Die Geschäftsführenden Vorstände der CDU/CSU- und der SPD-Bundestagsfraktion haben sich Anfang vergangener Woche zur Klausurtagung auf dem Petersberg bei Bonn getroffen. In einer guten und konstruktiven Atmosphäre haben wir aktuelle Fragen besprochen und mehrere konkrete Beschlüsse gefasst.

Ukraine-Krise

Einer der Beschlüsse betrifft die Lage in der Ukraine. Darin unterstützen wir die Haltung der Bundesregierung, mit diplomatischen Mitteln zu versuchen, die Krise in und um die Ukraine zu bewältigen. Militärische Optionen werden in dem Beschluss ausdrücklich abgelehnt. Wir fordern, dass die am 17. April in Genf vereinbarten Maßnahmen, etwa die Räumung besetzter Gebäude und die Entwaffnung illegaler Gruppen, endlich umgesetzt werden. Der positiven Nachricht von der Freilassung der festgesetzten OSZE-Beobachter am vergangenen Wochenende steht eine dramatische Zuspitzung der Lage gegenüber. Die jüngsten gewalttätigen Ereignisse in der Ostukraine und in der Stadt Odessa zeigen, dass ein Ende der Eskalation noch nicht in Sicht ist. Neben dem dringend notwendigen innerukrainischen Dialog müssen deshalb die internationalen Bemühungen für eine politische Krisenregelung mit großer Intensität fortgeführt werden. Daher unterstützt die SPD-Bundestagsfraktion die Forderung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach einer zweiten Genfer Konferenz unter Beteiligung der Konfliktparteien. Die G7-Staaten und die EU haben allerdings auch deutlich gemacht, dass Russland bei weiteren eskalierenden Maßnahmen mit Sanktionen rechnen muss. Alle Beteiligten müssen sich jetzt ohne Wenn und Aber für eine politische Regelung des Konflikts engagieren.

Perspektive der Eurozone – Zukunft der Tarifpartnerschaft

Mit dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, haben wir bei der Klausur auf dem Petersberg über die aktuelle Lage und die Perspektiven der Eurozone diskutiert. Es bestand Einvernehmen, dass Geldpolitik allein die Eurozone nicht nachhaltig aus der Krise führen kann. Aus der Sicht der SPD-Bundestagsfraktion ist entscheidend: Wir müssen gleichzeitig mit Investitionen in Innovation, Infrastruktur und Bildung den Grundstein legen für mehr Wachstum und eine höhere Beschäfti-gung. Das haben wir mit dem Haushalt 2014 in Deutschland durchgesetzt und dafür kämpfen wir auch auf EU-Ebene. Auf dem Petersberg bekundeten der Präsident der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, Ingo Kramer, sowie der designierte DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann zudem ihre Bereitschaft, an der künftigen Bemessung des Mindestlohns mitzuwirken. Beide legten hierfür einen gemeinsamen Verfahrensvorschlag vor. Ich sehe darin ein wichtiges Signal, dass die Tarifpartner – Arbeitgeber wie Gewerkschaften – den Mindestlohn als neues Ordnungselement auf dem Arbeitsmarkt akzeptieren und konstruktiv an seiner Ausgestaltung mitwirken wollen.

Initiativen zu Verbraucherschutz und Palliativmedizin

Ein weiteres Ergebnis unserer Klausur: Wir wollen den Verbraucherschutz für Sparer und Kleinanleger verbessern. Dazu gehören ein einklagbares Recht für jedermann auf ein eigenes Girokonto sowie die Verpflichtung der Banken, Dispo-Kredite kundenfreundlicher zu gestalten. Ein weiterer Beschluss betrifft Hörbücher und E-Books: Auf sie soll künftig – wie schon bisher bei gedruckten Büchern – nur noch der verminderte Mehrwertsteuersatz von 7 Prozent fällig werden. Um dies für E-Books und E-Papers umzusetzen, sind allerdings Änderungen im europäischen Recht nötig.

