Viele Menschen in Deutschland sind bewegt vom Schicksal der Flüchtlinge, die in Europa Schutz suchen. Wie am vergangenen Wochenende am Münchener Hauptbahnhof helfen sie, oft spontan. Sie schaffen ein Klima des Willkommens und bieten gleichzeitig menschenverachtender Hetze die Stirn. Diese Bürgerinnen und Bürger sind mit ihrer Hilfsbereitschaft in Vorleistung gegangen. Und sie erwarten zu Recht, dass der Staat nun seinerseits seinen Teil beiträgt und schnell handelt.

Die Spitzen der Koalition haben sich gestern auf ein umfassendes Gesamtpaket des Bundes geeinigt. Dabei hat die SPD-Fraktion klargestellt: Am Grundrecht auf Asyl wird nicht gerüttelt! Der Bund wird im Gegenteil weitere 6 Mrd. Euro pro Jahr für Versorgung und Integration der Flüchtlinge zur Verfügung stellen, davon 3 Mrd. Euro für eigene Ausgaben des Bundes für Flüchtlinge und 3 Mrd. Euro als Unterstützung von Ländern und Kommunen. Nun muss rasch eine Einigung mit den Ländern gefunden werden. Bund, Länder und Kommunen müssen gemeinsam an einem Strang ziehen.

Mehr Hilfe für Flüchtlinge und Kommunen

Kommunen und Länder tragen die Hauptlast bei Aufnahme und Versorgung der Flüchtlinge. Wir haben erreicht, dass der Bund sie deutlich stärker bei dieser Aufgabe unterstützt:

  • Der Bund wird Ländern und Kommunen zusätzlich zu bereits beschlossenen Entlastungen ab 2016 weitere 3 Mrd. Euro zur Verfügung stellen.
  • Der Bund unterstützt Länder und Kommunen beim Ausbau von 150.000 winterfesten Plätzen in Erstaufnahmeeinrichtungen, indem er Liegenschaften mietzinsfrei überlässt. Er übernimmt zudem, falls notwendig, die Kosten für deren Herrichtung. Sofern Bundesliegenschaften nicht zur Verfügung stehen, wird der Bund die Bereitstellung erforderlicher Plätze finanziell unterstützen. In einem Beschleunigungsgesetz sollen Abweichungen von geltenden Standards z.B. im Baurecht ermöglicht werden.
  • Um Kommunen zusätzlich zu entlasten, brauchen wir schnellere Asylverfahren. Wie im Koalitionsvertrag vereinbart, muss die Entscheidung über das Bleiberecht in maximal drei Monaten gefällt werden. Derzeit sind wir noch deutlich von diesem Ziel entfernt.
  • Wir haben erreicht, dass eine Taskforce eingerichtet wird, um die Asylverfahren sowie die Besetzung der bewilligten neuen offenen Stellen beim Bundesamt für Migration (BAMF) zu beschleunigen.
  • Auch die Einstufung von Kosovo, Albanien und Montenegro als sichere Herkunftsstaaten dient dem Zweck, die Verfahren derjenigen, die kaum Aussicht auf Asyl in Deutschland haben, schneller bearbeiten zu können.
  • Der Bund wird auf Vorschlag der SPD in den nächsten drei  Jahren zusätzlich 3.000 Stellen bei der Bundespolizei schaffen, um u. a. Kommunen bei der Aufnahme der Flüchtlinge in Erstaufnahmeeinrichtungen besser zu unterstützen.
  • Um die Arbeit vieler ehrenamtlicher Helfer stärker unterstützen, werden weitere 10.000 Stellen beim Freiwilligendienst des Bundes geschaffen.
  • Asylsuchende sollen erst nach Antragsstellung auf Kommunen verteilt werden, sofern die entsprechenden Kapazitäten vorhanden sind. Die zulässige Höchstdauer des Aufenthaltes in Erstaufnahmeeinrichtungen soll deshalb künftig bis zu sechs Monate betragen. Für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern verlängert sich der Aufenthalt bis zum Ende des Verfahrens.  

