Alle Menschen haben den Anspruch und das Recht auf eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Vor fünf Jahren wurde dieses Ziel in der UN-Behindertenrechtskonvention festgehalten. Mit über 20 Maßnahmen haben wir die Umsetzung im Koalitionsvertrag verankert. Damit Menschen mit Behinderungen in allen Bereichen des Lebens selbstverständlich dazugehören – von Anfang an.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren auf den Zuschauerrängen! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir alle haben übereinstimmend festgestellt: Alle Menschen haben den Anspruch und das Recht auf eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Das hört sich sehr groß an; darüber ist ja schon vielfältig diskutiert worden. Vor fünf Jahren wurde dieses Ziel in der UN-Behindertenrechtskonvention festgehalten. Deutschland war das erste Land, das diese Konvention unterzeichnet und ratifiziert hat, aber wir sind natürlich noch nicht am Ende des Weges. Auch unser Ziel ist eine inklusive Gesellschaft. Jeder Mensch soll seine eigene Lebenssituation so weit wie möglich selbst gestalten können.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)
Das ist unser Anspruch. Eines kann ich Ihnen sagen, so wie ich hier stehe: Bis zum Ende dieser Legislaturperiode werden wir auf diesem Weg ein großes Stück vorangekommen sein. Die Behindertenrechtskonvention beschreibt die Einschränkungen von Menschen mit Behinderungen als abhängig von der Wechselbeziehung zwischen den individuellen Fähigkeiten eines Menschen und den Barrieren, auf die er trifft. Aufgrund einer Beeinträchtigung ist man also nicht per se dafür prädestiniert, dass man nicht uneingeschränkt am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Oft ist es doch die Umwelt, die aus einer Beeinträchtigung erst eine Behinderung macht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Hier gilt es, den Finger in die Wunde zu legen. Beispiel: Wenn Fußgänger die Welt planen würden, könnte das durchaus eine Welt voller Stufen und Treppen sein. Natürlich hätte das für einen Rollifahrer gravierende Auswirkungen. In dieser Welt ist aber nicht der Rollstuhl die Barriere, die Barriere sind die Treppen. Darum müssen diese Treppen weg.
(Beifall bei der SPD)
Aus solchen und aus vielen anderen Gründen haben wir im Koalitionsvertrag ein zutiefst sinnvolles und menschliches Ziel definiert: Menschen mit und ohne Behinderungen sollen zusammen spielen, lernen, leben, arbeiten und wohnen. In allen Bereichen des Lebens sollen Menschen mit Behinderungen selbstverständlich dazugehören – und zwar von Anfang an.
(Beifall bei der SPD)
An circa 20 Stellen im Koalitionsvertrag gibt es dazu Aussagen. Als ich diese gefunden habe, war ich etwas erstaunt, aber ich habe mich natürlich sehr darüber gefreut. Es gibt größere und kleinere Baustellen, die zu bearbeiten sind. Diese betreffen im Grunde genommen alle Fachgebiete. Wir haben festgestellt:
- Wir wollen die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhabegesetz machen.
- Wir wollen eine gemeinsame Bildung vorantreiben und einen Arbeitsmarkt schaffen, der auch Menschen mit Behinderungen offensteht.
- Wir wollen Barrieren abbauen.
- Wir brauchen einen leichteren Zugang für Menschen mit Behinderungen zu Transportmitteln. Jeder kennt das: Ein Rollstuhlfahrer muss erst bei der Bahn anrufen, damit er überhaupt in den ICE kann. Wir brauchen einen besseren Zugang zu Informationen und Kommunikationsmöglichkeiten.
- Wir werden in der Gesundheitsversorgung viel ändern und gerade bei der Vorsorge mehr tun.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Mir ist eines ganz besonders wichtig: Wir wollen das Selbstbestimmungsrecht hilfebedürftiger Erwachsener stärken. Willy Brandt hat in den 70er-Jahren von Menschen mit Behinderungen als Erster von Mitbürgern gesprochen. Warum, frage ich, dürfen Menschen mit Behinderungen, die unter voller Betreuung stehen, heute nicht zur Wahl gehen? Diese Diskriminierung muss ein Ende haben.
(Beifall bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Barrierefreiheit verknüpfen wir immer mit einem Rolli. Klar, wir wollen da sehr viel tun. Aber Barrierefreiheit fängt im Kopf an, und zwar bei uns allen. Als Opposition kann man zwar sagen, dass die Regierung nicht genug tut, aber zum Beispiel für einen inklusiven Arbeitsmarkt können wir nur den Rahmen setzen. Wir brauchen auch Arbeitgeber, die bereit sind, Menschen mit Behinderungen einzustellen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Corinna Rüffer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Aber wir müssen den Rahmen auch machen!)
Barrierefreiheit hat also auch etwas mit Bildungsarbeit, mit dem Abbau von Vorurteilen zu tun. Hierbei müssen wir alle mithelfen. Wenn ich von gemeinsamem Lernen und einem gemeinsamen Arbeitsmarkt rede, heißt das nicht gleichzeitig, dass es keine Werkstätten für Behinderte und keine Sonderschulen für Kinder mit Förderbedarf geben soll. Diese werden wir auch in der Zukunft brauchen. In diesem Punkt müssen Eltern Sicherheit haben.
(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Uwe Schummer [CDU/CSU])
Wir wollen Teilhabe statt Fürsorge. Wir wollen ein gemeinsames Spielen, Lernen, Wohnen und Arbeiten ermöglichen. Wir tun etwas. Lassen Sie uns das auch gemeinsam mit der Opposition tun. Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und der CDU/CSU)