Weiterhin haben wir Beschlüsse zu zwei Themen gefasst, die Kernbereiche menschlichen Lebens und menschlicher Würde betreffen: Zum einen sollen ambulante Hospizdienste und stationäre Hospize gestärkt werden, um die Palliativversorgung todkranker Menschen zu verbessern. Zum anderen wollen wir eine Entscheidung des Bundestags herbeiführen, wie künftig in Deutschland mit der Sterbehilfe, insbesondere mit der bisher straffreien Beihilfe zur Selbsttötung, umgegangen wird. Diese Frage kann nicht entlang von Partei- und Fraktionsgrenzen entschieden werden. Es werden deshalb fraktionsübergreifende Gruppenanträge erarbeitet, über die der Bundestag voraussichtlich im Herbst kommenden Jahres abschließend entscheidet.

Investieren – Konsolidieren – Entlasten

Diese Woche wird die aktualisierte Steuerschätzung veröffentlicht. Dies kann erneut die Diskussion anstoßen, wie eventuelle Mehreinnahmen verwendet werden sollen. Für uns ist klar: Wir wollen eine verantwortungsvolle Finanz- und Haushaltspolitik die erfolgreich den Dreiklang schafft: investieren, öffentliche Haushalte konsolidieren und kleine und mittlere Einkommen entlasten. In diesen Dreiklang ordnen wir auch die Diskussion um den Abbau der kalten Progression ein, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit kleinem und mittlerem Einkommen trifft und deren Abbau deshalb auch von den Gewerkschaften gefordert wird. Wir unterstützen diese Forderung. Aber Steuererleichterungen – und dazu gehört die Abmilderung der kalten Progression – dürfen nicht zu Lasten öffentlicher Investitionen gehen. Wir sehen daher den Bundesfinanzminister in der Pflicht, ein Konzept vorzulegen, wie der Abbau der kalten Progression und die im Koalitionsvertrag vereinbarten Investitionen einschließlich der Entlastungen der kommunalen Haushalte gleichzeitig finanziert werden können, ohne das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts aufzugeben.

Entlastung energieintensiver Unternehmen von der EEG-Umlage

Diese Woche beginnt die parlamentarische Beratung der Reform des Erneuerbare Energien-Gesetzes. Der Ausgleich der verschiedenen Interessen und die Einigung mit den Ländern auf Ziel und Weg der Reform war eine Herkulesaufgabe, die Wirt-schaftsminister Sigmar Gabriel erfolgreich gemeistert hat. Wir wollen der EEG-Novelle auch im parlamentarischen Verfahren zum Erfolg verhelfen.

Nicht im Gesetzentwurf enthalten ist die sogenannte „Besondere Ausgleichsregelung“ für energieintensive Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen. Das Bundeswirtschaftsministerium wird unter Berücksichtigung der Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien der Kommission am 7. Mai einen eigenständigen Gesetzentwurf zur besonderen Ausgleichsregelung ins Kabinett einbringen.

Durch die Gespräche von Sigmar Gabriel mit der Kommission wurde eine Lösung gefunden, die es stromintensiven Industrieunternehmen erlaubt, auch in Zukunft in Deutschland wettbewerbsfähig zu produzieren. Gleichzeitig wird die Entlastung stärker auf wirklich energieintensive Unternehmen konzentriert, die im internationalen Wettbewerb stehen. Die Energie- und Umweltbeihilfeleitlinien sehen vor, dass stromintensive Unternehmen aus insgesamt 68 Branchen unter bestimmten Voraussetzungen auch in Zukunft begünstigt werden. Daneben können im Einzelfall auch besonders stromintensive Unternehmen anderer Branchen privilegiert werden. Grundsätzlich gilt: Begünstigte Unternehmen zahlen künftig 15 Prozent der vollen Umlage. Die Belastung ist aber auf vier Prozent, bei besonders stromintensiven Unternehmen auf 0,5 Prozent ihrer Bruttowertschöpfung begrenzt. Für Unternehmen, die bisher begünstigt waren, künftig aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, gibt es Härtefallregelungen. So soll sichergestellt werden, dass diese Unternehmen nicht in ihrer Existenz bedroht werden. Mit der nun gefundenen Lösung bleiben tausende Arbeitsplätze erhalten, die bei voller Anrechnung der EEG-Umlage gefährdet worden wären.