Wir müssen uns in unserem Asylsystem auf die wirklich Schutzbedürftigen konzentrieren. Zugleich benötigen wir klare Regeln für die Einwanderung von Menschen, die zu uns auf der Suche nach Arbeit kommen. Unser Land braucht heute dringender denn je ein Einwanderungsgesetz. Den ersten Schritt dahin haben wir nun durchgesetzt. Unser Koalitionspartner hat sich zumindest im Hinblick auf die Menschen, die aus dem Westbalkan auf der Suche nach Arbeit zu uns kommen, bewegt. Für sie schaffen wir Möglichkeiten der legalen Arbeitsmigration: Wer einen tarifvertraglichen Arbeits- oder Ausbildungsvertrag vorweisen kann, soll diesen auch erfüllen können.

Die Ausgaben für Flüchtlinge gehen nicht auf Kosten anderer Belange. Der Bund ist in der Lage, einen angemessenen Teil der Kosten für die Versorgung der Flüchtlinge zu stemmen, ohne seine Investitionen in Bildung oder Verkehrsinfrastruktur zurückfahren zu müssen. Im Gegenteil, der Haushaltsentwurf 2016 sieht vor, dass der Bund seine Investitionen – bereinigt um den kommunalen Investitionsförderungsfonds – um gut 14,6 Prozent steigert.

Integrationskraft und Zusammenhalt unserer Gesellschaft stärken

Von den über 800.000 Menschen, die dieses Jahr in unserem Land Asyl beantragen, werden viele dauerhaft bleiben. Wie lebenswert Deutschland in Zukunft sein wird, hängt auch davon ab, wie es uns gelingt, diese Menschen in unsere Gesellschaft zu integrieren. Das ist eine enorme Aufgabe, die unser Land nachhaltig prägen wird. Ich bin überzeugt, wir können das packen – wenn wir ehrlich die damit verbundenen Herausforderungen benennen und die Fehler der Vergangenheit vermeiden. Das bedeutet: Wir müssen von Anfang an unsere volle Konzentration auf Spracherwerb, Schulbildung und Eingliederung in den Arbeitsmarkt richten. Das ist der Dreiklang für eine erfolgreiche Integration:

Der Bund wird deshalb die Mittel für Sprach- und Integrationskurse sowie Programme für berufsbezogene Sprachförderung dem gestiegenen Bedarf anpassen. Wir setzen uns darüber hinaus als SPD-Fraktion weiter dafür ein, dass auch die Förderung der Sprachkompetenz von Kleinkindern im Rahmen des Kita-Sprachprogramm erhöht wird.

Asylsuchende, die bei uns bleiben, müssen die Chance haben, bald nach ihrer Ankunft Arbeit zu finden, damit sie sich und ihre Familien eigenständig versorgen können. Deshalb wird der Bund die Mittel für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen sowie für berufsbezogene Deutschförderung und für qualifiziertes Personal in Jobcentern aufstocken.

Europas Werte verteidigen

Die Entscheidung der Bundesregierung vom vergangenen Wochenende, Flüchtlinge aus Ungarn in Deutschland aufzunehmen, war eine notwendige humanitäre Entscheidung in einer Ausnahmesituation. Deutschland muss die Werte verteidigen, die Europa so lebenswert machen. Dazu gehört es, Menschen in Not zu helfen. Wenn es darum geht, Flüchtlinge menschenwürdig aufzunehmen und zu versorgen, müssen daher alle Staaten ihre Verpflichtungen, die sie nach Dublin III haben, erfüllen. Wer sich seiner Verantwortung entzieht, der stellt seine Eignung für ein vereintes Europa infrage.

Die Europäische Union darf keine Zeit mehr verlieren, sondern muss nun geschlossen und entschlossen handeln. Wir erwarten zügige Entscheidungen. Die Europäische Union muss eine einheitliche Linie in der Asyl- und Flüchtlingspolitik finden. Notwendig ist eine faire Verteilung der Menschen, die in Europa Zuflucht  suchen. Auch beim Kampf gegen Schleuserkriminalität und gegen die Fluchtursachen in den Herkunftsländern muss Europa vereint agieren.   

Fluchtursachen besser bekämpfen

Menschen brauchen in ihrer Heimat eine Perspektive auf ein gutes Leben in Sicherheit. Nur dann werden wir die Ursachen von Flucht wirksam eindämmen. Rasche humanitäre Hilfe in den Flüchtlingslagern der Krisenregionen, Stabilisierung und Aufbauhilfe in den Herkunftsländern sowie längerfristige Entwicklungszusammenarbeit müssen daher Hand in Hand gehen. Die SPD hat durchgesetzt, dass Deutschland sein Engagement für Krisenbewältigung und -prävention stark ausbauen: Die dafür vorgesehenen Mittel im Haushalt des Auswärtigen Amts werden um 400 Mio. Euro jährlich aufgestockt.

