Europas Weg aus der Krise ist nur durch eine "Weichenstellung in Richtung Realwirtschaft" zu erreichen, stellen Frank-Walter Steinmeier, Sigmar Gabriel und Peer Steinbrück vor der Hauptstadtpresse noch einmal klar: "Weniger spekulative und kurzfristig angelegte Wertschöpfung in Produktion und produktionsnahen Dienstleistungen, mit mehr Investitionen in Bildung, Forschung und Entwicklung sowie in Infrastrukturen, die den Strukturwandel befördern."
In enger Abstimmung mit dem neuen französischen Präsidenten Francois Hollande zeigen SPD-Chef Sigmar Gabriel, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und Ex-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück einen neuen Weg aus der Krise auf – für Wachstum und Beschäftigung in Europa.
Wenn nur gespart und nirgends investiert wird, brechen die Volkswirtschaften zusammen. Deshalb fordert die SPD, den Fiskalpakt um ein starkes Wachstums- und Investitionsprogramm zu ergänzen. Als Voraussetzung für die Zustimmung der SPD zum Fiskalpakt nannten Steinmeier, Gabriel und Steinbrück:
- ein europäisches Sofortprogramm gegen die Jugendarbeitslosigkeit sowie ein europäisches „Bündnis für Ausbildung und Arbeitsplätze“. Nicht abgerufene EU-Strukturfondsmittel sollen den Krisenländern kurzfristig zur Verfügung gestellt werden.
- die Ausgabenpolitik der EU zu verändern. Anstatt mehr als 40 Prozent des EU-Haushalts für Agrarsubventionen auszugeben, plädiert die SPD dafür, stärker in Forschung, Entwicklung, gute Bildung und wettbewerbsfähige Industrien zu investieren. Zudem soll die Europäische Investitionsbank besser ausgestattet werden.
- eine entschlossene Regulierung und eine gerechte Besteuerung der Finanzmärkte. Denn: „Wir müssen die Lehren aus der Finanzmarktkrise ziehen, um zu Stabilität in Europa zurückzukehren“, heißt es in dem Papier der SPD-Spitze.
- eine striktere Haftung von Banken im Fall von Fehlspekulationen sowie eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken.
- eine europäische Bankenaufsicht, die dafür Sorge tragen soll, dass Banken tatsächlich der Realwirtschaft dienen. Die SPD setzt sich außerdem für eine europäische Ratingagentur ein. Sie bei der Bewertung der finanziellen Bonität von Staaten ein Gegengewicht zu den privaten Rating-Agenturen schaffen.
Steinmeier sagte vor der Presse, der Fiskalpakt werde nicht am 25. Mai verabschiedet. Am Ende habe auch die Bundesregierung einsehen müssen, dass der Zeitplan völlig unrealistisch gewesen sei. "Ein Zeitplan ist weg, im Augenblick gibt es keinen neuen", sagte Steinmeier. Es sei "sehr anspruchsvoll", davon auszugehen, dass Fiskalpakt und der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM noch vor der Sommerpause abschließend beraten werden sollten. Der SPD-Fraktionsvorsitzende konzedierte, dass ein deutsches Nein zum Fiskalpakt Einfluss auf die Finanzmärkte hätte - sich diese Frage aber gar nicht stelle: "Wir sind längst einen Schritt weiter, denn Frau Merkel hat ja akzeptieren müssen, dass es Ergänzungen braucht zum reinen Sparen. Das wird ja kommen", so Steinmeier. Die SPD-Bundestagsfraktion habe zudem stets ihre europapolitische Verantwortung gezeigt.
Er ergänzte: "Die Sozialdemokratie ist eine Partei, die auch Verantwortung in der Opposition trägt, weil sie sich darauf vorbereitet, zu regieren". Deshalb könne eine Partei wie die SPD sich nicht die Haltung leisten, "dass wir aus rituellem Oppositionsreflex gegen Europa sind". Steinmeier: "Wir haben eigenverantwortlich zu entscheiden, wie wir uns gegenüber einer Verabredung auf der europäischen Ebene oder Vorschlägen der Bundesregierung verhalten". Beim Fiskalpakt hänge die Positionierung von Verhandlungen mit der Regierungskoalition ab, die in den nächsten zwei Wochen anstehen. "Ergebnisse dieser Verhandlungen haben wir dann zu bewerten, und dann werden wir unser Abstimmungsverhalten festlegen." Die Regierung braucht zur Ratifizierung des Fiskalpaktgesetzes Zwei-Drittel-Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Damit ist sie auf Stimmen aus der SPD und von den Grünen angewiesen.
Was kaum noch zu ertragen sei, erklärte Steinmeier, sei die Haltung Angela Merkels, ständig im In- und Ausland Ratschläge zu erteilen, die nicht einmal den eigenen Erfahrungen entsprächen.
Mit Blick auf Griechenland stellte Steinmeier fest, dass es nun gelte, die nötigen Einsparungen für die Menschen sozial abzufedern. Die griechischen Probleme gingen auch die Deutschen etwas an, das gehöre nicht zuletzt zur europäischen Tradition.
Die Troika signalisierte Sympathien für die Vorschläge des luxemburgischen Regierungschefs Jean-Claude Juncker, angesichts der ungewissen Regierungsbildung in Griechenland die Zeitachse für die Griechen etwas zu vergrößern.
Lesen Sie hier das gesamte Positionspapier "Der Weg aus der Krise - Wachstum und Beschäftigung in Europa"