Der Finanzsektor hat sich zu großen Teilen der staatlichen Kontrolle entzogen. Er hat sich eine Parallelgesellschaft geschaffen, in der eigene, von der Realität losgelöste Regeln gelten. Es wird mit fremdem Geld mit hohem Risiko gespielt, ohne dafür die Verantwortung übernehmen zu wollen. Deshalb müssen in Zusammenarbeit mit der Europäischen Union neue Regeln aufgestellt werden, damit das gleiche Recht für alle gilt: Nicht nur Banken sollen für ihr Verhalten gerade stehen, sondern auch die anderen Akteure der Finanzmärkte.
Banken sind schon lange nicht mehr die einzigen Spieler im Finanzsektor. Investmentfirmen, Hedgefonds, private Investoren und Ratingagenturen übernehmen viele Tätigkeiten und verdrängen Banken. Wie die investieren sie an der Börse, handeln mit Rohstoffen und Finanzprodukten. Diese so genannten Schattenbanken, die häufig durch Banken selbst gegründet wurden, um hoch risikoreiche Geschäfte durchzuführen, unterliegen trotz der gleichen Tätigkeit nicht den Regeln wie Banken. Jedoch sind diese Schattenbanken aufgrund ihres teils unverantwortlichen Handelns die Mitverursacher der Finanzkrise.
Das Bankgeschäft muss von Verantwortung geprägt sein
Schattenbanken müssen denselben Regeln wie klassische Geldhäuser folgen. Wer Risiken eingeht, muss dafür gerade stehen und Rücklagen schaffen – für schlechte Zeiten. Banken dürfen den Weg der Auslagerung mittels Schattenbanken nicht mehr wählen, um mit dem Geld ihrer Kunden mit hohem Risiko zu spielen. Verantwortung und langfristige Investitionen müssen das Bankgeschäft prägen, nicht kurzfristige, risikoreiche Gewinne.
Um die Finanzmärkte wieder unter die Kontrolle des Staates zu bekommen, muss das Kasino geschlossen werden. Viele Finanzprodukte beruhen nicht mehr auf einem tatsächlichen Wert, sondern sind Wetten auf zukünftige Preisentwicklung. Die Finanzmärkte haben den Bezug zur Realität verloren. Damit wieder wahre Werte hinter Finanzprodukten stehen, sollen die Risiken von Derivaten, also z. B. Wetten auf die Gewinnerwartung eines Aktienkurses, mit Sicherheiten hinterlegt werden, um so wieder einen Bezug zur Wirklichkeit zu schaffen.
An den Börsen findet ein Großteil des Handels nicht mehr zwischen Menschen, sondern zwischen Maschinen statt. Algorithmen kaufen in hohem Volumen Wertpapiere, um sie bereits nach kurzen Haltezeiten in wenigen Millisekunden wieder zu verkaufen. In der Folge kann es zu rapiden Preisbewegungen kommen, die die Stabilität der Finanzmärkte gefährden. Wem nutzt dieser Hochfrequenzhandel eigentlich?
Hochfrequenzhandel entschleunigen
Diesem bislang weitgehend unregulierten Handel müssen enge Grenzen gesetzt werden. Schädliche Handelsstrategien müssen verboten werden. Es bedarf eines Zulassungsverfahrens für Handelsalgorithmen. Dabei muss der Algorithmus (also die Handlungsvorschrift) auf seine Strategie und Stabilität überprüft werden. Der ganze Hochfrequenzhandel muss entschleunigt werden; er benötigt eine Mindestverweildauer während der ein gestellter Auftrag bei entsprechender Nachfrage auch tatsächlich ausgeführt werden muss, bevor er wieder zurückgezogen werden kann.
Ratingagenturen haben das Geschehen auf den Finanzmärkten und in der Politik zu lange bestimmt. Die großen drei, Fitch, Moody's und Standard & Poor’s, bestimmen über den Zugang zum Kapitalmarkt – sogar für Staaten – und streichen dabei unverhältnismäßige Gewinne ein. Sorgfalt und Unabhängigkeit können dabei nicht garantiert werden, denn haften müssen Ratingagenturen für ihre Urteile nicht. Um diese Macht zu brechen, müssen Ratingagenturen für ihre Urteile Verantwortung übernehmen und haften.
Insbesondere Staatsratings sollen in Zukunft von unabhängigen Institutionen geprüft werden. Mit der Gründung einer gemeinnützigen europäischen Ratingagentur und der Einführung von bankinternen Bewertungen (Ratings) soll das Abhängigkeitsverhältnis beendet werden.
Martin Mader
Peer Steinbrück stellte am Mittwoch seine Vorschläge zur "Bändigung der Finanzmärkte" vor. "Wir brauchen einen Rückzug aus der Staatshaftung für Banken", so der ehemalige Bundesfinanzminister.