Am Donnerstag, 22. September 2022, nahmen ca. 50 Teilnehmende ab 18.00 Uhr im Paul-Löbe-Haus sowie digital am dritten „Medienpolitischen Dialog“ der SPD-Fraktion im Bundestag teil.
Auf Einladung von Helge Lindh, kultur- und medienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion diskutierten die Gäste aus Politik, Medienbranche und Wissenschaft zum Thema „Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk reloaded – Transparenz und Compliance für mehr Bürgernähe“
Zuvor tagte die Rundfunkkommission der Länder mit Blick auf den neuen Medienstaatsvertrag. Es ging darum, wie nach den Vorfällen beim RBB und anderen ARD-Anstalten die Aufsicht und Kontrolle verbessert werden kann.
Für die SPD-Fraktion sagte Helge Lindh: „Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist unverzichtbar für unsere Demokratie. Er ist eine von den Bürgerinnen und Bürgern für die Bürgerinnen und Bürger finanzierte Dienstleistung und soll transparent und vertrauenswürdig sein“. Die SPD-Fraktion setze sich für einen zeitgemäßen Rundfunk, mehr Klarheit und Effizienz ein. „In Zeiten der Desinformation auch durch den russischen Angriffskrieg in Europa braucht es gute Informationen und Berichterstattung sowie Transparenz“. Die SPD-Fraktion unterstütze daher die wichtige Arbeit der Medienschaffenden vor Ort.
Stattdessen ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk durch die aktuellen Vorfälle in einer Krise und leidet unter Vertrauensverlusten in der Öffentlichkeit.
Mitschnitt des „Medienpolitischen Dialogs“
Staatssekretärin Heike Raab, Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien, erläuterte die Position der Rundfunkkommission der Länder und betonte den hohen Wert des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Das duale System in Deutschland mit starkem öffentlich-rechtlichem und privatem Rundfunk sei europaweit einmalig. Um den Wert dieses Rundfunks zu erhalten, sei eine restlose Aufklärung der Vorwürfe nötig, eine Generalverurteilung helfe nicht weiter. Klar sei: „wer Bezüge aus öffentlich-rechtlichen Beiträgen erhält, muss transparent zeigen, wofür die Beitragsgelder verwandt werden".
Die Rundfunkkommission forderte einheitliche Compliance-Regelungen, ein Bericht müsse zeitnah vorgelegt werden. “Insgesamt brauchen wir mehr Kontrolle, Einheitlichkeit und Vergleichbarkeit bei Transparenz und Compliance.“ Es gebe großen Handlungsbedarf bei der Regelung von Gremien, dies zeige auch der relativ kurze ARD-Staatsvertrag.
Kontrolle und Teilhabe durch Verwaltungsräte und Rundfunk- sowie Fernseh- oder Hörfunkräte müssten ausgebaut werden. Es gehe nun um Akzeptanz und Vertrauen. „Die Rundfunkkommission wird gesetzgeberischen Handlungsbedarf prüfen und dringt auf Veränderungen der Strukturen“. Derzeit sei der 3. Medienänderungsstaatsvertrag in der Vorbereitung, bald laufen die Beratungen in den 16 Landtage mit dem Abschluss im Frühjahr 2023. Inhalt sei die digitale Transformation sowie die Schärfung des Auftrages als ein Ergebnis der Publikumsbeteiligung mit 2700 Online-Eingaben.
Podiumsgäste: Dr. Susanne Pfab, Heike Raab, Helge Lindh, Prof. Frank Überall
Frau Dr. Susanne Pfab, Generalsekretärin der ARD sagte, dies sei tatsächlich die größte Krise der ARD. Sie betonte die zentrale Rolle von wirksamen Prozessen und Strukturen zur Sicherung der Glaubwürdigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: „Glaubwürdigkeit ist unser höchstes Gut“.
