Sollte im Internet alles kostenfrei für jedermann verfügbar sein, wie es einige vorschlagen?
Es ist eine ganz gefährliche Entwicklung, die da stattgefunden hat und die auch von uns Kreativen komplett verschlafen wurde. Die Entwicklung hat dazu geführt, dass es sich plötzlich wie ein Unrecht anfühlt, wenn im Internet Geld verlangt wird. Es wird dann auch immer ganz schnell Zensur geschrien, und der Verfall der Menschenrechte wird angeprangert. Wie konnte es aber dazu kommen, dass freier Zugang zum Internet mit kostenloser Nutzung der Werke von Urhebern verwechselt wird? Immerhin ist auch das Urheberrecht ein Menschenrecht (Artikel 27, Absatz 2 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte aus dem Jahr 1948). Erst wenn wir das verstehen, schaffen wir es, Inhalte übers Internet zu verkaufen.
Interessanterweise dürfen Inhalte als App „getarnt“ aber schon etwas kosten. Google Play verkauft Bücher und Filme im App Store. Da gibt es eine Akzeptanz, da sagen wir, „klar, ist ja normal“.
Die SPD-Fraktion will den Urheber im Verhältnis zum Verwerter stärken und das Einkommen des Urhebers fair und angemessen gestalten. Wie kann das am besten geschehen, und wie könnte ein angemessenes Einkommen des Urhebers aussehen?
Der Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler vertritt hierzu eine klare Haltung, die ich in den 3 folgenden Punkten zitiere.
„Erstens muss jede Regelung dem gesetzlich geforderten Grundsatz der Angemessenheit und dem Prinzip genügen, dass jede Nutzung vergütet werden muss. Dabei sollten die Nutzungsmöglichkeiten so einfach wie möglich gestaltet sein, damit die verführerische Konkurrenz illegaler Umsonstnutzung an Reiz verliert.
Zweitens muss die Novellierung des Urheberrechts, der sogenannte Korb 3, der vor bereits drei Jahren beschlossen wurde, und in der die Stellung des Urhebers bzw. Leistungsschutzberechtigten gegenüber dem Hersteller/Werknutzer gestärkt wird, endlich auch umgesetzt werden.
Drittens muss eine Hinterlegungspflicht für gesetzliche Vergütungsansprüche eingeführt werden, damit die Geräte- und Lehrmittelhersteller (CD, DVD-Rohlinge und Abspielgeräte) endlich wieder ihrer Zahlungsverpflichtung nachkommen, (…) die sie lange konsequent verletzt haben, was zu Einkommenseinbußen bei den Schauspielern von inzwischen bis zu zehn Prozent geführt hat.“
Darüber hinaus stellt sich mir persönlich die Frage: Was sind Urheberrechte, und wann werden diese berührt bzw. verletzt? Eine aktuelle, wenn auch keine neue Frage ist ja zum Beispiel, ob eine Suchmaschine eine Urheberrechtsverletzung begeht, wenn sie auf Inhalte verweist und dann damit Geld verdient, weil sie Werbung schaltet. Darf ich als Nutzer ein fremdes Bild verlinken oder nicht? Wann helfe ich einem Urheber, wann schade ich ihm? Das sind Fragen, die vor allem erst in den verschiedenen Gewerken diskutiert werden müssen und bei denen sich die Politik einklinken muss und soll. Uns fehlt noch ein gemeinsames Verständnis dafür.
Die SPD-Fraktion lehnt eine Kulturflatrate als allgemeine Pauschale für jedermann ab, kann sich aber pauschale Vergütungsmodelle in Teilbereichen wie bspw. Musik und Film vorstellen. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Die Idee ist verlockend, aber sie funktioniert nicht. Eine Flatrate kann mein Handybetreiber in Deutschland anbieten, im Ausland seit knapp 20 Jahren noch nicht, weil dort verschiedene Firmen im In- und Ausland ihre Hände aufhalten und bezahlt werden wollen – und genau da liegt auch bei der Kulturflatrate der grundlegende Fehler. Wer soll wann wie, wo und warum vergütet werden? Aber man kann sicherlich schön lange darüber sprechen und das Thema, ohne zu Ergebnissen kommen zu wollen, noch jahrelang vor sich hin schieben, so lange muss die Politik dem Bürger auch keine andere Lösung vorschlagen.
Eine Sperrung eines Internetanschlusses bei einer – bewusst oder unbewusst – begangenen Urheberrechtsverletzung betrachtet die SPD-Fraktion als nicht verhältnismäßig. Wie könnten Maßnahmen zum Schutz geistigen Eigentums im Netz aussehen, ohne jedoch Kontrollmechanismen und -strukturen zu etablieren?
Wir verhalten uns immer alle so, als wäre die Netzwelt eine andere als die, die uns umgibt! Wenn im Internet Unrecht geschieht, dann müssen wir einfach das rechtliche System konsequent anwenden. Es gibt einen Unterschied zwischen der individuellen illegalen Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke, die von den Host-Providern so erschwert werden sollte, dass sie nicht unbewusst geschehen kann, und der ganz bewussten Ermöglichung dieser illegalen Nutzung. Schließlich muss auch jeder Buchladen selbst dafür Sorge tragen, dass niemand die Bücher klaut. Und wenn er sich dafür entscheiden sollte, sie zu verschenken, muss er sie selbst vorher kaufen. Wieso hier nach anderen, neuen Lösungen auf eine verkrampfte Art und Weise suchen?
Die Erfahrungen mit den Sharehostern kino.to und megaupload.com zeigen, dass Plattformbetreiber, deren Geschäftsmodelle auf die massenhafte Verletzung geistigen Eigentums ausgerichtet sind, schon heute wirksam bekämpft werden können. Wie sollten dennoch die Regelungen zur Verantwortlichkeit von Hostprovidern neu justiert werden? Sollten die inkriminierten Inhalte entfernt werden?
Wir müssen vor allem und in erster Linie ein Bewusstsein schaffen für die Verletzung, und wir müssen dem Nutzer zu Hause an seinem PC klar machen, was Recht und was Unrecht ist. Und wir dürfen vor allem nicht vergessen, dass wir alle auch eben dieser Nutzer vor dem PC sind.
Wie ist Ihre Meinung zu dem Papier „Zwölf Thesen für ein faires und zeitgemäßes Urheberrecht“ der SPD-Fraktion insgesamt? Haben Sie darüber hinaus Anregungen?
Mir ist das Thesenpapier der SPD bekannt und es gibt viele Dinge, denen ich instinktiv zustimme. Allerdings wäre es fahrlässig, dazu auf die Schnelle etwas zu sagen. Der Dialog, der zwischen Politik, Urhebern und Nutzern stattfindet, ist gut und muss dringend ausgebaut werden. Aber vergessen dürfen wir alle eben auch nicht, dass es bei diesen drei Gruppen vor allem in der dritten Gruppe eine große Schnittmenge zu Gruppe 1 und 2 gibt. Lasst uns gemeinsam aufhören mit dem erhobenen oder dem drohenden Zeigefinger miteinander zu sprechen.
Wir müssen ganz klar gegen Urheberrechtsverletzungen vorgehen, wir müssen sie sofort unterbinden und das mit aller Kraft und mit aller Intensität. Aber wir Urheberinnen und Urheber müssen aufhören, den User an und für sich zu kriminalisieren, und wir User müssen anfangen, den Dialog zu suchen und nicht jeden, der eine andere Meinung hat, mit Masken zu diskriminieren.
Das Interview führte Alexander Linden
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