spdfraktion.de: Worum geht es euch bei der Arbeit an eurem Projekt, wie kam die Idee zustande?
Oliver Kaczmarek: Die Idee zu unserem Projekt kam aus der Arbeit an der Umsetzung des Koalitionsvertrags. An einigen Stellen haben wir bemerkt, wir müssen Themen arbeitsgruppenübergreifend noch weiter durchdenken und bearbeiten. Es geht dabei um Zukunftsthemen insbesondere in der Bildungspolitik. Wir wollen nicht kurzfristig agieren, wir wollen langfristige Lösungen erarbeiten und auch aufzeigen, wo trennende Linien zu unserem jetzigen Koalitionspartner sind. Inhaltlich steht dabei im Vordergrund, wie wir das sozialdemokratische Aufstiegsversprechen durch Bildung erneuern können, das heißt: Jede und Jeder, die und der sich anstrengt, erhält mit sozialdemokratischer Bildungspolitik eine faire Chance auf Aufstieg durch Bildung.
Der Slogan der Projektgruppe ist „Wertschätzung für Bildung und Arbeit“. Was meint Ihr damit?
Wir glauben, dass Bildung und Arbeit in einer Gesellschaft, die lebensbegleitend lernt, zusammen gehören und zusammen gedacht werden. Wir wollen die Anstrengungen eines jeden in seiner Bildungsbiografien wertschätzen und wir achten dabei darauf, dass berufliche und akademische Bildung gleichwertig gesehen werden. Wir dürfen diese beiden Bereiche nicht getrennt und hierarchisch sehen, sondern wir müssen Grenzen verwischen, Durchlässigkeit ermöglichen und damit Wertschätzung konkret erfahrbar machen. Und es geht uns darum, dass diese Themen, von denen alle sagen, dass es Zukunftsthemen sind, eine hohe Wertschätzung in der Politik haben und deshalb auch mit hoher Priorität behandelt werden.
Das Thema Bildungsgerechtigkeit liegt euch am Herzen, vor allem die frühkindliche Bildung und die Unterstützung von nichtakademischen Berufsgruppen. Worauf kommt es da aus eurer Sicht an?
Wir stellen fest, dass immer noch die soziale Herkunft bestimmend für den Erfolg im Bildungswesen ist und wir stellen fest, dass die Bildungsbiografien brüchiger geworden sind, dass es weniger Sicherheit gibt, mit der einmal erlernten Qualifikation ein ganzes Berufsleben durchzuhalten. Deshalb wollen wir den Menschen neue Chancen einräumen und wir nehmen dabei die sogenannten Übergänge im Bildungssystem in den Blick: Wir wollen mit neuen Einstiegsmöglichkeiten in der frühen Bildung bessere Startchancen für alle Kinder schaffen und auch die Erzieherinnen und Erzieher stärken. Wir wollen neue Aufstiegsmöglichkeiten schaffen, indem wir berufliche und akademische Bildung gleichwertig sehen und die Grenzen zwischen den Systemen durchlässiger machen. Und wir wollen im Laufe eines Lebens auch Umstiegsmöglichkeiten schaffen, um sich besser gegen Arbeitslosigkeit abzusichern mit einer Arbeitsversicherung, die Freiräume für Weiterbildung zeitlich und finanziell absichert.
Ihr führt Gespräche mit verschiedensten Trägern aus dem deutschen Bildungssystem. Wie läuft der Dialog und was geschieht am Ende eures Dialogprozesses?
Wir haben in einer ersten Analyse das Themenfeld eingegrenzt und Fragen und Thesen formuliert zu unseren Arbeitsbereichen. Damit sind wir bewusst offen auf die Expertinnen und Experten in der Wissenschaft und in den Verbänden, aber vor allem auch auf die Profis aus der Praxis zugegangen. Dort haben wir viel Interesse für unsere Themen und auch für unsere Herangehensweise erfahren. Mittlerweile werten wir zahlreiche Stellungnahmen aus, machen vielfältige Besuche in innovativen Einrichtungen der Bildungspraxis und versuchen wiederum im Dialog die Schlussfolgerungen zu entwickeln. Am Ende soll ein klar sozialdemokratisch profiliertes, aber eben auch im Dialog entwickeltes Konzept für mehr Bildungsgerechtigkeit stehen.
Das Interview führte Jasmin Hihat