Ziel der ARD sei ein engeres und besseres Zusammenwirken. Dafür stellte sie 5 Punkte heraus für einheitliche Compliance-Vorgaben nach dem Best-Practice-Prinzip. Es soll 1) eine Anlaufstelle geben sowie verpflichtende Schulungen für alle Mitarbeitenden zum Thema Compliance. 2) Es folgen Änderungen zu Transparenzvorgaben, z.B. bei den Vergütungen, ein gutes Beispiel dafür sei der WDR. So sollen die Grund- und die Gesamtvergütungen angegeben werden. 3) Gremienaufsicht und ARD-Governance sollen verbessert werden. 4) Die Arbeitskraft soll sichergestellt werden, so dass Medienschaffenden ihre Aufgaben mit größtmöglicher Professionalisierung erfüllen können. Als Hinweis an den Gesetzgeber formuliert sie 5) die notwendige besondere Sachkunde eines Verwaltungsrates, die allerdings bislang nur in vier Verträgen enthalten sei.
Nicht erst seit 2017 laufen in der ARD zudem Reformprozesse für mehr Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, die vorangebracht würden, etwa durch den Ausbau der Kooperation im Programm: „Nicht jede Anstalt muss alles machen“.
Prof. Dr. Frank Überall, Bundesvorsitzender des Deutschen Journalisten Verbandes (DJV) und Professor an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft in Köln betonte: „Es ist eine Krise im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, aber es ist keine Systemkrise“. Es brauche eine Grundversorgung der Bevölkerung, so dass die Binnenpluralität gegeben sei. „Diese Krise kommt zum falschen Zeitpunkt“. Reformprozesse würden laufen, es gebe gute Verfahren mit der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF). Es gebe einen klaren Verfassungsauftrag gleichwohl seien die kritischen Stimmen, die nun das ganze System in Frage stellen, nicht zu unterschätzen. Eine Erkenntnis seiner Arbeit bei Transparency international sei, dass es bei jeder Großorganisation Korruptionsgefahr gebe: „Korruption lauert überall“. Vertreterinnen und Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks seien Amtsträger, sie hätten eine besondere Verantwortung und es gelten bestimmte Auflagen. Beim Rundfunkrat müsste solche Auflagen genauso gelten wie in Verwaltungsräten etc..
„Wir brauchen Reformen, da wo Kontrolle stattfindet“. Ein gutes Beispiel sei die ARD- und ZDF-Medienakademie. Entsprechend könnte es auch eine Compliance-Akademie entstehen. So könnte es - wie im Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages - eine unabhängige Clearingstelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geben. Hilfreich sei grundsätzlich ein Vier-Augen-Prinzip z. B. bei Dienstreisen oder abendlichen Einladungen, so wie es bereits bei einigen Redaktionen zum Standard gehört. „Wir müssen Maß und Mitte finden – es braucht Transparenz“.
Zudem betont er die Unabhängigkeit der Medienschaffenden: „Die Arbeit der Journalistinnen und Journalisten darf innerhalb des Systems nicht beeinträchtigt werden.“
An der anschließenden Diskussion beteiligten sich neben Mitgliedern des DJV Frau Sigrid März von Berufsverband freier JournalistInnen, die mehr Mitbestimmungsrechte, faire Honorare und eine gute soziale Absicherung der freien Mitarbeitenden forderte.
Martin Rabanus, aus dem Hörfunkrat im Deutschlandradio, und Bendix Lippe, Mitglied des Fernsehrates beim ZDF, betonten die große Bedeutung der Gremienarbeit für die Gesellschaft. Für eine gute Arbeit der Hörfunk-, Rundfunk- oder Fernsehräte sei es wichtig, auch externes Fachwissen durch Expertinnen oder Experten einbeziehen zu können.
Für die privaten Medien verwies Tim Steinhauer von Vaunet, auf die Möglichkeit der Profilstärkung im Rahmen des nächsten Staatsvertrages. Er forderte einen gesicherten Rechtsrahmen zur Refinanzierung der Inhalte privater audiovisueller Medien.
Helge Lindh betonte das Ziel der Stärkung des dualen Systems mit einem qualitativ hochwertigen öffentlich-rechtlichen sowie einem starken privaten Rundfunk. Es sei eine der wichtigsten Aufgaben sozialdemokratischer Medienpolitik, für die Mitarbeitenden und Medienschaffenden in ihrer täglichen Arbeit gute Rahmenbedingungen zu setzen. Dies gelte auch für die Arbeit der Zeitungen und Verlage.
Die SPD-Fraktion im Bundestag wird in enger Abstimmung mit den Ländern die notwendigen Reformen für die Vielfalt und Unabhängigkeit der Medien unterstützen.