neues Einwanderungsgesetz, das die Vorschriften bündelt. Es wäre auch ein starkes Signal an junge, gut ausgebildete Menschen, die nach Deutschland kommen und hier ihr Glück machen wollen. Denen müssen wir das Zeichen geben: Ihr seid willkommen! Ich bin offen für gute Vorschläge. Bisher überzeugt mich  am meisten ein nachfrageorientiertes flexibles Punktesystem, um gut ausgebildete Fachkräfte für den Arbeitsmarkt zu bekommen. Wir haben Einwanderung aus EU-Ländern und Flüchtlinge, die dauerhaft bleiben. Für alle anderen sollten wir Kriterien festlegen, mit denen wir flexibel auf unseren Bedarf reagieren können. Für mich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es zu einem Einwanderungsgesetz kommt. Die SPD wird eine Bestandsaufnahme vornehmen und Ende Februar, Anfang März ein Positionspapier vorlegen. Darüber werden wir auch in der Koalition diskutieren.

Was ist mit dem immer noch knapp drei Millionen Arbeitslosen in Deutschland?
Wir müssen den Arbeitsmarkt nicht nur nach außen öffnen, sondern gleichzeitig nach innen. Die eine Million junge Menschen, die keine Berufsausbildung haben, müssen dringend nachqualifiziert werden. Sie brauchen eine zweite, und wenn es sein muss, auch eine dritte Chance. Soziale Konflikte wegen Einwanderung müssen wir bereits im Vorfeld vermeiden.

Zur Euro-Krise: Die neue Regierung in Athen will die Spar- und Reformpläne nicht einhalten. Muss Griechenland jetzt doch raus aus dem Euro?

Griechenland gehört zu Europa und auch zur Eurozone. Eine einseitige Abkehr von den europäischen Vereinbarungen ist aber nicht möglich. Und für einen Schuldenschnitt gibt es keinen Bedarf. Langsam merkt Herr Tsipras, dass er Gefangener seiner Wahlversprechen ist, und wird realistischer. Die neue Regierung muss auch die Chance haben, ihr eigenes Reformprogramm zu entwickeln. Wenn die neue Führung Korruption und Steuerhinterziehung endlich bekämpfen will, verdient das Unterstützung. In der Vergangenheit hat sich eine korrupte Elite den griechischen Staat zur Beute gemacht. Die Regierung sollte jetzt nicht den Fehler machen, zu den alten Verhältnissen zurückkehren zu wollen.

Eklat im Edathy-Untersuchungsausschuss. Es gibt Widersprüche zwischen ihren Parteifreunden Sebastian Edathy und Michel Hartmann. Hartmann hat die Aussage vor dem Ausschuss verweigert. Die Staatsanwaltschaft will gegen ihn ermitteln. Welche Konsequenzen hat das?

Zu schwebenden Verfahren will ich mich nicht äußern. Das müssen der Untersuchungsausschuss und die Staatsanwaltschaft aufklären.

Bleibt es dabei: Sie persönlich haben Sebastian Edathy seinerzeit nicht über die Ermittlungen gegen ihn wegen des Verdachts auf Kinderpornographie informiert?

In der Frage steckt eine Behauptung, die niemand, auch nicht Sebastian Edathy, aufstellt.

 

Das Interview führte Andreas Herholz.