Wohlstand und Lebensqualität in Deutschland beruhen auf der Leistung der Men-schen und einer starken Wirtschaft. Aber die Gesellschaft altert und schrumpft. In den nächsten Jahrzehnten werden dramatisch weniger Menschen in Deutschland leben und zum Wohlstand beitragen können. Tatsache ist: Aufgrund der demografischen Entwick-lung verlieren die Republik in den kommenden zehn Jahren bis zu 6,7 Millionen Er-werbsfähige. Das ist aktuell die größte Herausforderung für unsere Volkswirtschaft. Die SPD-Bundestagsfraktion gibt darauf eine Antwort.
Vorrangiges Ziel der deutschen Sozialdemokratie ist es, die in Deutschland lebenden Ar-beitskräfte besser zu mobilisieren und zu qualifizieren. Aber es müssen zugleich bessere Rahmenbedingungen für die Einwanderung von Fachkräften aus dem Ausland geschaffen werden. Entscheidend ist: Hier gibt es kein „entweder-oder“. Beides ist notwendig.
Der SPD-Fraktionsvorsitzende Thomas Oppermann hat am Diens-tagmittag gemeinsam mit den Abgeordneten Rüdiger Veit und Burkhard Lischka ein Positionspapier vorgestellt, wie dieser Problematik begegnet werden kann. Vor der Presse sagte Oppermann, mit dem Konzept wolle seine Fraktion die lebhafte Debatte um die Einwanderung weiter voranbringen. "Wir müssen alles tun, um die Fachkräftelücke zu schließen". Es bedürfe einer gezielten Einwanderung. Integration bedeute für ihn die "Teilhabe von Einwanderern am Rechts- und Sozialsystem"; das setze jedoch Sprachkenntnisse voraus.
Hier die Vorschläge in der Übersicht:
- Die SPD-Bundestagsfraktion setzt sich für ein neues Einwanderungsge-setz in Deutschland ein. Eines, das mit mehr Transparenz Vertrauen schafft und Sorgen entkräftet - und zugleich Weltoffenheit signalisiert.
- Die Sozialdemokratinnen und -demokraten werden sich weiter dafür en-gagieren, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu fördern, damit mehr Frauen von Teilzeit- in Vollzeitbeschäftigung wechseln können.
- Gleichzeitig müssen alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen werden, um die 1,5 Millionen jungen Menschen in Deutschland zwischen 25 und 35 Jahren, die bisher keine Berufsausbildung haben, in eine Ausbildung zu bringen.
Deutschland profitiert derzeit von einer hohen Einwanderung qualifizierter Ar-beitskräfte aus der EU. Wenn sich die Beschäftigungslage im Süden Euro-pas verbessert, wird der Zuzug aus diesen Ländern abnehmen. Es kommt daher auch auf qualifizierte Einwanderer aus Drittstaaten an.
- Die SPD-Bundestagsfraktion schlägt deshalb vor, die verschiedenen Einwanderungsvorschriften in einem Einwanderungsgesetz zu bündeln und mit diesem Gesetz ein starkes Signal auszusenden, dass Deutschland um die Einwanderung gut ausge-bildeter Menschen wirbt.
- Zwar gibt es Regelungen wie die Blaue Karte EU, die die Einwanderung qualifi-zierter Arbeitnehmer aus dem Nicht-EU-Ausland unter gewissen Bedingungen ermöglichen. Allerdings haben davon seit 2012 insgesamt nur 24.000 Spezialisten Ge-brauch gemacht. Das reicht bei weitem nicht aus und zeigt, dass die Zutrittshürden für Fachkräfte nach wie vor zu hoch sind. Die SPD-Fraktion schlägt darum vor, neben der Blauen Karte EU ein flexibles und nachfrageorientiertes Punktesystem zu entwickeln. Mit einem solchen System gewinnt beispielsweise Kanada jedes Jahr rund 250.000 qualifizierte Einwanderer.
- Die Politik muss sorgfältig prüfen, welche Elemente des kanadi-schen oder anderer kriteriengeleiteten Einwanderungssysteme sich übernehmen las-sen, um die Einwanderung aus Drittstaaten langfristig mit einem flexiblen und nachfrageorien-tierten Punktesystem bedarfsgerecht zu steuern.
- Ein weiteres wichtiges Element des neuen Einwanderungsgesetzes muss die bessere und schnellere Anerkennung ausländischer Abschlüsse sein. Derzeit ar-beiten schätzungsweise 300.000-500.000 Einwanderer unterhalb ihrer Qualifikation; dieses Potenzial von Anerkennungsberechtigten muss ausgeschöpft werden.
- Der Arbeitsmarkt muss auch für Flüchtlinge geöffnet werden. Damit hat die Große Koalition bereits begonnen: So wurde 2014 die Frist für den Zugang von Asylbewerbern und Geduldeten zum Arbeitsmarkt von zwölf bzw. neun auf drei Monate, der Entfall der Vorrangprüfung auf 15 Monate abgesenkt bzw. für Mangelberufe und bei inländischer Ausbildung ganz abgeschafft. Asylsuchende und Geduldete, die durch eigene Arbeit für ihren Lebensunterhalt sorgen können, sind besser vor Diskriminierungen geschützt und können sich besser integrieren. Die SPD-Fraktion wird deshalb prüfen, wie wir aus diesem Weg voranschreiten und zu wei-teren Verbesserungen beim Zugang zum Arbeitsmarkt kommen können.
Thomas Oppermann kündigte an, nun mit dem Koalitionspartner Union das Ge-spräch zu suchen und Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände zum Dialog über das Konzept einzuladen. "Solch ein großes Projekt muss eine Große Koalition stemmen", betonte er.
Deutschland steht am Beginn einer breiten gesellschaftlichen Debatte über die Notwendigkeit und Chancen einer modernen Einwanderungspolitik. Eine positive gesell-schaftliche Grundhaltung zu Einwanderung entsteht nicht von heute auf morgen. Mit einem Einwanderungsgesetz, das klare, nachvollziehbare und am Bedarf orientierte Kriterien enthält, werden die Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten die Menschen davon überzeugen: Einwanderung kann ein Gewinn für uns alle sein.
Das Positionspapier "Deutschland als Einwanderungsland gestalten – warum wir ein Einwanderungsgesetz brauchen" ist am Dienstag von der SPD-Bundestagsfraktion beschlossen worden und lässt sich hier in Gänze nachlesen.
Video zur Pressekonferenz