Gleichzeitig wird der Bund die Visastellen in den Auslandsvertretungen personell verstärken und insbesondere in den Herkunftsländern des Westbalkans intensiv über Asylchancen und Migrationsmöglichkeiten aufklären. Den Verheißungen der organisierten Schleuserkriminalität und den Gerüchten in sozialen Netzwerken müssen wir ein realistisches Bild der asyl- und aufenthaltsrechtlichen Chancen in Deutschland entgegensetzen.

Wir kümmern uns um die Sorgen aller Menschen in Deutschland

Wir wollen gemeinsam mit denen, die zu uns kommen, die Chancen nutzen, die in der Zuwanderung stecken. Das schaffen wir, wenn unsere Gesellschaft zusammenhält. Deshalb dürfen wir nicht die Sorgen der Menschen aus dem Blick verlieren, die schon bei uns leben. Wir kämpfen dafür, dass alle eine gute Perspektive auf dem Arbeitsmarkt mit fairen Löhnen haben. Auf unserer Klausurtagung in Mainz hat die SPD-Bundestagsfraktion zudem konkrete Beschlüsse für gute Pflege, mehr bezahlbaren Wohnraum und digitale Teilhabe gefasst:

  • Viele Menschen sorgen sich darum, ob sie im Alter gut versorgt werden. In unserem Beschlusspapier machen wir klar: Nur mit fairen Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte sichern wir eine qualitativ gute Pflege. Und nur mit ausreichend Personal bleibt genug Zeit für die wichtige menschliche Zuwendung. Deshalb setzen wir uns für einen bundesweit verbindlichen Personalschlüssel in stationären Pflegeeinrichtungen ein. Außerdem muss sichergestellt werden, dass alle Pflegeheime und Pflegedienste ihren Pflegekräften eine angemessene Bezahlung mindestens in Höhe des Tariflohnes gewähren.
  • In vielen Städten und Ballungsräumen hält der Zuzug weiter an. Ausreichend bezahlbaren Wohnungsraum zu schaffen, bleibt deshalb ganz oben auf unserer Agenda. Wir wollen ein gutes Miteinander von Zugezogenen und Eingesessenen und auch kleinen oder mittleren Einkommen ein attraktives Lebensumfeld mit guter Infrastruktur zu sichern. Wir fordern deshalb, dass der Bund wieder stärker Verantwortung für den sozialen Mietwohnungsbau übernimmt und die Mittel dafür verdoppelt.
  • Die Digitalisierung eröffnet uns ungeheurere Chancen – wenn es uns gelingt, dafür zu sorgen, dass alle Menschen an ihren Vorteilen teilhaben können. Dafür sind der Breitbandausbau und schnelles Internet für alle, gerade in ländlichen Regionen, zwingende Voraussetzung. Digitale Bildung und digitales Lernen sind entscheidend, damit alle vom digitalen Wandel profitieren können. In unserem Beschlusspapier schlagen wir ein konkretes Maßnahmenpaket vor. Gleichzeitig machen wir klar: Wir werden nicht akzeptieren, dass Hassreden die Lufthoheit über das Netz gewinnen. Deshalb unterstützen wir die Initiative von Justizminister Heiko Maas für bessere Standards zur Löschung fremdenfeindlicher Aussagen in den sozialen Medien.

Wir wollen, dass Deutschland ein offenes und starkes Land bleibt, das allen seinen Menschen die Chance auf ein gutes Leben bietet. Daran wird die SPD-Bundestagsfraktion auch in der zweiten Hälfte der Legislaturperiode mit ganzer Kraft und vollem Einsatz arbeiten!viele Menschen in Deutschland sind bewegt vom Schicksal der Flüchtlinge, die in Europa Schutz suchen. Wie am vergangenen Wochenende am Münchener Hauptbahnhof helfen sie, oft spontan. Sie schaffen ein Klima des Willkommens und bieten gleichzeitig menschenverachtender Hetze die Stirn. Diese Bürgerinnen und Bürger sind mit ihrer Hilfsbereitschaft in Vorleistung gegangen. Und sie erwarten zu Recht, dass der Staat nun seinerseits seinen Teil beiträgt und schnell handelt.